Review

-Eventuelle Spoiler sind nicht zu vermeiden!-

"High Tension" - ein Filmtitel, welcher sehr zuverlässig klingen mag. Ein Titel, der keinen Verweis auf den Inhalt hat, sondern nur mit einem selbstbestimmten Kriterium sich auf die Spitze stellt. "High Tension" bedeutet Hochspannung, das Cover lässt auf einen dümmlichen Slasher vermuten, da dieses auch nur so mit Lobpreisungen um  sich schmeißt. "Noch spannender wäre tödlich!" (Frontcovertext) unterstreicht die Krönung der Selbstanpreisung nun vollends.
Der Name ist Programm!

2003 war nicht nur das Jahr der neuen Jugendschutzbestimmungen in Deutschland, sondern auch der Beginn einer neuen Horrorfilm-Ära. Der harte Horrorfilm, welcher quasi mit Rob Schmidt's "Wrong Turn", Rob Zombie's "Haus der 1000 Leichen" und nachhallend mit James Wan's "SAW" begann, welche tatsächlich in puncto Gewalt eine neue Sprache erfanden. Die Sprache des Entsetzens, der Schockierung als auch der Brutalität. Während "Wrong Turn" noch recht human seine Opfer spaltete, wurde Zombie's Beitrag promt auf den Index gepanscht. Doch welcher Film in dem ganzen Splatter-Salat völlig unter ging, war "High Tension", quasi Frankreichs erster konsequenter Horrorfilm, welcher selbst auf hiesigen Festivals Geheimtipp blieb, bis er in den Händen der wohl gesonnenen Cineasten vom Geheimtipp zum "Must-See" eines jeden wahren Horrorfilmfans avancierte.

Regisseur Alexandre Aja bewies mit seinem Film, dass er trotz der Debütierung weiß, was er kann. 
Sein Werk beginnt schon mit einer sehr harten als auch provozierenden Sequenz, die zwar rein optisch nicht sonderlich viel Brutalität vorweißt, aber auf der Tonspur wird schon klar deutlich, mit was für einem Film man es hier zu tun hat. Francois-Eudes Chanfrault (Komponist) kreierte einfach strukturierte Klänge, die in Zusammenarbeit mit der fabelhaften Bildkomposition den eigentlichen Schrecken auf die Leinwand zaubert. Die elektronisch erzeugten Töne, die schlichte Landschaftsaufnahmen sowie die subjektive Kameraführung übermitteln schon nach einer halben Minute die Grundatmosphäre des Films, welche der Film im Laufe seiner Story immer wieder aufgreift und dieses Stilmittel auch als Höhepunkt sowie Überspielung gewisser Schwächen benutzt.

Da ein Horrorfilm ja grundsätzlich keine wahre Story besitzt, sondern seinen Nutzen immer aus die für das Genre üblichen Kriterien zieht, macht es sich hier Aja ganz leicht und erzählt einfach keine. Sein Ziel scheint es, das Publikum so richtig konsequent zu schocken. Und das ist ihm durchaus gelungen.

Es geht um 2 Freundinnen, die auf dem Land lernen wollen, als plötzlich in der Nacht ein stark gebauter LKW-Fahrer das traute Heim betritt, die halbe Familie umbringt und eine der 2 Freundinnen sogar entführt. Wie der Film endet, kann sich jeder wahrscheinlich selbst denken, doch da hat Aja noch eine kleine Überraschung parat.

Am Ende stellt sich heraus, dass eine der Mädchen an einer Persönlichkeitsstörung leidet und sie selbst es war, die die Familie getötet und ihre Freundin entführt hat. Und ab dieser Wendung scheiden sich die Geister.

Riesen Logiklöcher wirft man dem Film vor, da ja zuvor gesehene Szenen mit dem LKW-Fahrer keinen Sinn mehr machen, da man selbst Marie (welche an Persönlichkeitsstörung leidet) mit ihm sehr oft in einer Szene sah. Ja, selbst am Ende schlugen sich die beiden im wahrsten Sinne des Wortes die Köpfe ein.

Nun denn, ein Meister des Erzählens ist Aja wahrhaftig nicht, doch wird die Persönlichkeitsstörung in sehr vielen Szenen mehrfach "angesprochen", metaphorisch veranschaulicht und sogar charakteristisch dargestellt. So gibt es die Puppe auf dem Nachttisch, welche einen Riss in der Mitte des Gesichts hat. Auch war jedes Spiegelbild von Marie etwas verzerrt. Sehr schön ist auch die Reaktion von Marie, wenn der LKW-Fahrer einen der Nebendarsteller tötet. Keine Emotion, ihr Kopf leicht an die Seite genickt, stets in die Richtung ihrer "dunklen Seite".

Die Morde. Kehlschnitt, Enthauptung, Erschießung. Das sind die 3 Haupttode im Film. Nun, eigentlich nichts spektakuläres, das sieht man so gut wie in jedem Standard-Horrorfilm meint man zu denken. Doch Achtung! Auch wenn hier nicht sehr viel Blut und Gewalt zu sehen ist, ist sie doch dann, wenn sie fabriziert wird, sehr "liebevoll", drastisch und ungemein realistisch dargestellt. 
Das ist gewiss einer der Stärken des Films. Die Gewalt ist filmbezogen nicht fiktiv. Keine Fantasie, das sind Morde, welche wirklich so geschehen könnten. Ohne einen unsterblichen Irren, Werwölfen, Vampiren etc.

Mängel.
Zu bemängeln ist außerdem Marie, welche in der Rolle des "Opfers" (nicht des "Täters"!) doch manchmal zu selbstsicher auftritt. Für das, das sie quasi alles verloren hat, was sie liebte, ist ihr Handeln etwas zu gewollt "cool" - emotionslos ihre Aura. Vielleicht ein weiteres Merkmal bzgl. ihrer psychischen Krankheit - doch ich bezweifle es.

Das Finale.
Die Wendung ist, wie schon angesprochen, sehr kontrovers aufgenommen. Für meinen Geschmack trifft sie jedoch sehr gut den Nerv, selbst wenn unlogische Schlußfolgerungen automatisch entstehen. Doch war "Fight Club" durchweg logisch? Hatte nicht auch Patrick Bateman in "American Psycho" so seine Schwächen? Doch beide Filme hochgelobt, warum also einen Horrorfilm zerreißen? Wahrscheinlich, weil er einer ist.

Nichts desto trotz ist dies einer der drastischsten, brutalsten und atmosphärischen dichtesten Horrorfilme der letzten Jahre. 
Alles in allem lässt sich sagen, dass "High Tension" sowie seine "Geschwister" ("Inside", "Martyrs" "Frontiers") allesamt das Publikum auf ihre Art schockieren, nur mit der finalen Wendung so ihre Schwäche haben, wenn auch gerade diese zu verstören mögen.

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