Anna, Georg Senior und Georg Junior sind eine harmonische, kulturell interessierte und scheinbar gut situierte Familie, die zu Anfang des Filmes einige besinnliche Tage in ihrem kleinen Ferienhaus verbringen möchten. Kaum sind sie angekommen, als schon ein verschüchtert wirkender junger Erwachsener namens Peter in ihr Haus kommt, und Anna um einige Eier bittet. Auch sein Freund Paul betritt das Haus, und die beiden eloquenten jungen Herren geben sich zunächst höflich, aber dennoch überaus aufdringlich. Als das Paar versucht die beiden des Hauses zu verweisen, eskaliert die Situation, und es wird sehr schnell klar, dass es hier keineswegs um ein paar Eier, sondern um ein perverses Spielchen geht, dass die Beiden mit der Familie spielen. Die Spiele werden immer radikaler und gefährlicher und Peter und Paul ziehen die beschauliche Familie immer tiefer in einen Sog der Gewalt und der Abartigkeit hinein...
Dieser österreichische Film, welcher von Michael Haneke inszeniert wurde, gilt seit längerer Zeit als verstörender Klassiker des moderneren Kinos, und hat auch ein Remake mit Tim Roth erfahren. Von Kultstatus zu sprechen wäre sicherlich übertrieben (obwohl der Bekanntheitsgrad doch schon sehr hoch ist), vielmehr kann man Funny Games als einen Geheimtipp für Freunde des exotischen Filmes bezeichnen, denn diese zählen Funny Games schon seit VHS Zeiten zu ihren Favoriten.
Aber worin liegt die Essenz des Werkes? Was hebt Funny Games von anderen gelungenen Terrorklassikern ab, und warum haben vergleichbare (und teilweise spektakulärere) Produktionen nicht diesen morbiden Ruf, den Funny Games genießt? Wie hat Haneke es geschafft, mit so einfachen Mitteln einen Film zu schaffen, der sich bei so vielen Leuten so lange einprägen konnte, und auch nach mehreren Jahren keinen Deut seiner Wirkung eingebüßt hat? Gründe gibt es mehrere...
Funny Games besticht zunächst einmal durch die brillianten Darsteller. Vorallem die beiden jungen Herren, welche sich im Laufe des Filmes als komplette Soziopathen entpuppen, spielen die teilweise überzeichneten Rollen mit einer solchen Ernsthaftigkeit, und einem solchen Pathos, dass man ihnen die wirklich sehr schwierigen Rollen sofort abnimmt. Selbiges gilt für die Familie, denen man die Torturen sichtlich aus den Gesichtern herauslesen kann. Hier hätte man sich keine idealere Besetzung vorstellen können!
Doch das Geheimrezept des Filmes besteht sicherlich zu einem Großteil aus der Tatsache, dass das gesamte Geschehen ohne Vorwarnung über einen hereinbricht, und die Taten der beiden Herren komplett sinnlos sind. Der Terror kommt schon unglaublich früh ins Leben der trauten Familie, und auch der Zuschauer ist den Launen der beiden Perversen quasi ausgeliefert. Hierbei spielt Haneke auf lustige Weise mit den Emotionen der Zuschauer, denn ab und zu richtet Paul (offenbar der "Anführer" der beiden) oftmals sein Gesicht in die Kamera und spricht den Zuschauer persönlich an, und bezieht einen somit noch mehr in die Geschichte mit ein, als es sowieso schon durch die Ereignisse der Fall ist. Soetwas ist sicherlich schon oft vollzogen worden, aber meistens benutzt man dieses Stilelement eher als komödiantischen Seitenhieb in Witzfilmchen. Bei einer solchen Materie kann so etwas sehr schnell nach hinten los gehen (und später gibt es noch einige viel surrealere Szenen), und nicht jeder war davon begeistert, aber in meinen Augen steigert es den kranken Vibe dieses Filmes ungemein. Schließlich befinden wir uns in den Händen von komplett Geisteskranken, die absolut unberechenbar, schwarzhumorig und oftmals verwirrend zur Tat schreiten.
