Michael Hanekes Versuch einen Film zu schaffen der dem Publikum seine Gewaltgeilheit und Sensationsgier vor Augen führen soll, ist neben einer nicht zu leugnenden Arroganz auch von einer ekelerregenden Überheblichkeit gekennzeichnet. Schon der Beginn ist mit einer unfassbaren Plattheit vorgetragen. Eine gutbürgerliche, wohlhabende Familie fährt zu den harmonischen Klängen klassischer Musik (war's Händel oder Mozart) in ihr Ferienhaus, immer wieder werden die idyllischen Klänge von den gar greulichen Klängen von John Zorn's Heavy Metal Interpretationen unterbrochen und gestört. Ignoranten auf "Bild"-Niveau wussten es ja auch schon immer, dass Heavy Metal die Ausgeburt des Bösen ist. Trotzdem nett von Haneke, uns mal wieder mit dieser plumpen wie miefigen Vorschlaghammer-Symbolik daran zu erinnern.
Was folgt, kennt und weiß man bereits bevor man sich dem "Vergnügen" des Filmes hingibt. In diese heile Welt fallen bald zwei junge Hobbysadisten ein. Beide skrupellos und unfassbar brutal, nur hie und da beginnen sie offen und direkt in die Kamera zu schauen und uns - den Zuschauer -anzusprechen. Haneke wagt ein Experiment, er will den Zuschauer zum Mittäter machen, will ihn in seinem sadistischen Voyeurismus outen und Vorführen. Nach eigenen Aussagen bezweckte er mit dieser filmischen Tortur, dass sich die Menschen angesichts der Grausamkeiten abwenden und anschließend das Kino verlassen sollten. Wer es tat, hatte nach Haneke noch ein gesundes Verhältnis zur Gewalt, wer es nicht tat, wurde mehr oder weniger als ein vom Gewaltkonsum gestörtes Individuum entlarvt. Gewalt soll als nicht goutierbar verstanden werden. Nur dumm das Haneke nicht unterscheiden will zwischen realer und fiktiver Gewalt. Er setzt es gleich, besonders deutlich zu sehen beim finalen Dialog zwischen den beiden Mördern.
Bei allem pädagogischen Eifer bleibt dabei aber auch die Frage zu klären, was sich der ins Fäustchen lachende Haneke eigentlich davon konkret verspricht. Indirekt erlebte Gewalt, also die Gewalt ohne Folgen, ist seit Menschen Gedenken eine, wenn nicht die sogar die älteste Unterhaltungsform. Mag es einem auch nicht gefallen oder mag man die resultierende Entwicklungen davon für - vielleicht berechtigterweise - bedenklich halten, es ist eine Tatsache. Die durchaus interessante und zu klärende Frage nach einem Warum, stellt sich Haneke gar nicht erst, er will den Zuschauer nur vorführen und letztlich in unendlicher Selbstherrlichkeit ein Urteil über ihn sprechen. Was bleibt, ist also die Frage, was eine durch die Medien immer mehr verharmlosende und zelebrierte Gewalt beim einzelnen Individuum anrichten kann? Hanekes Antwort fällt so simpel wie idiotisch aus. Die beiden Mörder haben die mediale Welt durch und durch in sich aufge.- und übernommen, sie leben praktisch in ihr. So kommunizieren sie z.B. in einer absurd, dem gestelzten Synchrondeutsch ähnelnden Sprache. Da wird jedes Wort mit einer Detailversessenheit vorgetragen und jeder Buchstabe extra betont.
Zwei Gewaltjunkies, die selbst mal, losgelöst von der antreibenden Glotze, ein bißchen Quälen wollen. Das auch der hinterletzte Blödel kapiert, dass hier Medienkritik im großen Stil gemacht wird, sprechen sich die beiden Wahlweise mit Tom und Jerry, Beavis und Butthead oder gar Max und Moritz an. Das alles lässt nur die zu kurz gedachte und vereinfachende Theorie zu, dass zu viel Fernsehen bzw. medialer oder schlicht ein auf Unterhaltung abzielender Gewaltkonsum, Menschen, vor allem Kinder, zu potentiellen Mördern macht. Ah ja, nur diese Meinung wird schon die längste Zeit von populistischen wie einseitigen Boulevardblättchen publiziert. Also von einem so betont verkopften und sich so wichtig nehmenden Film hätte ich mir ein wenig mehr erwartet, als die abgestandenen "Weißheiten" der Yellow Press.
