Alle Eier sind kaputt
"Funny Games" ist der beste Home Invasion-Film aller Zeiten. Obwohl man sich dreimal überlegt, ob das Adjektiv "beste" zu diesem fiesen Thriller passt. Michael Haneke ist Teufel und Genie in einem, Mittäter und Entlarver, Spotter und Schocker. Das US-Remake hätte es meiner Meinung nach nicht unbedingt gebraucht, ist dieses österreichische Original doch nahezu perfekt. Verstörend, schockierend, fast körperlich schmerzend. Und das, obwohl man so gut wie kein Blut sieht und alle Gewaltspitzen im Off passieren. "Funny Games" gehört mit zum bösesten Zelluloid, das je die Leinwände unsicher machte. Noch immer. Für immer. Eine dreiköpfige Familie in ihrem Haus am See wird von zwei zuerst höflichen, dann aufdringlichen und dann barbarischen Eindringlingen zerstört. Ohne Erbarmen. Ohne Mitleid. Mit der puren Lust am Quälen und Töten. Und wir als Zuschauer werden sogar noch mit einbezogen und augenzwinkernd auf unsere fragwürdigen Erwartungen und inneren Wünsche gestoßen. Wie ein perverser Mix aus "Deadpool", "A Clockwork Orange" und "American Psycho".
Haneke hält nicht nur Finger in Wunden, er wird zur Wunde und reißt diese von innen weiter denn je auf. Schon zu Beginn stößt lautester Stör-Rock in melodische Klänge klassicher Musik, doch eigentlich kann einen nichts auf das kommende Unheil, diesen Alptraum aus Verunsicherung und Hilflosigkeit vorbereiten. Außer den kranken, mysteriösen und eiskalten Tätern, die glatt als das pure Böse in Menschengestalt durchgehen könnten, scheint hier nichts und niemand sicher. Keine Kinder, keine Nachbarn, keine Grenzen. Irgendwann könnten sie vor deiner Haustür stehen und um Eier bitten... die Vorstellung allein macht Angst und paranoid. Haneke ist hier ein Terrorwerk gelungen, das unfassbar lange nachhallt, das selbst für erfahrene Horrorköpfe schwer zu ertragen ist und das fast als Schlusspunkt unter seinem schon immer harten Subgenre gesehen werden kann. Subtil, durchdringend, mit ruhigster Hand geführt. Fast schon nervend bösartig und wehtuend. Sado-Maso-Meta-Kino. Unvorstellbar und doch nicht allzu weit weg von der Realität. Wollt ihr noch mehr? Mehr geht nicht.
Fazit: Beavis & Butthead des Todes in der hinterhältigsten Heiminvasion aller. Sinnlose Gewalt, die totale Zerstörung der Sicherheit, die fieseste Offenlegung unserer Geilheit auf Leid und Tod und Schmerzen. Das Böse destilliert. Haneke zerstört mit diesem bitterbösen Brett noch immer alle wesentlich brutaleren Home Invasion-Thriller der darauffolgenden Jahre. Abartig und genial!