Knapp 20 Jahre nach Der Elefantenmensch inszenierte David Lynch mit The Straight Story erneut großes Gefühlskino und verzichtet dabei erneut auf jede Art von Kitsch, sondern setzt auf Lebensnähe und Realismus. Schließlich ist die Geschichte auch wirklich so geschehen.
Wie kein zweiter versteht es Lynch das Publikum zu überraschen. Aber noch viel unglaublicher als die Tatsache, das man auf so verstörende und abgedrehte Filme wie Lost Highway oder Eraserhead kommt, ist das er diesen Film gemacht hat, der sich absolut vom Großteil seiner Filmografie abhebt. Kurz um: Mit diesem Film hätte wirklich keiner gerechnet. Keine verzwickten Storys, surreale Geschehnisse oder kranke Figuren. Das Lynch so viele auf dem falschen Fuß erwischt hat, ist oberflächlich betrachtet zwar absolut nachvollziehbar, wenn man aber genau hinsieht nicht so ganz der Fall. Denn wie gesagt, auch der Elefantenmensch war ein emotionales Meisterwerk und sehr bewegend. The Sraight Story ist der endgültige Beweis dafür, dass der Mensch David Lynch, genau wie sein Werk, viel zu facettenreich ist und nicht so leicht in eine Schublade gesteckt werden kann.
Straight Story schafft es mit einfachsten Mitteln den Zuschauer zu berühren. Trotz aller Tragik ist der Film so dermasen optimistisch inszeniert worden, wie man es selten sieht. Doch vorsicht: Ungeduldige Zuschauer sollten einen weiten Bogen um den Film machen. Denn man kann ohne schlechtes Gewissen behaupten, dass The Straight Story einer der langsamsten Filme aller Zeiten ist. Ob man die Langatmigkeit auch als Langeweile empfindet, das hängt vom Zuschauer ab. Obwohl es schon manchmal ein bisschen zu viel des Guten ist, hat mich der Film nicht wirklich gelangweilt. Die Kamera ist wiedermal großartig. Dem Kameramann Freddie Francis und Lynch gelingen geniale Bilder, die manchmal auch wie Kunstwerke wirken. Lynchs Ursprung in der Malerei kommt auch in The Straight Story wieder zur Geltung. Angelo Badalamentis Score ist auch wunderbar, wenn auch natürlich ganz anders, wie von ihm gewohnt.
Doch der Film steht und fällt hauptsächlich mit Hauptdarsteller Richard Farnsworth der so großartig spielt und darüber hinaus einem von anfang an dermasen sympathisch ist, wie kaum ein anderer. Wer den liebenswerten Opa nicht im Laufe des Films in sein Herz schließt, der hat meiner Meinung nach ein Problem.
Fazit: The Straight Story ist ein herzerwärmender Film, mit einer großartigen Aussage und einem genialen Hauptdarsteller.
Da fällt das doch extrem schleppende Erzähltempo nicht allzu sehr ins Gewicht.
8,5/10