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„Der Dämon und die Jungfrau“ (was für ein blöder Titel) ist der optimale Film für diejenigen, die zum ersten Mal etwas von der Faszination Mario Bavas erleben wollen. Dieser Film zeigt eindrucksvoll, was Bava zu leisten vermochte, wenn er über ein akzeptables Drehbuch und ernsthafte Schauspieler verfügen konnte.

Bava nimmt uns mit auf eine Reise zu einer recht komplizierten Familie, die gelangweilt auf ihrem Schloss wohnt, bis der „böse“ Sohn Kurt zurückkommt. Er war damals Schuld am Selbstmord einer Verehrerin und auch sonst ein ziemlicher Stinkstiefel. Die Mutter des toten Mädchens hat geschworen, Kurt umzubringen. Auch Nevenka, die frische Braut von Kurts Bruder, ist wenig begeistert, da sie mit Kurt in der Vergangenheit eine sadomasochistische Beziehung hatte. Kurt zeigt sich übel wie immer und weckt in Nevenka ihre latente sexuelle Hörigkeit, wird aber recht zügig erdolcht. Aber er scheint nicht tot zu sein, sondern treibt seine Familie auch aus dem Grab in den Wahnsinn.

Zugegebener Maßen ist das Ende der Geschichte recht simpel. Das ist aber auch der einzige Negativpunkt des Films. Ansonsten ist „Der Dämon und die Jungfrau“ ganz großes Kino. Allen voran leistet Bava unglaubliches mit seiner Kameraführung und dem Licht. Vor allem letzteres wird toll eingesetzt. Während zu Beginn des Films, wo der Wahnsinn noch nicht alle ergriffen hat, normale Farben die Szenen ausmalen, wächst mit der Paranoia der Einsatz bunter Lichter. Bava spielt in seiner Regie mit krassen Gegensätzen. So stoßen romantische Strandaufnahmen direkt auf Szenen der Gewalt. Und aus der Gewalt zwischen Kurt und Nevenka wird Erotik. Ebenfalls erwähnenswert ist das Zusammenspiel aus Familiendrama und Gothik-Horror, wobei der Horror sehr knapp abschneidet und den Gothik-Szenarien und der innerfamiliären Spannung das Feld überlässt.

Bava wird in seinen Bemühungen von sehr guten Schauspielern unterstützt. Selbst die Nebenrollen sind glaubwürdig gespielt, eine Seltenheit bei italienischen Produkten dieser Zeit. Dominiert wird der Film natürlich von Christopher Lee als Kurt, der normal zurechtgemacht dämonischer wirkt als in jedem Dracula. Auch Daliah Lavi (Nevenka) leistet Großartiges, wobei man ihr neben einer exzellenten Schauspielleistung auch noch Mut attestieren darf. Es war sicherlich provokant, eine Frau zu spielen, die Spaß daran hat, ausgepeitscht zu werden und nicht ihrem Mann, sondern dessen Bruder hörig ist. Ich hätte Frau Lavi dieses Potential nie zugetraut.

Der Film lebt ferner von einer ansprechenden Musik, die hart an der Grenze zum Kitsch angesiedelt ist, aber gut funktioniert, und einem sehr passenden Drehort. Wo immer er sein soll. Bava hat auf seine Art ein europäisches Werk geschaffen, indem er „englische“ Namen mit einer orthodoxen Beerdigung, die von spanischen Sargträgern vollführt wird, kombiniert.

Bis auf das Ende funktioniert alles bei diesem Film. Er ist eine Perle cineastischer Unterhaltung, die erst in diesen Tagen ihre Würdigung erfährt. Ein absolutes Muss für jeden Fan des europäischen Films – für Bava-Anhänger sowieso. Ein Quell stimmiger, kunstvoller Unterhaltung mit guter Spannung und tiefen, familiären Abgründen. Von mir gibt es 9 Punkte.

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