Regen, Düsternis und Trauer beherrschen die trübe Szenerie. Ein Grab, Trauergäste, lotrecht fallender Regen, und ein zutiefst erschütterter Ehemann, der inmitten mitfühlender Trauergäste seine geliebte Ehefrau ins Grab bringen muss. Auf dem Rückweg wird er gefragt, ob er nicht mitkommen möchte zu seinen Freunden – Nein, das möchte er nicht. Er möchte sich der Trauer und dem leeren Haus stellen, und mit diesem außerordentlichen Schmerz fertig werden. Zuhause angekommen zieht er den Mantel aus, gießt sich ein Glas Port ein, stellt sich vor das Gemälde der Verblichenen – Und lacht!
Endlich kann der Mann, Stephen Lowry, ein Mitglied der gehobenen Gesellschaft in der mutmaßlich Edwardianischen Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts, seine Freiheit genießen. Die Unabhängigkeit, die ihm das Geld seiner toten Frau ermöglicht. Und das unschätzbare Wissen, dass ihn niemand mehr kontrolliert und überwacht. Das Leben kann so schön sein! Könnte es zumindest, denn das Dienstmädchen Lily hat die Flasche mit der Medizin der gnädigen Frau gefunden, anhand von Experimenten an Ratten festgestellt dass es sich um Gift handelt, und dieses Fläschchen in Sicherheit gebracht. Dieses Fläschchen sichert ihr den Lebenstraum: Nicht mehr der Fußabstreifer für garstige alte Hausdamen zu sein, sondern selber Hausdame im Anwesen des geliebten Mannes zu sein. Das Fläschchen sorgt dafür, dass Mr. Lowry sein bisheriges Personal entlassen muss, und dass er in Lily seine zukünftige Geliebte zu sehen hat. Eine Kombination, die Lowry nicht wirklich schmeckt, gerät er damit doch in die gleiche Abhängigkeit, der er gerade erst entflohen ist. Und so folgt er an einem nebligen Abend Lily, um sie mit seinem Spazierstock zu erschlagen. Doch dabei wird er beobachtet, und zu allem Überfluss verliert er auch noch seinen Spazierstock. Der wahre Schock allerdings folgt erst noch …
FOOTSTEPS IN THE FOG setzt dort an, wo Hitchcocks VERDACHT oder LADY ALMQUVIST aufhören. Da gibt es diesen Moment, wenn Lowry vom vollbrachten Mord nach Hause kommt, und kurz darauf ungläubig mitansehen muss, wie eine Zeugin, die den Täter aber nicht erkannt hat, ebenfalls durch die Haustür tritt. Lowry ist schockiert und entsetzt, während sie, die munter von der erlebten Mörderhatz erzählt, das Blut auf seinem Mantel entdeckt und ihr klar wird wer der Mörder ist. Ein wahrhaft dichter Moment, die Atmosphäre in der Eingangshalle ist so dick und bitter, dass sie mit Händen gegriffen werden kann – Und in diesem Augenblick klopft es an der Tür und die Polizei kommt ins Haus. Wie werden sich der Mörder Lowry und die Zeugin verhalten?
