Review

Neben „8mm“ ist „Tesis“ einer der wenigen Filme, die sich mit dem unerquicklichen Thema Snuff überhaupt beschäftigen. Während 8mm daran scheiterte, aus dem Thema eine Mischung aus Human Drama und Moralstück zu machen und Selbstjustiz zu rechtfertigen, geht man hier anders an das Thema heran.
Anders als Schumachers Film, der sich zwangsläufig der Frage nach dem „warum“ nähern mußte, um dann (da es keine Antwort gibt) komplett ins Leere zu laufen und Betroffenheitskitsch aufkommen zu lassen, spielt Amenabar mit seinem Film mehr auf die Faszination des Hinsehens als ein gesellschaftliches Phänomen an, bei dem die Faszination und Neugier über all das Grauen, daß unsere Augen erwartet, siegt. Schon in den ersten Szenen, als Leute ausscheren, um ein U-Bahn-Opfer (bzw. dessen Überreste) zu sehen, deutet es an.

Später wird sich dann die Studentin Angela mit den Gefahren des Sehens beschäftigen, erst auf der Suche nach gewaltätigem Material für ihre Arbeit, die dann auch noch per Zufall einen echten Snuff-Film an den Tag bringt. Das Visuelle löst dann auch im Lauf des Films stets die Gefahr aus. Ihr Professor stirbt bei der Ansicht an einem Herzschlag. Später im Besitz des Films, hört sie nur, was auf dem Film ist, doch die Tonspur allein befriedigt ihre Neugier nicht, doch die Ansicht macht sie zum Mitwisser, zu einer Gefahr.
Ihr erster Verdächtiger, der gutaussehende Bosco fixiert sie stets mit starrem Blick und fokussiert sie ständig durch die Kamera, scheint Gewalt über sie zu gewinnen. Selbst ihr Hardcore-Mitstudent Chema beobachtet sie später durch eine Kamera, genauso wie Überwachungsvideos eine zentrale Rolle bei der Aufklärung der Vorgänge spielt.

Als sie und Chema dann im Unikeller eingeschlossen werden, drehen sich die Vorzeichen um, denn der Sehsinn verlischt mit dem ausgeschalteten Licht und obwohl sich Panik breitmacht, sind sie beide in diesem Moment gar nicht in unmittelbarer Gefahr.

Daß Angela nie aufhören kann, bzw. sich beim Versuch aufzuhören stets ein neuer Hinweis ergibt, deutet die Faszination des Themas schon an.
Allerdings geht der Film damit mehr den Sehgewohnheiten der Menschen auf den Grund, als daß er das Thema Snuff wirklich durchleuchtet. Ein Snuff-Film ist lediglich das definitive Instrument für das Oberthema des Films, nur für das Sehen produziert, ein Stück grausame Realität, dessen Reiz in der Unmenschlichkeit der Dargestellten, des Verbotenen liegt. Der ultimative Tabubruch, die fast sexuelle Spannung dabei.

So wird auch hier die Frage nach dem „warum“ eigentlich gar nicht gestellt, vielmehr nimmt der Film erst kriminalistische Züge an (bis zur Entdeckung des Lagers in der Uni), um dann vollends in einen Whodunit zu kippen, bei dem es lediglich darauf ankommt, einen von zwei Verdächtigen als schlußendlichen zweiten Täter zu identifizieren. Das was wir dabei zu sehen kriegen, ist das, was Angela von ihnen sieht und sie interpretiert, was sie sieht bis zum bitteren Ende.

Natürlich ist damit das Thema Snuff nicht umfassend gewürdigt oder bedient, doch der Film vermittelt auf diese Weise mehr von der Faszination, als Schumachers Wühlen nach imaginären Hintergründen. Die (geschickte) Fokussierung auf die Tätersuche macht „Tesis“ zu einem spannenderen Film, doch einiges an Brisanz geht damit natürlich verloren.
Der Schluß bringt Angela zwar erwarteterweise in die selbe Lage der Snuff-Opfer, doch zu diesem Zeitpunkt ist es nach der bisherigen Konstruktion eher die Frage, wie sie da herauskommt, anstatt die Möglichkeit, sie könne auf dem Stuhl sterben.

Trotz des geschickten Einsatz des „visuellen Elements“ in alle Teile der Handlung wirkt „Tesis“ manchmal etwas zu sehr gestreckt und wechselt zwischen den möglichen Verdächtigen zu oft hin und her, was mehr Ungeduld über die wahre Identität provoziert, als der Spannung förderlich wäre.

Die letzte Szene, in der man erwartet, gleich Snuffszenen im Fernsehen zu sehen zu bekommen, worauf die ganze Nation der Faszination erliegt (außer den Protagonisten, die mehr gesehen haben, als gut für sie war), ist dann auch ein ironisches Ausrufezeichen für einen beklemmenden, düsteren Film, der seine Spannungskurve manchmal etwas straffer hätte ziehen können, der in sich jedoch geschlossener mit seinem Sujet umgeht, als Andrew Kevin Walker (Autor von 8mm) das je könnte.
Keine Revolution, aber ein Film, an den man sich erinnert. (8/10)

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