Round 2 and the party goes on. Über Ursprung, Aufbau, Hintergründe und Thema habe ich mich bereits im Review zum ersten Teil ausführlich ausgelassen und deshalb geht es hier direkt ans Eingemachte. War der erste Teil noch eine Verbeugung vor dem Easternkino, so soll, laut Quentin Tarantino, Volume 2 nun eine Huldigung des Spagettiwesterns darstellen. Nach einer kurzen Rekapitulation der geschehenen Ereignisse durch „The Bride“ befinden wir uns schon mitten in der staubigen Wüste, genauer in „El Paso“
Tarantino behält seine stilsichere Inszenierung bei, präsentiert die vorbereitende Generalprobe der Trauung in schwarzweiß und scheint wirklich Wort zu halten. Während in Cameos Bo Svenson und Samuel L. Jackson (kaum zu erkennen) die Szenerie veredeln, wird die Braut vor ihrem schicksalhaften Aufeinandertreffen mit Bill von Ennio Morricones unnachahmlichen, unvergesslichen Score begleitet. Die Kamera fährt, wie einst in „Once upon a time“ aus dem geschlossenen Raum, durch die Tür und zeigt im allerfeinsten Widescreen die unendliche Wüste. Doch hierzu begleitet die Bilder keine Mundharmonika, sondern Bill auf seiner Flöte. Das plötzliche Aufeinandertreffen des ehemaligen Paars ist von Unwohlsein und einer gewissen Vorsichtigkeit geprägt, sie gehen aufeinander zu, unterhalten sich, Tarantino stellt Gesichter und jeden einzelnen Schritt gegenüber – ganz so wie es einst Sergio Leone zelebrierte. Dazu die pointierten Dialoge, die ich im ersten Teil noch so vermisst habe. Siehe da, Tarantino kann es noch! Bis hin zum, längst vom Zuschauer vorher gesehenen Massaker in der Kirche und der sich rückwärts bewegenden und die Kirche schließlich aus der Totalen zeigenden Kamerafahrt, darf man die Zunge mehr als nur einmal schnalzen lassen.
Doch dann… Ja, dann baut „Vol. 2“ langsam aber sicher ab. Von Westernatmosphäre ist nicht mehr viel zu spüren. Budd Vegas (Michael Madsen) war für mich einer der einprägsamsten Figuren in Tarantinos Mikrokosmos. So intensiv Uma ihre Rolle auch verkörpert, auf diesen Mann habe ich seit dem ersten Trailer hingefiebert und dann verschenkt Tarantino seine selbst erschaffene Kultfigur so. Madsen ist dabei kein Vorwurf zu machen, denn, obwohl die guten Rollen in den letzten Jahren eher die Ausnahme waren, ist er immer noch der Budd, der mich in „Reservoir Dogs“ faszinierte. Doch warum er vom ehemaligen Profikiller nun zu einem zweitklassigen Rausschmeißer deklassiert worden ist, hätte ich schon ganz gern gewusst – auch von seiner portionierten Durchgeknalltheit ist nichts mehr zu spüren. Dabei erinnern in diesem Kapitel, bis auf Morricones markante Meisterstücke, abgesehen von ein paar Kameraeinstellungen, nichts mehr an die Westernhommage.
Der Film ist von nun an ein ewiges Auf und Ab. Da sich Budd dem Angriff der Braut, ab jetzt mit Namen Beatrix versehen, erwehren kann und sie bei lebendigem Leib vergräbt. Hier ist wieder Tarantinos Einfallsreichtum, was unverwechselbare Inszenierungen angeht, zu finden: Er schaltet verschiedene Bildformate durch, die donnernde Vernagelung des Sargs hört sich wie das Jüngste Gericht an, das schon auf Beatrix wartet. Die herabprasselnde Erde symbolisiert das nahende, gnadenlose Ende. Nun wir können uns denken, dass sie entkommen wird. Doch bevor die Vorbereitungen ihre Rettung, die eine Anspielung auf Budds Vorstellung in „Reservoir Dogs“ beinhalten, erfahren wir, wer sie zu einer Profikillern ausbildete.
