"Funny Games" ist der krasse Gegensatz zu jeglichem Popcornkino: Sperrig, inhaltsreich und schwer zu verdauen. Regisseur Haneke liefert eine Abhandlung über Gewalt, Voyeurismus und Abstumpfung. Mittels eines perfiden Tricks zwingt er den Zuschauer direkt Stellung zu nehmen. Aber erst einmal zur Story:
Anna, Georg und ihr Sohn Georg junior sind eine Heilewelt-Familie. Für zwei Wochen soll richtig schöner Urlaub passieren. Das ganze Programm: Golfen mit den Nachbarn, Grillen mit den Bekannten und auf dem See Bootfahren. Also alles was sich eine Wohlstandsfamilie im Urlaub leisten muß. Ehe- und Hausfrau Anna ist eine phrasenschwingende, unsichere Frau. Der Bilderbuchurlaub wird durch zwei unliebsame Besucher gestört. Sie bekommen Besuch von Peter und Paul, zwei wohlerzogene junge Männer, die mit guten Manieren, aber abgrundtief bösen Absichten protzen. Scheinbar aus Spaß beginnen sie ein "Funny Game" mit der Familie: Dem Vater wird das Bein gebrochen, die Frau muß sich ausziehen, um zu beweisen, dass sie keine Fettrölchen hat, und so weiter. Auch drängt Peter der Familie eine Wette auf: Binnen 12 Stunden ist jedes Familienmitglied tot.
Jedes Mal, wenn es zu Gewaltszenen kommt, wendet sich die Kamera ab. Auch in der Sequenz, in der sich Anna erniedrigen muß, und sich auszieht, sehen wir nur die Gesichter der Zuschauer. Unser Voyeurismus wird nicht befriedigt und aufgrund der konsequenten Verneinung sogar vor Augen gehalten. Aber der Film geht noch einen Schritt weiter: Verschiedene Male wendet sich Peter direkt an die Kamera, fragt den Zuschauer unverblühmt, wie er das Geschehen findet. In einer wichtigen Szene fragt er sogar, auf wen das Publikum wetten würde - die beiden jungen Psychopathen, oder die Familie? Wer ist sympathischer, zu wem hält der Zuschauer? Die ekelig-neureichen Spießer, die in jedem Satz eine nichtssagende, leere Phrase aussprechen? Oder die beiden "Terroristen", die das alles subersiv angreifen, unterwandern und im Keim ersticken? Die brutal und ekelerregend vorgehen, um ihre Opfer zu erschrecken und den Zuschauer zu provozieren? Die Wahl muss wohl jeder Zuschauer für sich selber treffen.
"Funny Games" ist wirklich harter Stoff. Er reflektiert die Mediengewalt, hält uns (besonders am Ende) grauenhaft vor Augen, das alles was wir sehen in gewisser Weise Fiktion und Realität in einem ist. Wieder haben wir einen komplizierten Kausalzusammenhang - Film imitiert Leben imitiert Film imitiert Leben? Vermutlich so in etwa. Und als sich der Film in ein Paralleluniversum spaltet, zeigt uns Haneke deutlich, dass das alles nur ein Film ist - oder doch nicht?
Aber auch die Medien kommen hier nicht gut weg. So rufen sich die beiden Killer wahlweise Peter und Paul, Tom und Jerry oder gar Beavis und Butthead. Und als die Fernbedienung dazu dient, den Triumph der Ehefrau zu verhindern, ist klar, was uns Haneke da sagen will.
Definitiv kann ich sagen, dass jeder (über 18) sich diesen brillanten Streifen ansehen sollte - schon alleine um seine eigene Lust an plastischer Gewalt und Abstumpfung zu überprüfen. Ein grauenhaftes Meisterwerk. Der vermutlich beste österreichische Film, den ich je gesehen habe.