Review

„High Tension“ wurde als große Horroroffenbarung aus Frankreich angekündigt und ist durchaus erfrischend, auch wenn im Zuge der Euphorie in meinen Augen doch etwas übertrieben wurde.
Marie (Cécile De France) und ihre beste Freundin Alex (Maïwenn Le Besco) fahren aufs Land, um dort bei Alex' Familie ungestört für ihre Prüfungen im Jurastudium lernen zu können. Schon auf der Autofahrt müssen dann ein paar der üblichen Slasherklischees wiedergekäut werden: Marie hatte einen Alptraum, in dem sie verfolgt wurde, man erfährt, dass Marie keinen großen Erfolg bei Männern hat und als Alex ein seltsames Geräusch hört, steigt sie aus dem Auto um nachzusehen. Letzteres erweist sich allerdings als Scherz und zeigt, dass „High Tension“ auch ein wenig mit den Klischees spielt.
Doch nach dem scheinbaren Slasheranfang schlägt „High Tension“ in eine ganz andere Kerbe. Ein irrer Killer verschafft sich Zugang zum Haus der Familie und ermordet bis auf Marie und Alex alle. Marie überlebt, weil sie sich erfolgreich verstecken kann, während Alex zwar von dem Killer gestellt, aber nur gefesselt wird. Das Ganze ist dann auch noch sehr viel derber als die handelsüblichen Slasher, was eine sehr viel bedrohlichere Atmosphäre als das lockere Teeniegemetzel schafft.

Der Killer packt Alex in seinen Wagen und will mit ihr das Weite suchen, doch Marie will ihre Freundin retten. Sie schleicht zu Alex in den Wagen, doch wird vom Killer unbemerkt eingeschlossen und mitgenommen. Auf der Fahrt versucht sie ihr beider Leben zu retten…
Die Mordszenen in „High Tension“ sind sicherlich keine Spannungshöhepunkte wie in Slasherfilmen, denn sie werden sehr direkt inszeniert ohne das Legen von falschen Fährten usw. Stattdessen schaffen sie es, den Zuschauer zu schocken und eine bedrohliche Atmosphäre zu kreieren, was vielen anderen Horrorfilmen (selbst wenn diese ähnlich brutal sind) nicht gelingt. Vor allem das Familienmassaker ist ein echter Schlag in die Magengrube, aber „High Tension“ schlachtet seine Gewaltszenen glücklicherweise nicht allzu stark aus, sondern zeigt sie nur so lang wie nötig.
Doch trotz der dichten Atmosphäre muss man bei der Story Abstriche machen: So ist der größte Teil des Films eine Art Lauerspiel zwischen Heldin und Killer, das recht spannend daherkommt, auch wenn aus dieser Art von Stoff schon viele Thriller gestrickt wurden (als Buch z.B. „Intensity“ von Dean Koontz). Doch „High Tension“ inszeniert das Duell recht spannend und ohne Längen, auch wenn man Killer und Heldin ab und zu Preise für Doofheit bzw. Nachlässigkeit erteilen möchte. Da sucht die Heldin nie nach der Flinte des Killers, um ihn zu erschießen, und verbockt diverse Gelegenheiten ihn hinterrücks niederzustechen. Andrerseits geht der Killer bei seinen Durchsuchungen teilweise ziemlich schlampig vor. Nervt zwar in der Masse ein wenig, aber immerhin bleibt das Duell dadurch länger spannend.

Gegen Ende muss der Film jedoch noch unbedingt eine pseudo-originelle Schlusspointe bieten, die zwar ein paar Logiklücken ausbügelt, aber viel mehr neue Lücken schafft, zudem sehr aufgesetzt wirkt und auch nicht wirklich neu ist. *SPOILER* Denn wenn dann herauskommt, dass Heldin und Killer zwei Teile einer gespaltenen Persönlichkeit sind, dann muss man sagen, dass „High Tension“ hier sehr von dem gelungenen 80er Jahre Slasher „Ab in die Ewigkeit“ klaut. Aufgrund dieser Lösung versteht man dann auch, warum sich Killer und Heldin so doof angestellt haben, aber es bleiben neue Fragen offen: Sind große Teile des Films (Verfolgungsjagd, erstes Auftauchen des Killers am Anfang usw.) jetzt nur in Maries Kopf passiert? Wie hat Marie das seltsame Auto des Killers hergeschafft, obwohl sie zusammen mit Alex hinfuhr? Derlei Fragen gibt es noch mehr, auch wenn es beim zweiten Ansehen dann interessant sein könnte zu rekonstruieren, wie das Ganze wohl wirklich passier ist. *SPOILER ENDE*
Schauspielerisch ist der Film auch erfrischend geraten, denn Hauptdarstellerin Cécile De France überzeugt mit einer sehr intensiven Darbietung. Da verzeiht man, dass die Nebendarsteller bloß routiniert agieren, aber das ist ja im Horrorgenre nicht immer selbstverständlich.

Unterm Strich bleibt ein spannender, ungewöhnlicher Horrorthriller mit dichter Atmosphäre. Für die aufgesetzte Schlusspointe und die derben Logiklücken gibt es aber Punktabzug, deshalb geht „High Tension“ nur als guter Film, aber nicht als Highlight durch.

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