Die Pei Mei - Episode(Gordon Liu in seiner zweiten Rolle) bricht natürlich wieder mit der vorangegangenen Optik, taucht die Bilder in ein grobkörniges Grün und zeigt die Ausbildung Beatrix durch den hochnäsigen Pei Mei, der sie zur elitären Kämpferin ausbildet. Insgesamt wirkt diese Episode sehr zusammengerafft. Außerdem schien Tarantino hier nicht immer den Nerv des Publikums zu treffen, wie einige Lacher bewiesen. So gelungen die Choreographie auch hier wieder ist, die erschöpfende Ausbildung der Braut hätte viel mehr Zeit in Anspruch nehmen und beschränkt sich, nach Klarstellung der Verhältnisse, auf eine einzige, intensive Übung.
Zurück in der Gegenwart trifft Elle Driver (Daryl Hannah) bei Budd ein, um ihm Beatrix kostbares Schwert abzukaufen. Ohne jetzt großartig spoilern zu wollen, ist der Verlauf nun aber mehr als enttäuschend, da Budd, einen der Figur unwürdigen, Abgang hat und Elle sich mit Beatrix konfrontiert sieht. Der Kampf ist das erste Actionhighlight des Films, mit etwas Humor gespickt und von der Brutalität nicht weit vom ersten Teil entfernt. Ein Kampf um Leben und Tod, mit Blut und Schweiß, den nur einer der beiden tödlichen Ladies gewinnen kann. Der Ausgang erinnerte, zumindest mich, dank Daryl Hannahs Acting, an eine gewisse Szene in „Blade Runner“, in der Hannah ähnlich reagierte.
Damit sind nun die letzten beiden Handlanger von der kurzen Liste gestrichen und ich schwer enttäuscht. Zwar erfahren wir, warum Elle ihr Auge verlor, doch ansonsten wird ihr und Budd keine Tiefe zugestanden, die viele Fans den ausführlichen Dialogen andichten wollen. Doch dazu später mehr. Enttäuschend ist die Fortführung allein schon deswegen, weil Tarantino sich nun nicht mehr steigern kann. Der überflüssige Dialog mit dem Zuhälter offenbart kaum Neues über Bill, so dass das Finale einen überlangen Dialog zwischen Bill und Beatrix darstellt.
Hier stiehlt David Carradine, dem ich so eine Leistung nicht mehr zugetraut hätte, Uma Thurman locker die Show, auch wenn sein Vortrag, besonders bezüglich der Comicfiguren, doch etwas abstrakt und nicht ganz zielsicher wirkt. Man wartet förmlich auf die Auseinandersetzung, die dann, Tarantino-typisch, nicht die Erwartungen erfüllt und das Erwartete auf den Kopf stellt. Dennoch, das Finale zieht sich und hätte ich eine Fernbedienung gehabt, ich hätte wohl irgendwann dazu gegriffen. Kitschig ist die Szene, als Beatrix mit ihrer Tochter im Bett liegt zwar nicht, sondern gibt den Figuren Gefühle und Menschlichkeit, aber Tarantinos Anweisungen an Carradine sind einfach zu viel des Guten. Schon das Gespräch rund um den Goldfisch beginnen an den Nerven des Zuschauers zu zerren.
