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In den 80ern schwappte von der englischen Insel eine Welle von Filmen auch auf das europäische Festland über, die das Filmgenre damals gründlich erneuerte. Diese Filme kombinierten aktuelle zeitgenössische Themen, die meist sehr kritisch dem Thatcherismus gegenüber standen, mit einer interessanten Story und schafften damit einen Spagat zwischen Anspruch und Unterhaltung.

Gerade in Deutschland, wo zu dieser Zeit noch klar zwischen diesen Polen getrennt wurde - mit entsprechender Unterstützung des Feuilleton – wurde diese „englische Avantgarde“ überrascht und begeistert aufgenommen, trotz der teilweise eindeutigen Darstellung von Gewalt. Doch besonders die coole und lässige Art mit der kontroverse Themen wie Ausländerfeindlichkeit und Zuwanderung, Kriminalität und Verwahrlosung in der Großstadt usw. angepackt wurden, traf den Nerv der damaligen Zeit – hier ging man mal nicht erstarrt in lauter „Political Correctness“an schwierige Themen heran, sondern verpackte diese noch in Komödien oder Thriller, ohne jemals den Respekt zu verlieren.

Einige der jungen Regisseure starteten damit eine erfolgreiche Karriere, die sie letztendlich bis nach Hollywood brachte. Besonders bekannt wurden Regisseure wie Stephen Frears, der mit „Mein wunderbarer Waschsalon“, „Die Profis“ und „Sammy und Rosie tuen es“ mehrere überragende Werke beisteuerte, oder Neil Jordan mit „Mona Lisa“ oder „The Crying Game“.

„The long Good Friday“ oder etwas unglücklich auf deutsch „Rififi am Karfreitag“ - etwas was wohl an den berühmten „Rififi“ Film aus den 50ern erinnern sollte, obwohl dieser Film damit nichts zu tun hat - war ein besonders frühes Exemplar des „Neuen englischen Films“ und kam deshalb erst sehr spät in die deutschen Kinos. Leider erst als sich diese neue Stilrichtung hier etabliert hatte.

Im Grunde wird hier eine einfache Geschichte erzählt. Zu Beginn sehen wir einige kriminelle Handlungen, die wir nicht zuordnen können. Da werden Geldkoffer übergeben, Männer gefangen genommen und getötet – doch wer hier welche Interessen vertritt bleibt unklar.

Die Geschichte nimmt Fahrt auf als Harold Shand (Bob Hoskins) aus einem Flugzeug steigt, daß ihn gerade von New York nach London zurückflog. Er hatte dort seine Kontakte zur Mafia aufgefrischt, indem er ihnen ein besonders lohnendes Geschäft in London vorgeschlagen hatte. Er benötigt deren Geld für eine Investition in London, aber natürlich wird die Mafia nicht in ein Projekt investieren, dessen absolute Sicherheit nicht gewährleistet ist. Und so kommen zwei Vertreter (darunter Eddie Constantine als Charlie) der ehrenwerten Familie nach London, um sich davon zu überzeugen, daß Harold vor Ort auch alles im Griff hat.

Alles ist natürlich bis aufs Feinste vorbereitet, um die neuen Geschäftspartner zu überzeugen, wenn nur nicht ständig Bomben hochgingen und einige von Harolds vertrautesten Mitarbeitern das Zeitliche segnen würden. Und so macht sich Harold auf die Suche nach den Hintermännern dieser Anschläge...

Thematisch erinnert das an so manche Gangsterballade, aber hier gibt es ein paar Besonderheiten, die dieses Werk singulär heraus heben :

Harold hatte seinen „Laden“ in London seit 10 Jahren im Griff, es gab keinerlei unvorhergesehene Gewalt und die Geschäfte liefen für alle Beteiligten zu ihrer vollen Zufriedenheit. So nimmt man Bob Hoskins seine Konsterniertheit voll ab, als sich jetzt plötzlich die Ereignisse überschlagen – er kann gar nicht verstehen, daß die bisher so gut funktionierende Konstellation plötzlich in Frage gestellt wird. Ähnlich wie später z.B. in „Pulp Fiction“ gibt es auch hier kaum einen bürgerlichen Menschen - entweder man ist ein Krimineller oder korrupt - nur ist das in „The long Good Friday“ keine stilisierter Hintergrund, sondern ein Abbild der Londoner Realität.

Immer wieder zeigt uns die Kamera Bilder maroder Verhältnisse und als z.B. Jugendliche Geld dafür verlangen, daß sie auf Hoskins Wagen aufgepaßt haben, so wirkt das keineswegs nur lustig, sondern als deutliches Zeichen beginnender Jugendkrimialität.

Der entscheidende Unterschied liegt aber im Spiel von Bob Hoskins, der uns den Gangsterboss sehr menschlich nahe bringt. Im Grunde benimmt er sich wie ein verantwortungsvoller Firmenboss, dem das Wohl seiner Mitarbeiter am Herzen liegt. So gehören ihm sofort unsere Symphatien trotz seiner durchaus brutalen und manchmal jähzornigen Anwandlungen. Doch seine Gewalt wirkt immer etwas hilflos, ein bißchen wie das letzte Mittel, daß er sich selbst gerne erspart hätte. So wirkt er jederzeit authentisch und der Film entwickelt zusehends eine ungeheure Spannung daraus, daß sich die Schlinge immer enger um seinen Hals zieht und der unbekannte Gegner trotz wilder Untersuchungen nach wie vor nicht bekannt ist...

Regisseur John Mackenzie gelingen zwei Dinge gleichzeitig. Einerseits zeigt er ein kritisches Bild der bestehenden englischen Verhältnisse, andererseits zeigt er auch Symphatien für den Self-made-Man Hoskins, der sich zwar krimineller Mittel bedient, aber damit aus den gegebenen Umständen für alle Beteiligten das Beste macht. Mackenzie läßt einen Mann im Rathaus zu Hoskins sagen, daß ab sofort alles anders ist und jetzt korrekt laufen wird...Margeret Thatcher ist jetzt da, die alten Zeiten sind vorbei, aber das läßt den Film nicht optimistisch in die Zukunft blicken.

Fazit : Frühes Meisterwerk des „neuen englischen Films“, dem es gelingt an Hand einer spannenden konsequenten „Gangsterstory“ die Veränderungen in der englischen Gesellschaft zu symbolisieren und kritisch darzustellen. Gerade dadurch hebt er sich deutlich von üblichen Gangsterfilmen ab, denn hier verkommen Story, Gewalt und Spannung nicht nur zum bloßen Vergnügen für den Zuschauer, sondern erhalten eine menschliche Komponente, die besonders durch das überragende Spiel des Bob Hoskins getragen wird.

Ob Tarantino, Guy Richie und Co. - wie auf der DVD behauptet wird – sich daran orientiert haben, vermag ich nicht zu sagen, aber wenn, dann haben sie sich nur einen kleinen Teil dabei herausgezogen und den dann publikumswirksam überstilisiert. Wer mit einer ähnlichen Erwartung an diesen Film herangeht, wird enttäuscht, denn Mackenzies Film ist deutlich komplexer, ruhiger und menschlicher geraten (9/10).

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