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Erst 24 Jahre alt war Alejandro Amenábar, als er mit "Tesis" seinen beachtlichen Debüt Film ablieferte. Bereits in diesem Film erkennt man deutlich, das Amenábar ein großartiges Gespür für Spannungsaufbau und Atmosphäre besitzt und sich zu dem auch noch ein gewagtes Thema traut, das er (zumeist) klischeefrei bearbeitet.

Angela ist Student der Film - und Medienwissenschaften in Madrid, gerade arbeitet sie an ihrer Diplomarbeit zum Thema Gewalt in den Medien. Sie bittet ihren Professor, ob er ihr aus dem Uni-Eignen Filmarchiv Material besorgen könne. Wenig später ist der Professor tot, gestorben an einem Herzinfarkt nach dem er im Archiv einen Snuff Film entdeckt hat und diesen angesehen hat. Angela findet den Professor und nimmt das Band an sich. Von diesem Zeitpunkt an ist sie gemeinsam mit Filmfreak Chema nicht mehr sicher. Das Mädchen das auf dem Band zu Tode gefoltert wird ist eine ehemalige Studentin und schon bald sind die beiden nicht mehr sicher. Als sich dann heraustellt das Chema selber mit dem Hauptverdächtigen gut bekannt ist steht Angela alleine da und muss schon bald um ihr Leben fürchten.

Anders als beim extrem durchgestylte und Hollywood-like inszenierte 8 mm mit Nicolas Cage, der sich ebenfalls dem Thema Snuff annimmt, hat Amenábar einen unwahrscheinlich nervenaufreibenden Thriller inszeniert, der durch seine realistischen Charaktere und die nicht minder realistische Atmosphäre überzeugt. gedreht wurde in den Kellern und verschachtelten Gängen der echten Uni, was die Authenzität und Direktheit des Films noch mal immens verstärkt. Dazu gelingt es den Film von einem spannungsgeladenen Höhepunkt zum nächsten zu jagen. Amenábar spielt dabei immer wieder geschickt mit dem Zuschauer, so etwa, wenn Angela sich aus Angst vor dem was sie sehen könnte das Video zunächst nur anhört und den Kontrast am Fernseher soweit runterregelt das nichts zu erkennen ist. Umso bedrohlicher und erschreckender sind die Angstschreie des Opfers, da es jedem selber überlassen bleibt sich auszumalen was vor sich geht. Auch im weiteren Verlauf sind es nur kurze Momente des Videos die gezeigt werden, der wahre Schrecken und Horror entsteht hier durch das was man nicht sieht, was manchmal nur über die Erzählungen und Geräusche transportiert wird. In diesen Szene zeigt sich die ganze Klasse des jungen Regisseurs. Auch hat er immer wieder großartige Einfälle was den Inszenierungsstil angeht, so wechselt das Bild zum Teil fließend von der gewohnten Sichtweise hin zum Blick durch den Sucher einer Videokamera. Das Thema Snuff wird differenziert angegangen und der Film verfällt zu keinem Zeitpunkt in schlichten Gewaltvoyeurismus, vielmehr zeigt er denen die auf Gewalt aus sind einen Spiegel vor. Grandios in diesem Zusammenhang auch die letzten Szenen des Films.

Was hingegen weniger gelungen ist, ist die Tatsache, das der Film sich mit fortlaufender Dauer immer mehr zu einem Standardthriller entwickelt, der zwar noch immer von der inszenatorischen Kraft Amenábars profitiert, aber eben doch nur zu einer Jagd auf den Täter verkommt. Da werden dann noch kurz ein paar falsche Fährten gelegt, die aber schon fast zu offensichtlich sind. Auch kommt man manchmal nicht drum rum sich zu fragen warum Angela nicht endlich zur Polizei geht, spätestens nach dem in Notwehr einer der Snuff -Filmer getötet wurde, erscheint alles andere, in diesem Fall das alleinige Weitermachen, im höchsten Maße unlogisch. Davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen, denn im leider nicht ganz Klischeefreien Finale zieht Amenábar die Spannungsschrauben noch mal gewaltig an und präsentiert einen großartigen Schluss.

Die Darsteller spielen ihre Rollen enorm Realitätsnah und wirken in ihrem Handeln (vom angesprochenen Punkt abgesehene) enorm glaubhaft. Insbesondere Ana Torrent als Angela und Fele Martínez als Chema können auf der ganzen Linie überzeugen und wirken in ihrem Auftreten und Verhalten um Längen glaubhafter und "wirklicher" als es zum Beispiel einem Nicolas Cage in 8mm jemals gelingt.
Bemerkenswert ist sicher auch, dass der Einsatz von Musik sich auf ein Minimum beschränkt, zugleich aber in einer Szene großartig eingesetzt wird. In dieser Szene sieht man Chema auf Angela zugehen, beide tragen einen Walkman, er hört lauten, schnellen Metal, sie etwas ruhiges klassisches, Alejandro Amenábar zeigt die Darsteller immer aus der Sicht des jeweils anderen und spielt dabei die Musik, die die Person gerade hört, so sieht man Angela und hört dazu die aggressive Musik Chemas und umgekehrt. Eine wirklich großartige Szene, die das ganze Können von Alejandro Amenábar aufzeigt.

"Tesis" ist in erster Linie ein exzellenter Thriller, der sich mit dem Thema Snuff Filme auseinandersetzt, aber was die Medienkritik angeht durchaus hätte böser sein können. Nichts desto trotz ist der Film ein grandioses Debüt und ein Film der Spannung pur bietet. Gute Darsteller und ein durchweg gelungener Inszenierungsstil machen den Film zu einem erstklassigen Film, der aber nicht verhehlen kann, das s durchaus noch ein wenig mehr möglich gewesen wäre. 7 von 10 Punkten.

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