- Das Fenster -
Kennst du das Fenster? Hast du jemals das Fenster mit deinen eigenen Augen gesehen? Was verdammt verbirgt sich hinter diesem Fenster? Ich hab schon viele Gruselgeschichten von Fenster gehört? Er muss gruselig sein. Dieser alte Mann mit seinem Messer. Dieser gruselige Mann, der sich seit über 20 jahren hinter der Fassade seiner Wohnung verbirgt? Habt ihr ihn schon jemals gesehen?
Was verbirgt sich hinter Fenster? Was verbirgt sich hinter Worten?
Was verbirgt sich hinter deinem Gesicht, wo wir schonmal dabei sind? Vielleicht ein aufgefressener Rest, deines alten und lebensfrohen Charakters? Aber was ist mit dir passiert, dass du dich so verändert hast? Warum gehst du nicht raus? Warum lässt du dich in der Welt nicht mehr blicken und harrst in einer Wohnung, im Ghetto von New York aus und teilst dich nicht mehr mit? Warum trittst du nicht mehr in Interaktion mit den Menschen in deiner Umgebung? Warum nur, hast du aufgegeben?
William Forrester, ein Schriftsteller, der mit seiner einzigen literarischen Veröffentlichung seines Lebens, Maßstäbe gesetzt hat. Kein geringer verbirgt sich hinter Fenster. Die Schulen von heute lesen sein Buch. Die anspruchsvollsten Schulen von heute lesen sein Buch.
Das Buch beeinhaltet Wörter. Unzählige davon. Man sagt, ein Bild sagt mehr, als tausend Worte. Manchmal, da sagt ein Wort mehr, als es tausend Worte je könnten.
Und genau in diesem Moment muss ich darüber nachdenken, was ich gerade schrieb. Du, der du das gerade liest, hast bestimmt schon gemerkt, was ich meine, nicht? Würdest du mir gegenüber stehen, könnte ich mit dir niemals so reden, wie ich dir das hier schriftlich mitteilen kann. Wir würden ja sprechen wie vor 300 Jahren. Aber warum? Weil mir dieses (virtuelle) Stück Papier das Recht gibt, so zu schreiben, wie ich mich fühle, die Dinge so beim Namen zu nennen, wie sie sind. Dieses Stück Papier nimmt keine Wertung vor, schreibt mir nicht vor, was ich zu sagen habe und was nicht. Dieses Blatt kennt keine Regeln, außer die, die ich befolge. Das Blatt tut nichts Weiter, als meine Wörter in sich aufzunehmen.
Das ist es aber, was der Film klar macht. William Forrester lebt alleine, ruhig und abhängig von der Welt da draußen. Er beobachtet die Jugendlichen, die Natur, die wunderschönen Vögel und definiert so seinen Charakter. Er steht für ein Symbol, dass uns allen geläufig ist. Er steht für den stillen Beobachter, der alles analysiert und im Laufe der Handlung wieder zu sich selbst findet und den jungen Jamal in seine Magie des Schreibens einweist. Er unterrichtet den armen Jungen aus der Bronx, der es nach Meinung der Gesellschaft, niemals zu etwas bringen wird.
Er ist schwarz, kommt aus der Bronx, dem Ghetto von New York und ist ebenfalls ein Symbol. Sie beide sind das Symbol der Hoffnung und der Freiheit in der Entfaltung des Charakters, der zumindest mir sehr bekannt vorkommt.
Der junge Jamal verschlingt Bücher, gibt sich nach außen aber gerne als Basketball Freak. Er versteckt sich hinter einer Fassade, die Forrester sofort aufknackt. Er lässt aus dem jungen eben das raus, was er wirklich sein will, was er wirklich tun will. Er muss sich nicht verstecken. Und das, in seiner eigenen Art, die Forrester in über 20 Jahren zu dem machten, was er jetzt ist:
„Warum haben sie das alles gesagt, dass ich schwarz bin und so ?“ - „Es hatte nichts damit zu tun, dass du schwarz bist. Es hatte nur damit zu tun, dass ich rausfinden wollte, wie viel Schwachsinn du dir gefallen lassen würdest.“
Auf eine eigenartige Weise gibt er dem jungen, unerfahrenen Jamal zu bedenken, was die Gesellschaft über ihn und seines Gleichen denkt. Jamal ist belesen, er ist klug, so klug, dass er durch seine Leistungen, auf eine ganz besondere Schule gehen darf. Die Lehrer sind streng, die meisten Schüler priviligiert und überschätzt. Er steht ihnen in nichts nach. Durch die Vergangenheit ist er wesentlich erwachsener und erfahrener, als es diese priviligierten, verwöhnten Kinder, je sein werden. So entdeckt Forrester in dem 16-jährigen, schwarzen jungen, etwas von sich selbst. Er unterweist ihn, bringt ihm das wichtigste dabei. Darunter das, worauf es beim Schreiben ankommt.