Das handlungstreibende Element sind ganz klar Peter und Paul. Und man kann mit Sicherheit sagen, dass die Charaktere wirklich gruselig sind. Sie haben kein Motiv, keine Verbindung zu den Opfern, kein Ziel und keinerlei Emotionen. Sie wirken zuvorkommend und teilweise sogar freundlich, sind aber gewaltbereit, sadistisch und haben sich fest dazu entschlossen, der Familie ohne Grund den garaus zu machen. Dennoch hat man oftmals das Gefühl, dass es sich dabei für sie nur um ein Spielchen handelt, bei dem die Qualen, die sie der Familie zufügen, eigentlich nur ein Nebeneffekt sind. Obwohl sie dies oftmals selbst erläutern, wirken sie nicht erheitert oder befriedigt, es scheint so, als würden sie garnicht wirklich wissen, was sie tun, und wie es weitergehen soll, aber haben dennoch alles im Griff, und überlassen nichts dem Zufall. Genial fand ich die Szene, als Paul über die Tatmotive Peters spricht, und dabei mehrere komplett verschiedene (und frei erfundene) Klischeegeschichten auftischt. Hier sind wir auch schon bei der Crux angelangt: es gibt in diesem Film keine Charaktere, nur Symbole. Peter und Paul stehen für Gefahr, für Sadismus, Soziopathie und verkörpern das Bild des gelangweilten, übersättigten und lebensunlustigen jungen Erwachsenen, der aus reiner Freude anderen Menschen Leid zufügt. Sie sind pure Vernichtung und Agressivität ohne Sinn und ohne Zweck. Die Familie wird zum reinen Spielball der Beiden, und der Psychoterror, sowie die physische Gewalt formen sich zu einer sauber gewebten Schreckenscollage, in der die Taten weitaus mehr wert sind, als die Charaktere.
Das Martyrium, das die Familie durchleiden muss reicht von Demütigung, über Körperverletzung bis hin zu Mord. So wird dem Sohn in einer Szene ein Sack über den Kopf gezogen, während Anna sich entblößen muss. Der psychische Aspekt rückt von Minute zu Minute immer mehr in den Vordergrund, und weiß zu fesseln, und zermürbt dabei in gleich hohem Maße. Aus dieser Wechselwirkung resultiert die Intensität des Filmes, und wenn man dann noch die Sinnlosigkeit und die undurchschaubaren Charaktere mit hinzu zieht, so erhält man ein ganz bestimmtes Gefühl, ein ganz eigenes Tempo und einen extrem hohen Grad an verstörender Faszination, welche man in dieser ganz spezifischen Form wirklich noch nie auf der Leinwand erblicken durfte - bravo!
Das soll nicht heißen, dass Funny Games der beste und/oder verstörendste Film der Welt ist, sondern dass er es geschafft hat, ein ganz eigenes Feeling zu erzeugen, dass auch wirklich nur er erzeugen kann. Dabei geht es doch eigentlich um ein uraltes Thema: Menschen fügen anderen Menschen Schaden zu. Mehr gibts da nicht. Dennoch verstört dieser Film dadurch, dass er die Familie in eine Situation hinienbefördert, die man nicht verstehen kann, und da liegt auch der Hase im Pfeffer: Funny Games ist eine Gewaltstudie. Funny Games hat es dabei nicht nötig zu erörtern oder in Oliver Stone'scher Art Metaphern mit dem Holzhammer auf das Publikum einzuhämmern. Funny Games zeigt, dass manche Menschen einfach nur Spaß an soetwas haben, und damit hat sichs auch schon. Eine klischeebeladene Murder-Set-Pieces Charakterisierung der Täter schließt der Film ja ganz offen aus, und das ist auch die Stärke des Streifens. Funny Games ist Terror, Mindrape und Misshandlung. Dabei ist sich Haneke seiner Sache so sicher, dass er Georg und Anna sogar für eine Viertelstunde eine Pause gönnt, in der die Peiniger offenbar geflüchtet sind, um dann von neuem wieder mit totalem Psychoterror anzufangen. Gewaltszenen finden durchgehend im Off statt, hätten dem Film aber sowieso geschadet, denn so kommen die Psychospielchen der beiden Sickos einfach viel intensiver rüber, da man oftmals auch im Dunkeln gelassen wird, wer jetzt eigentlich noch lebt, und wer tot ist.
Funny Games ist innovatives, unangenehmes und grundehrliches Independentkino, das tausend Aussagen trifft, ohne eine Aussage zu treffen, indem er nichts erklärt und dennoch keinen Zweifel über das Gesehene (bzw Erlebte) lässt. Zusammen mit einigen entfremdenden und surrealen Erzählweisen und Handlungselementen ergibt das Rezept einen wirklich fiesen und fast schon vernarbenden Film, der mehr als verstörend, und mehr als innovativ ist! Ich zähle ihn zu meinen Favoriten, sage jedoch ganz klar, dass er nicht jedermanns Sache ist, und einiges an Verständnis erfordert. Wenn man eine Affinität zu solchen Filmen hat, sollte man sich schnellstmöglich diesem Werk aussetzen, es hat es verdient gesehen zu werden!