Quentin Tarantinos zweite Hälfte ist zu einem Großteil die Aufarbeitung der Versäumnisse. Die Dialoge, unmöglich sie hier wiederzugeben, spielen in „Vol. 2“ eindeutig eine wichtigere Rolle, sind inhaltlich von der Hand Tarantinos geprägt, vermitteln aber oft zu wenig und erreichen längst nicht den Kult oder die Klasse eines „Pulp Fiction“ oder „Jackie Brown“. Schlussendlich bleiben Elle und Budd nur zwei klischeebehaftete Handlanger, über die man nur minimal mehr erfährt (z.B. ist Budd Bills Bruder). Woher rührt der Konflikt zwischen Elle und Budd? Wenn man sich der Charakterisierung widmet, dann bitte nicht nur dem Titelgeber, sondern auch den Randfiguren. Bei der Zeit, die sich Tarantino genommen hat, bleibt er einfach Vieles schuldig. „Kill Bill“ ist sein erster Film, bei dem ich mich stellenweise wirklich gewünscht habe, dass er hätte sich kürzer gefasst. Schon „Jackie Brown“ war überlang, bestand fast nur aus Dialogen, hat aber einwandfrei funktioniert. Das „Tarantino-Feeling“, das in der ersten Hälfte der Rächerstory, zumindest noch aufblitzte, ist so gut wie nicht auszumachen.
Hat Tarantino einen Freibrief bezüglich Spannung? Sicher, die Story ist so aufgebaut, dass man das Ende eben vorher sieht und so muss die Spannung eben aus der Inszenierung resultieren. Nicht das Was, sondern das Wie steht im Vordergrund und hier beschlich mich ein Gefühl, dass hier vergessen oder geschlampt wurde. „Vol. 2“ ist eine überlange Erklärung, die, wenn man den Figuren schon nicht mehr Raum gibt und die angestrebte Westerninszenierung vernachlässigt, weitaus kürzer hätte ausfallen können.
Die Verbeugung des Regisseurs vor Uma Thurman wirkt in einigen heroischen Kameraeinstellungen schon etwas überzogen – besonders zum Ende hin – und ich bin mir nicht sicher, ob Tarantino seiner Hauptdarstellerin damit einen Gefallen getan hat, den Oscar schon vorweg zu fordern. Nichtsdestotrotz ist ihre Leistung beeindruckend, die Emotionen werden auf das Publikum übertragen, doch für einen Oscar würde ich sie deswegen noch nicht nominieren. David Carradine dürfte aus diesem Werk als der große Gewinner hervorgehen. Einmal mehr schaffte es Tarantino aus einem abgewrackten Schauspieler das Maximum zu holen, dass dieser sich wohl selbst schon nicht mehr zugetraut hätte. Sein finaler Auftritt stellt eine Kür dar. Daryl Hannah und Michael Madsen, um deren Karriere es ebenfalls alles andere als gut bestellt ist, spielen ihre Rollen intensiv und mit sichtlicher Hingabe, werden aber vom Skript in Stich gelassen. Meine Hoffnungen auf einen Film der Vegas-Brüder sind damit doch gewaltig gesunken.
Fazit:
Quentin Tarantinos zweiter Teil taucht das Killerepos in ein komplett anderes Licht. Dabei vergisst er nicht nur in Dialogen, die nicht mehr den Geist seiner Genialität atmen, allen Figuren die angestrebte Tiefe zu verabreichen, sondern auch weitestgehend sich vor dem Italowestern zu verbeugen. Nach bombigen Beginn ist „Kill Bill Vol. 2“ eine Tour de Force mit vielen Höhen und Tiefen, die mich, genau wie schon „Vol. 1“ schlussendlich enttäuscht. Sorgfältig aufgebaute Figuren werden verschenkt und Versprechen nicht eingelöst. Interessante Momente fallen zu kurz aus, während man sich besonders im Finale kürzer hätte fassen können. Tarantino steht nicht gleichbedeutend für einen perfekten Film, auch er macht Fehler und hat Aussetzer. Dennoch ist „Kill Bill“ als Gesamtwerk eine wohl einzigartige Erfahrung, die trotz offensichtlicher Mängel, audiovisuell sämtliche Standards verdreht und auf den Kopf stellt. Ich kann nicht leugnen mich unterhalten gefühlt zu haben, aber das Lob, mit dem der Film zugeschüttet wird, kann ich nicht nachvollziehen. Es ist ein Tarantino, etwas Ungewohntes, etwas Anderes, aber nichts Großartiges.