Solche traumatischen Momente hast es einige in FOOTSTEPS, die kunstvoll direkt neben ein vollkommen natürliches Overacting gelegt werden. Stewart Granger agiert als Stephen Lowry hemmungslos charmant, und hat doch in der nächsten Sekunde einen abgrundtiefen und bitteren Blick voller Hass und Tücke, gibt den erpressten Gesellschaftstiger voll brutaler und oscarreifer Verzweiflung. Das Hauspersonal, dass sich benimmt wie böse und garstige Menschen sich gegenüber Schwächeren halt so benehmen, und dabei hemmungslos auf das Gaspedal der Grimasse tritt, nur um im nächsten Augenblick die Emotionen des Zuschauers mit aufgesetzter Vornehmheit auf sich zu lenken. Bill Travers als kleiner Anwalt MacDonald und Nebenbuhler Lowrys, der Elizabeth liebt, die wiederum in Lowry total verknallt ist, und der auf Elizabeth‘ Bitten Lowry vor Gericht vertritt. Bill Travers spürt instinktiv, dass mit Lowry etwas nicht stimmt, aber er kann es nicht festmachen. Er hat einen Verdacht, ohne wirkliche Verdachtsmomente, und sein Stern in der Familie seiner Angebeteten fällt darum unaufhörlich. Travers agiert unnatürlich, übertreibt maßlos, und hat eine unsympathische Stimme. Aber irgendwann erpresst jemand MacDonald mit dem Mord an Ms. Lowry, weil dieser jemand denkt dass er, MacDonald, in Wirklichkeit Lowry wäre, und für MacDonald stürzen Welten ein. Einzig Jean Simmons hält sich mit ihrem Spiel unglaublich zurück, agiert wie aus dem Verborgenen und zieht im Hintergrund die Fäden, nur um dann mit Entsetzen festzustellen, dass ja am anderen Ende dieser Fäden – Sie selber hängt. Was sich auf den Gesichtern der Darsteller abspielt ist faszinierend anzuschauen, das ist großes und erstklassiges Schauspielerkino.
Der Film selber ist dabei viktorianisch-klaustrophobisches Terrorkino par Excellence. Die Geschichte glänzt mit einigen abgrundtiefen Twists bis hin zu einem erbarmungslosen Showdown, und bietet trotz des Produktionsjahres lange Zeit ein Rätselraten, wer denn aus dem Plot nun möglicherweise lebend rauskommt und wer nicht. Mehr als einmal musste ich an Riccardo Fredas LO SPETTRO denken, in dem Menschen der höheren Gesellschaftsklassen sich mit Hilfe von Gift und Grauen, in Kulissen die wie zu Stein erstarrte Wohnräume wirken und die jegliches Lachen oder Glück mit ihrer dicken Atmosphäre ersticken, wie diese Menschen sich hier das Leben gegenseitig zur Hölle machen. Genauso wie in LO SPETTRO findet die Handlung weitgehend in einem Haus statt, welches mehr an ein verstaubtes Museum erinnert als an eine Familienstatt mit Lachen und Glücklichsein, und es würde niemanden wundern, wenn irgendwann Vincent Price mit verschlagenem Blick um die Ecke schlurchen würde. Dass Stewart Granger und Jean Simmons zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits seit fünf Jahren verheiratet waren, merkt man ihnen in keiner Sekunde an. Die Figuren belauern sich, hoffen auf Fehler des jeweils anderen, und versuchen Gruben zu graben die tiefer sind als die des Gegners, während gleichzeitig an der Oberfläche das heitere Lächeln und die hingebungsvollen Küsse eine Heile Welt suggerieren, welche die Abgründe hinter den Blicken umso tiefer gestalten. Einmal kommt es sogar zu dem 1955-er Äquivalent einer Sexszene, nach deren Verlauf Lily gesteht, dass sie ihrer Schwester einen Brief geschrieben hat, in dem sie den Sachverhalt mit dem Mord schildert. Als Sicherheit ihrerseits, damit ihr nichts passiert. Klar, sowas erzählt man seinem Traummann ja auch nach dem Sex. Na ja, besser hinterher als vorher …
FOOTSTEPS IN THE FOG, der Titel bezieht sich auf die dramatische Szene, wenn Lowry seinem Opfer anhand deren Fußtritte durch den dichten Nebel folgt, immer in Angst vor der Entdeckung einerseits, und auf der Hut sein Opfer nicht zu verlieren andererseits, ist ein grandioser Schocker vor dem Herrn, der völlig zu Unrecht so unbekannt ist. Eine gotische Liebeshölle zum darin versinken. Eine unbedingte Empfehlung für alle, die ein Herz haben für die Filme von Riccardo Freda …