Review

„Ich mach' immer Nacktbäder in der Sonne!“

Auf seinen fulminanten „Lohn der Angst“ folgte im Jahre 1955 mit „Die Teuflischen“ ein waschechter Psycho-Thriller des „französischen Hitchcock“ Henri-Georges Clouzot. Der Film basiert auf dem (in deutscher Ausgabe) gleichnamigen Roman Pierre Boileaus und Thomas Narcejacs (im Original „Celle qui n'était plus“).

„Vielleicht sind meine Ansichten etwas reaktionär, aber die Freundschaft zwischen den beiden Frauen, das geht zu weit!“

Michel Delasalle (Paul Meurisse, „Das Frauenhaus von Marseille“) ist nicht nur Direktor eines abgeschieden gelegenen französischen Provinzinternats, sondern auch ein echter Widerling. Seine Mitmenschen und Untergebenen behandelt er schlecht und seine herzkranke Ehefrau Christina (Véra Clouzot, „Lohn der Angst“) betrügt er mit der extrovertierten Lehrerin Nicole (Simone Signoret, „Licht und Schatten“). Doch tun sich eines Tages beide Frauen zusammen, um ein Mordkomplott gegen Michel auszuhecken: Er soll mittels K.O.-Tropfen im Whisky betäubt und anschließend in der Badewanne ertränkt werden, woraufhin seine Leiche im Schul-Swimmingpool drapiert wird. Für Alibi und Zeugen ist gesorgt. Nach Durchführung der Tat verschwindet Michels Leiche jedoch spurlos, dafür mehren sich die unheimlichen Anzeichen, dass Michel auf dem Gelände der Lehranstalt herumspukt…

„Ein Mensch kann nicht alles ‘runterschlucken – das gilt nicht nur fürs Essen.“

Beide Frauen könnten gegensätzlicher kaum sein, doch was sie zu einen scheint, ist der Hass auf Michel. Die Skrupel der zurückhaltenderen, kränklichen Christina hilft die entschlossenere Nicole fortzuwischen. Die trotz aller Gegensätze zunächst erfolgreiche Zusammenarbeit wurde von Clouzot und seinen Schauspielerinnen unter Zuhilfenahme des Suspense-Prinzips derart packend inszeniert, dass man dabei fast vergisst, durch seine eindeutige Sympathievergabe – eine andere lässt der Film nicht zu – als Zuschauerin oder Zuschauer quasi zum Mordkomplizen gemacht zu werden. Damit einher geht naturgemäß eine eher eindimensionale Charakterisierung Michels, die hin und wieder auftauchenden Nachbarn fungieren gar als Comic Reliefs.

Als die eigenartigen, möglicherweise paranormalen Phänomene Einzug in die Handlung halten, versteht es Clouzot gut, diese in wahrlich gruseligen Szenen zu visualisieren. Sein Gespür für die Erzeugung von Spannung und Nervenkitzel kommt ihm dabei zugute, wenngleich er sich im weiteren Verlauf etwas zu sehr darauf verlässt und manch belanglosere Sequenz dafür dramaturgisch etwas schleifen lässt, indem er sie zu breit auswalzt. Die Täterinnen bekommen es mit dem Gewissen zu tun und drohen gar, sich miteinander zu überwerfen. Das macht „Die Teuflischen“ auch auf über Mystik und Grusel hinausgehender psychologischer Ebene interessant. Ein sich als Privatdetektiv gerierender pensionierter Polizist (Charles Vanel, „Lohn der Angst“) sorgt für weitere Unruhe und Stress bei den Damen, bis die Nerven blankliegen.

Den Showdown inszeniert Clouzot nach Art eines Horrorfilms, worauf eine überraschende Wendung folgt und sogar noch eine Art Pointe im Epilog. Ganz am Schluss wird per Texttafel darum gebeten, den Ausgang des Films nicht zu spoilern, was hier selbstverständlich nicht geschieht – das wäre in der Tat Frevel. Unabhängig von seiner grandiosen Wendung und seiner Pointe wirkt „Die Teuflischen“ die meiste Zeit wie ein Parabel auf das einen einholende schlechte Gewissen aufgrund der Schwere der Schuld. Etwas mehr Tempo hätte dem Film dennoch gutgetan, Clouzot – bzw. der Schnitt – erzählen ihn etwas arg langsam und die Überlänge von rund 112 Minuten wird durch die Geschehnisse nicht gerechtfertigt, will sagen: dafür passiert dann doch etwas zu wenig.

Tragischerweise verstarb Véra Clouzot, die die herzkranke Christina spielte und mit dem Regisseur verheiratet war, wenige Jahre später tatsächlich an einem Herzleiden. „Die Teuflischen“ erfreut sich in Kennerkreisen dafür einer ungebrochenen Beliebtheit als die Mystery- und Psycho-Thriller-Subgenres mitdefinierender Klassiker, der offenbar eine Art Blaupause für spätere britische und US-amerikanische Filme dieser Art darstellte, die ähnliche Stoffe etwas knackiger präsentierten.

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