Review

Hanekes Film "Funny Games" will uns, laut Regisseur, Gewalt als unverdaulich, als unkonsumierbar präsentieren. Eben so, wie echte Gewalt nunmal ist: Nicht schön. Dabei spannt er den Bogen von psychischer über physische Gewalt (dafür dass dieses Wort noch etliche Wiederholungen in diesem Review finden wird, tut mir schon jetzt aufrichtig leid :). Um das zu erreichen zeigt er uns wie das Böse unvermittelt in die traute, glückliche und heile Welt der Familie  einzubrechen vermag. An sich nichts neues, vor allem aber nichts spektakuläres, hatte doch schon Stanley Kubrick dem Zuschauer bei seinem Film "Shinig" (mit dem kongenialen Jack Nicholson) eben dies vor Augen geführt.

Bei "Funny Games" allerdings, dringt dieses Böse von Außen in die heimelige Familien-Welt. Was die Sache aber weder einfacher noch unbedingt angenehmer macht. Stattdessen wird die Willkür in der Gewalt, Schmerz uns zu treffen vermag, aufgezeigt. Ein guter, ambitionierter Ansatz, der aber Aufgrund der erzkonsertvativen und zum Teil schrecklich langweiligen Inszenierung schon im Ansatz erstickt wird. Denn eher ist es die stockende und hölzerne Inszenierung die uns diese Art des Schreckens unkonsumierbar werden lässt.

Eine kleinbürgerliche Familie fährt zum Urlaub an den See zum Wochenendhäuschen, schön mit Garten und Anlegestelle. Als jedoch die vermeintlichen Nachbarsjungen an die Tür klopfen und sich unter einem Vorwand Zugang zum Haus verschaffen beginnt ein Horrortrip, der den armen Urlaubern die Hölle auf Erden bereitet. Das Prinzip funktioniert, die Schauspieler machen ihre Sache (trotz österreichischen Dialekts) beeindruckend gut, und sollte mich das nächste Mal jemand den ich kaum kenne nach Eiern fragen werde ich ihm mit Sicherheit die Tür vor der Nase zuschlagen.

Allerdings manifestiert sich spätestens nach der ersten halben Stunde der Eindruck, man sei Zeuge eines völlig aufgeblasenen Kurzfilms. Zu lang, streckenweise zum Gähnen langweilig. Wie gesagt die Dramaturgie lässt zu wünschen übrig. Ich bin Arthaus-Filmen nicht grundsätzlich abgeneigt, habe auch nichts dagegen wenn mal ein paar Szenen lang nicht allzuviel passiert. Doch Haneke gelingt es, sämtliche Spannungselemente entweder nur im Off geschehen zu lassen oder völlig unmotiviert erscheinen zu lassen. Das die FSK-18 Freigabe dabei blanker Hohn ist, ist eine andere Sache, die aber nicht allzu sehr stört. Richtig ärgerlich ist aber die Erklärung die uns Haneke für das Verhalten der beiden Psychopaten liefert.

Dass diese stockkonservativ ausfällt wird schon am Anfang im Vorspann klar. Da sehen wird die Familie zum Ferienhaus fahren und aus den Boxen erklingt Klassik (die Familie spielt "Opern-Raten" - wie krank ist das denn!?), sozusagen das Theme für die intakte heile Kleinbürger-Welt. Urplötzlich wird diese "harmonische" Szene durch wilde (Death-?)Metall-Musik unterbrochen. Im Prinzip: Klassik gut, Metall böse. 
Gut, kann man sagen, das ist Interpretationssache, vielleicht sollte auch nur ein effektvoller Übergang zwischen Vorpiel und Credits geschaffen werden.

Aber es geht noch weiter. Spätestens ab der Hälfte ist klar wer der Verursacher der psychopatischen Veranlagung der beiden hochintelligenten Killer  ist: Das Fernsehen! Da reden sich die beiden mal mit "Beavis" und "Butthead" an (den wahren Namen der zwei erfährt man natürlich nie, stellen sie ja auch nur eine Metapher dar), da wird eine minutenlange (unendliche langweilige) Einstellung des TV-Geräts gezeigt, an dem das Blut des getöteten Kindes herunterläuft und gegen Schluß spult sich der Killer sogar ein Ende nach seinem Gusto zurecht (wer sich da jetzt gar nichts drunter vorstellen kann, sollte sich den Film doch zumindest einmal ansehen). Von einem Regisseur der ja selbst für die Flimmerkiste inszeniert hätte ich eigentlich etwas mehr Distanz erwartet.

Ausserdem sind in Zeiten von Schul-Amokläufen (und politischen Gesetzgebungs-Amokläufen) solche Vereinfachungen schlichtweg gefährlich. Um nicht zu sagen grundsätzlich falsch! Es ist also die verrohte, für das Spießbürgertum unverständliche Jugendkultur, die unvermittelt in das geborgene Familiendasein einbricht und ohne Erklährung, ohne Rücksicht auf Verluste alles zerstört was Schönheit und Sicherheit verspricht. Das ist in etwa so, als wenn mein Opa sagt, früher war alles besser und sowas wie die Jugend heute, das gabs damals nicht. Nein, Herr Haneke, ganz so einfach dürfen sie es sich nicht machen. Nicht die MTV-Generation ist an dem Verfall der Werte Schuld. Verantwortlich ist die spießige Konservative selbst , da sie, ihrem Naturell folgend, sich nicht weiterentwickelt, auf der Stelle tritt und Offenheit gegenüber allem das auch nur im entferntesten Anders strickt verweigert.

Somit ist dieser Film schon von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Und Scheitern, das tut er, schleppende Inszenierung hin oder her, wegen des Grundkonzepts. Denn was uns hier unter dem Deckmantel des anspruchsvollen, progressiven Indie-Films aufgetischt wird, kann trotzdem niemanden der noch recht bei Sinnen ist als Wahrheit akzeptieren.

Nichtsdestotrotz möchte ich positiv erwähnen, das sämtliche Schauspieler ihre Sache ordentlich, einige sogar herrausragend machen (v.a. Herr Mühe). Ob man diesen Film nun gesehen haben muss, wage ich zu bezweifeln, wer sich jedoch ein eigenes Urteil bilden möchte tut gut daran. Schließlich ist meine Meinung und Interpretation nicht der Weisheit letzter Schluß.

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