„Fang an !“ – „Was anfangen ?“ – „Schreib !“ – „Was machen sie da ?“ – „Ich schreibe, wie du auch, wenn du mal anfängst, in die Tasten zu hauen. ... ,,Gibt´s ein Problem ?“ – „Ich denke nur.'' Nein, nicht denken, das kommt später. ... Die erste Fassung schreibt man mit dem Herzen und überarbeitet sie mit dem Kopf. Der erste Schritt zum Schreiben besteht darin, zu schreiben, nicht zu denken.“
Dieses Zitat ist maßgeblich. Ich merke es selber. Ich denke nicht viel nach, jetzt, wo ich diese Worte nieder schreibe. Vielleicht werde auch ich danach schauen, ob die erste Fassung dieses Kommentars reif ist, für die Veröffentlichung, die unwiderruflich folgen wird. Erst schreiben, nicht nachdenken, alles rauslassen, was es zu sagen gibt. Darüber nachdenken kannst du auch noch, wenn du fertig bist. Wenn der Kopf leer ist und du weißt, dass es nichts mehr zu sagen gibt.
Forrester unterrichtet den jungen weise und mit Disziplin. Man ist zu jederzeit interessiert, was hinter dem Charakter des Forrester steckt. Gekonnt lässt der Film die Figur aber mysteriös und geheimnisvoll wirken. Seine Vergangenheit bekommt zwar einige Facetten, dennoch hat er für mich das maßgeblich geheimnisvolle und die Weisheit seines Charakters bis zum Ende behalten.
Auch in den oft schon lustigen Einwänden von William steckt etwas Weisheit:
"Nicht grad ne Suppenfrage, oder!?"
„Du hättest bei der Suppenfrage bleiben sollen. Das Ziel einer Frage besteht darin, Informationen zu erhalten, die uns betreffen, und sonst niemanden.“
Und was fürchten wir Menschen eigentlich am meisten?
„Weißt du, wovor die meisten Menschen Angst haben ?“ – „Wovor ?“ – „Vor dem, was wir nicht verstehen. Und wenn wir etwas nicht verstehen, dann greifen wir zu Mutmaßungen. Crawford kann nicht verstehen, dass ein schwarzer Junge aus der Bronx so schreiben kann wie du. Also mutmaßt er, dass du´s nicht kannst.“
Diese Art der Erklärung ist weise und wahr. Der Film erziehlt das meiste an erstaunlicher Magie ganz klar in Aussagen und Dialogen, wie diesen. Sie liegen oft auf der hand, die Antwort kennt man eigentlich schon, aber dennoch ist diese Art der Kommunikation, eben eine ganz andere. Solche Zitate bleiben bei mir immer hängen, wie Klebstoff auf Papier!
Jamal macht indes Schauspielerisch einen ausgeprochen tollen Job, obwohl er noch sehr jung ist. Neben der Legende Sean Connery, auf den man sich schon freut, als er noch durch sein Tür-Spion schaut, büßt er natürlich einiges ein. Sean Connery ist charismatisch und mimt den alten, weisen Herrn, als wäre die niedergeschriebene Figur im Skript, seine eigene bescheidene Perönlichkeit. Man sieht ihm einfach unglaublich gerne zu. Diese Rolle gehört definitiv zu seinen besten.
Und auch wenn das Thema Rassismus schon x-mal behandelt wurde, tut das dieser wunderschönen Geschichte eines jungen und seines Mentors, keinen Abbruch.
Der Rassismus ist gegenwärtig, wird aber nicht ausgeschlachtet, wie bei vielen anderen Filmen. Man merkt es, aber der Film zwingt einen nicht dazu, sich damit endlos auseinander zu setzen. Er überlässt es dem Zuschauer und fokussiert sich an der titelgebenden Geschichte. Forrester, der in einem jungen, etwas von sich selber sieht, seinen Charakter wieder neu formt und zu längst vergangener Persönlichkeit findet.
Das Ende ist natürlich der Höhepunkt und das Prunkstück des Films und einfach nur wunderschön. Das Ende unterlegt mit dem zeitlosen Klassiker ''Somewhere over the rainbow''. Der Abschluss einer wunderschönen Geschichte voller Weisheit und der Suche nach Freiheit und dem eigenen Ich!