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Bitterböse-geniale Abrechnung mit Mediengewalt oder ein überschätzter, langweiliger Drecksfilm? Über „Funny Games“ scheiden sich nach wie vor die Geister, ich für meinen Teil akzeptiere beide Meinungen, denn was Regisseur Michael Haneke hier für eine Fiesheit von Thriller auspackt, kann mainstream-verwöhnte Gemüter durchaus zur Weißglut bringen.

Dabei beginnt alles so harmlos: In ZDF-Vorabendserienoptik verpackt startet eine mustergültige, wohlhabende Familie in den Urlaub, an einen idyllisch gelegenen See irgendwo in Süddeutschland/Österreich. Die heile Welt wird bald darauf zum Alptraum, als zwei Psychopathen in das Haus eindringen und die Beteiligten zu einer grausamen Wette herausgefordert werden: Am nächsten Morgen um 9 Uhr werden alle Familienmitglieder tot sein, behauptet einer. Ein makabres Spiel, welches die Nerven der Charaktere und die der Zuschauer zum zerreißen anspannt.

Wer jetzt denkt, dass alles so ausgeht, wie wir das aus unzähligen Thrillern mit ähnlicher Story der Marke „Kap der Angst“, der liegt gewaltig daneben, denn Happy End oder massentaugliche Unterhaltung sind „Funny Games“ völlig fremd. Das Quälen der Familie ist ein einziger Alptraum, der mich an manchen Stellen fast zum ausschalten getrieben hätte, zu kontrastreich ist der sanfte Einstieg und der darauffolgende aussichtslose Kampf gegen zwei Irre, denen zudem noch jedes Stück Motivation zu fehlen scheint und über die man nur weiß, dass sie Studenten sind. Intelligente junge Menschen also, was die Angelegenheit noch befremdlicher und furchteinflößender macht.

Aber der Schrecken kennt im Traktieren der Familie noch kein Ende: Durch einen simplen Kniff macht Haneke den Zuschauer zu eine Teil des grausamen Spiels, so lässt er einen der Psychopathen manchmal in die Kamera sprechen und fragen, was man selbst vom Geschehen hält. Auf den ersten Blick ist das etwas aufheiternder, denn auf diese Weise wirkt „Funny Games“ nicht ganz so menschenverachtend, als wenn das ohne Bezugspunkt auf einen losgelassen wird. Auf den zweiten Blick jedoch erkennt man, dass man sich dem Film so nicht entziehen kann und einem ein Spiegel vorgehalten wird. Man ist die ganze Zeit über der Voyeur, der nur darauf wartet, dass gleich ein explizierter Gewaltausbruch geschieht, doch der kommt nur an einer Stelle und genau da vernachlässigt Haneke alle Genrekonventionen, bringt eine Fernbedienung ins Spiel und verdeutlicht so sein Anliegen, eine knallharte Satire auf die Gewaltgeilheit der heutigen Konsumgesellschaft geschaffen zu haben. Genau dieser Punkt macht die Genialität von „Funny Games“ aus: Man muss sich mit dem Gesehenen auseinandersetzen, kann sich dem Grauen nicht entziehen, sondern muss darüber reflektieren und wird zu dem Entschluss kommen, dass man selber ein Teil der Masse ist, die hier kritisiert wird.

Bei all der Innovativität ist „Funny Games“ natürlich ein harter Stoff, auch was die Geduld angeht. Da bleibt eine Kamera auch mal über fünf Minuten lang auf einen Raum fixiert und zeigt die ganze Zeit über nur, wie jemand verzweifelt versucht, sich zu befreien. Tödlich für die Spannung, welche sowieso von Anfang an nicht im Überfluss vorhanden war. Eine Spur von Unterhaltung braucht man gar nicht erst zu suchen, sogar die Musik geht (beabsichtigt) auf den Wecker, wenn sie denn mal erklingt, denn der Film ist ungewöhnlich ruhig.

Es ist und bleibt eine der kontroversesten Filmerfahrungen der letzten Jahre, mehr ein Experiment als ein richtiger Film. Es ist selbstverständlich, dass so ein Film aus Europa von einem gänzlich unbekannten Regisseur kommen muss, denn so ein Ding kann man nicht auf die Masse loslassen, vielmehr ist „Funy Games“ für diejenigen, die ihre Geschmacksgrenzen austesten wollen, eine echte Empfehlung wert. Es hat mich zum nachdenken gebracht, aber ein zweites Mal werde ich mir das mit Sicherheit nicht mehr antun.

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