Das bourgeoise Heim wird befallen von infantilen Fernsehjunkies. Ein Clash der Kulturen und Werte. Da trifft - in Hanekes Sprache - bildungsbürgerliche, saubere Aufgeklärtheit auf dumpfe den Gewaltfantasien des Fernsehens verfallene MTV-Jugend. Haneke will gar nichts von Jugend.- oder zeitgenössischer Kultur wissen, er verdammt und verteufelt alles mit seinem demagogischen Rundumschlag.
Ein weiterer Ansatz den Haneke verfolgt, ist die Gewaltakte in realistisch anmutende Bilder zu legen. Ein Golfschläger zerschmettert fast spürbar eine Kniescheibe, die Folter der Familie wird weder mit Musik noch anderen inszenatorischen Kniffen aufgelockert und alles wird durchzogen von einer eisig und durch die Schauspieler schmerzhaft authentisch eingefangenen Atmosphäre. Über all diesen Szenen hängt stets der belehrende Zeigefinger von Haneke, der mit seiner präpotenten Überheblichkeit zu sagen scheint: Seht her ihr nach Gewalt lechzendes Pack, so und nicht anders sieht wirkliche Gewalt aus. Besonders deutlich in der minutenlangen Einstellung nach dem Tod des Kindes, dass einen mit Blut vollgespritzten Fernseher (ui, wie subtil) zeigt. Da fragt man sich als halbwegs mündiger Mensch, für was für eine Zielgruppe dieser Film eigentlich gedacht war? Wenn die wahre und einzige Botschaft die der Film zu vermitteln im Stande ist, auf den Unterschied von realer und fiktiver Gewalt aufmerksam zu machen, na dann schönen Dank. Wobei der Film aber auch hier - bei aller Redundanz - eher scheitert, denn die Frage zu klären, wie man Gewalt inszeniert, ohne in eine Spektakel kreierende und damit wieder unterhaltsame Inszenierung abzudriften, vermag auch Herr Haneke nicht zu beantworten.
Ein Dilemma mit dem auch seit je her der Anti-Kriegsfilm zu kämpfen hat. Das Spektakel rund um Gewalt bzw. Krieg erschafft aus rein betrachtender Sicht, wieder einen immensen Unterhaltungswert. Die Botschaft von der Unzumutbarkeit der Gewalt wird ad absurdum geführt wenn sie selbst zum Teil der Unterhaltung wird. Selbst der große Stanley Kubrick konnte mit seiner Gewaltstudie "Clockwork Orange" dieses Fettnäpfchen nicht gänzlich umfahren.
Aber nochmal, "Funny Games" war wohl nie darauf aus, sich wirklich ernsthaft mit der Thematik rund um Gewalt und der innewohnenden Faszination zu beschäftigen. Vielmehr bietet er Spielraum für eine demagogische schwarz/weiß Malerei und will uns, dem Publikum, selbstherrlich Lektionen über unseren ach so verachtenswerten Gewaltkonsum erteilen. Die eitel prätentiöse Inszenierung vermag es nicht, die dahinter wild, auf Stammtischniveau, lospolternd gutbürgerliche Echauffierung gegenüber der unverstandenen, als verrohend angesehenen Populärkultur zu verbergen.
"Funny Games" kann getrost als missglücktes Experiment bezeichnet werden. Den Zuschauern einen Spiegel vorzuhalten und sie in ihrer Sensationsgier zu entlarven scheitert genauso kläglich wie die bemühte und gewollte Medienkritik an Hanekes überheblich herablassenden Belehrungen, die sich als nichts weiter als wilde und oft undurchdachte Polemik herausstellen. Hanekes zweifelhafte Absichten werden obendrein mit der Subtilität einer Kettensäge vorgetragen und führen die emotionsgeladene Debatte um mediale Gewalt nicht weiter, sondern wollen sich trotz aller Vereinfachung als Weisheit letzter Schluss verstanden wissen. Aber insgesamt verbirgt sich hinter all dem, mit intellektuellen Anstrich versehenen Gewese, nur das beschränkte Weltbild eines eitlen, kleinbürgerlich denkenden Spießers.