Man könnte "Funny Games" (alleine schon der Titel ist komplett irre gewählt), als einfachen Home-Invasion-Thriller abtun und abhaken. Dennoch ist dieser Film das bei kurzem nicht. "Funny Games" spielt mit den Zuschauern und kann auch wegen mehreren Sachen als Meisterwerk deklariert werden. Nicht umsonst wurde natürlich ein US-Remake gedreht, weil die Schlappenflicker hinter dem Deich genauso faul sind, Filme zu synchronisieren wie wir "Deutsche", die es gewohnt sind, als eines der wenigen Ländern eine deutsche Synchronisation spendiert zu bekommen... Welches Land ist in dieser Hinsicht jetzt mehr kacke? Egal, kommen wir zum Film:
Das Ehepaar Georg (Ulrich Mühe) und Anna (Susanne Lothar) mit Sohn Schorschi (Stefan Clapczynski) bezieht im Sommer wieder das idyllische Ferienhaus am See. Golf spielen, Koks ziehen, segeln, einen abfeiern, Heroin unter den Fußnagel spritzen - wie es eben reiche Familien tun. Schon bei ihrer Ankunft merken sie zwei "neue Freunde" bei ihrer Nachbarsfamilie, die sich später bei Georg und Anna vorstellen. Peter (Frank Giering), eher schüchtern und zurückhaltend kommt an die Haustür von Anna , und fragt nach Eiern für das Essen bei den Nachbarn. Schon bald stoßt der zweite Golffreund Paul (Arno Frisch) hinzu. Nach anfänglichen Missgeschicklichkeiten ( Peter lässt zweimal die Eier fallen/ Anna wird nervös und fühlt sich genervt), entpuppen sich die beiden jungen Golffreunde als psychopathische Killer. Gibt es ein Entkommen aus der Geiselschaft von den zwei Studenten?
"Funny Games" hört sich erst einmal ziemlich normal an, jedoch gibt es hier durch die Bank durch faszinierende Charaktere, sowie absolut glaubhafte Darsteller, die Regisseur Michael Haneke um sich gescherrt hat.
Schon relativ früh wird ein Stilmittel angewendet von Paul, der im Film plötzlich in die Kamera schaut und UNS, also dem Zuschauer sagt "Ihr haltet doch eh dieser Familie bei, oder?" - und dieser Satz macht einen erst mal fertig. Eine Filmfigur spricht mit uns? Wie konfus ist das denn, verdammte Axt?
Dieses Stilmittel wird noch ein paar weitere Mal verwendet, aber der Höhepunkt stellt die "Fernseh-Zurück-Spul-Taste" dar, zu der ich nicht mehr sagen kann, sonst wird der Spoiler größer als auf meinem japanischen 500 PS-Geschoss...
Regisseur Haneke setzt uns hier eine unglaublich liebenswerte Familie vor die Nase, und zwei Psychopathen, die trotz ihrer Perversionen immer verdammt drauf Bedacht sind, die absolut perfekte Höflichkeitsform in ihren sadistischen Sätzen unterzubringen. Verdammt ungewöhnlich. Man weiß spätestens ab der "Fernbedienungs-Szene", wo das Ziel enden wird.
Natürlich ist "Funny Games" kein 08/15-Thriller, sondern zieht die Spannung aus seinen absolut hervorragend agierenden Schauspielern und Akteuren. Schon Anfangs, als man klassische Musik bei der Anfahrt zum Hort im Autoradio hört, wird diese abrupt von Schizzo-Metal unterbrochen und wir wissen, dass es hier abgehen wird.
Mit gezeigter Gewalt wird mächtig, VERDAMMT MÄCHTIG gespart, so dass das Grauen eher im Kopf stattfindet. Und Regisseur Haneke zeigt, dass man nicht einen auf "Hostel" machen muss, um perverses Kopfkino zu erzeugen. Bis auf eine Szene, könnte der Film auf FSK12 herabgestuft werden, was das Auge erblicken kann. Aber dennoch ist dieser Film absolut verstörend, dass man NIEMALS um eine 18er-Freigabe herumkommt.
Die Anfangsszene kann man schon sehr mit dem viele Jahre später gedrehten Film "Shutter Island" vergleichen. Erst nach dem Zweiten Ansehen wird einem bewusst, was hier so richtig abgeht.
Tja, was soll man noch erwähnen? Haneke setzt einen Bruch in der zweiten Hälfte des Filmes um, die beinahe mit sehr, sehr verdammt langen Aufnahmen ohne Schnitte und ohne Score auskommt, die vielleicht bei den Popcorn-Facebook-Spastis keine Wirkung erzielen wird. Aber für mich quälend anzuschauen sind.
Dieser Arsch :-) Der Folterfilm wird zur reinen Folter des Zuschauers. Anfangs spannend und unterhaltsam, wird er ab der Hälfte dank der ungewöhnlichen Stilmittel beinahe unerträglich.
"Funny Games" ist kein Unterhaltungsfilm, das will er auch nicht sein. Er will dem Zuschauer den ultimativen Brainfuck verabreichen - und bei mir hat es Haneke geschafft. Manche werden den Film als langweilig abtun, aber bleibt dann bitte bei "Transformers" und Konsorten und hängt 18 Stunden am Tag am Handy rum. Absolut krank und verstörend dieser Film. Unangenehm zu schauen, also bei "Die 120 Tage von Sodom" konnte ich danach noch Party feiern. Aber nach "Funny Games" nicht mehr. Ich war fertig...
10/10