„The Straight Story“ liegt in der Filmographie David Lynchs zwischen „Mulholland Drive“ und „Lost Highway“, zwei Streifen, die einen in die Abgründe der menschlichen Psyche abtauchen ließen, düster und wahnsinnig schwer zu durchschauen waren. „The Straight Story“ ist der exakte Gegensatz dazu, denn mit diesem Werk schuf Lynch eine Ode an das Leben, in der ein alter Mann einen Hunderte Kilometer langen Weg zu seinem schwer kranken Bruder auf einem Rasenmäher auf sich nimmt. Auf seiner langen Reise begegnet er Leuten unterschiedlichsten Alters und verschiedenster Herkunft, die jedoch eines gemeinsam haben: Alle helfen diesem alten, weisen Mann dabei, sein Ziel zu erreichen.
Diese Welle der Hilfsbereitschaft und des Verständnisses ist vielleicht genauso eine Utopie wie die düster-bizarren Werke Lynchs, doch das ist auch schon die einzige Gemeinsamkeit. „The Straight Story“ ist so ermutigend inszeniert, dass es einem schwer fällt, den Film nicht zu mögen, aber es dürfte viele Leute geben, denen für so ein Stück unmodernes Kino einfach die Geduld fehlt. Ich kann es ihnen gar nicht mal so sehr verdenken, denn der Film strapaziert die Nerven manchmal doch stark, wenn zum x-ten Mal ein Kameraschwenk über ein Getreidefeld erfolgt oder es bei einem Gespräch wieder einmal zu sekundenlangen Pausen kommt. In einer Zeit, in der MTV und Schnelllebigkeit angesagt sind, kommt das nicht unbedingt an, bietet den wirklich Filminteressierten aber eine willkommene Abwechslung.
Die Story könnte man natürlich auch auf einen 20minütigen Film reduzieren, doch Lynch nimmt sich die ganze Zeit, die Schönheit des mittleren Westens zu präsentieren und beherrscht die Kunst, Sachverhalte zu übermitteln, ohne seine Figuren handeln oder sprechen zu lassen. Man muss zwischen den Bildern lesen können, um das zu verstehen.
Schauspielerisch bewegt sich der Film dank Sissy Spacek (nur noch bemitleidenswert) und Richard Farnsworth auf enorm hohem Niveau, dem ich den Oscar von Herzen gegönnt hätte, zumal er ein Jahr später nach diagnostiziertem Krebs im Endstadium Selbstmord beging. Seine Darstellung des dickköpfigen Alvin Straight geht derart zu Herzen, dass es schwer fällt, dafür Worte zu finden.
Über allem schwebt der etwas eintönige, aber einprägsame und zutiefst sentimentale Score von Lynch-Hauskomponist Angelo Badalamenti, der die melancholische Grundstimmung des Films gut zum Ausdruck bringt. „The Straight Story“ ist ganz anders als alles, was uns heute im Kino begegnet und gerade deshalb so empfehlenswert, obwohl viele verständlicherweise Probleme mit dieser schleppenden Erzählweise haben werden.