Review

Die Kritiken zu Michael Hanekes kontroversem Werk bewegen sich ja hauptsächlich an beiden Enden der Extreme. Die eine Seite lobt ihn über den grünen Klee, die andere bezeichnet ihn als prätentiösen Dreck. Ich hab für mich persönlich entschieden, die Wahrheit irgendwo in der Mitte zu suchen.

So bedächtig und ruhig wie der Film beginnt, so merkwürdig kommt mir auch die Szene vor, in der die Familie zu ihrem Wohnsitz am See unterwegs ist. Mutter legt CD´s aus der privaten Opernsammlung in den Player ein und Vater, der fährt, muss erraten um welche Oper es sich handelt. Nun, ich bin mir immer noch nicht sicher, ob uns Haneke hier seine Vorstellung von heiler Welt und idyllischer Familienatmosphäre zu verkaufen sucht, oder ob er einfach nur keinen passenden Prolog für die Dinge, die noch folgen sollen, gefunden hat. Wenn wirklich erstgenanntes zutreffen sollte, muss man doch mit Schmunzeln feststellen, dass Haneke hier eine Minderheit repräsentiert. Das kann man dem Filmemacher doch nur bedingt negativ auslegen.

Den Vorwurf, den man Haneke machen kann, ist einseitige Schuldzuweisung. Wenn er seine beiden Sadisten die Frage nach dem „Warum?“ mit allen möglichen soziologischen Erklärungen verhöhnen lässt, dann will er dem Zuschauer weismachen, dass es für die Gewalt in seinem Werk keine Erklärung gibt und sie nur da ist, weil wir sie angeblich sehen wollen. Hier verarscht sich Herr Haneke, wenn wahrscheinlich auch eher ungewollt, aber selbst. Denn wenn er die beiden Übeltäter mit dem Zuschauer direkt Kontakt aufnehmen lässt, Blut auf den Bildschirm eines laufenden Fernsehers spritzt und am Ende einer von beiden nicht mehr zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann, nur weil ein SciFi-Film über ein Paralleluniversum ihn nicht mehr loslässt, ist spätestens jetzt auch dem Begriffsstutzigsten klar, welche Aussage Haneke treffen will und das die Gewalt in FUNNY GAMES so gesehen doch eine Ursache hat. Filmgewalt ist an allem Schuld. Und die bereits genannten Verfremdungseffekte bilden sozusagen den Ersatz für den Holzhammer. Der scheint nämlich Hanekes beliebtestes Werkzeug der Kritik zu sein. Und diesen hat er für FUNNY GAMES noch zusätzlich tief in moralinsaure Soße getunkt, damit auch ja keine Missverständnisse bei seiner Aussage entstehen. Das macht ihn natürlich umso enttäuschender für diejenigen, die wirklichen einen tiefgründigen Film wie PEEPING TOM erwartet haben.

Natürlich hat der Film auch Pluspunkte. Susanne Lothar und Ulrich Mühe faszinieren mit ihrem unglaublich intensiven Spiel. Die Szene, in der die beiden Sadisten zeitweise verschwinden und die beiden versuchen, das mit ihnen Geschehen zu begreifen, ist wirklich verstörend und wird mir auch noch ewig im Gedächtnis eingebrannt bleiben. In diesen Momenten entfaltet der Film seine verstörendste Wirkung. Auch Arno Frisch und Frank Giering überzeugen auf der ganzen Linie. Allerdings hat Haneke, beabsichtigt oder nicht, seine Charaktere alle gleichermaßen unsympathisch gezeichnet. Dabei sind es doch gerade die Bindungen zu den Charakteren, die den Zuschauer mit ihnen mitleiden lässt und ihm ihr Leid so nahe wie möglich bringt. Nichts von dem ist hier der Fall. Die Opfer sind Opfer, damit muss es gut sein. Womit wir wieder bei der Holzhammertaktik des Herrn H. wären.

Mit FUNNY GAMES hat Michael Haneke versucht, das Thrillergenre zu nutzen um ein soziologisches Exempel zu statuieren. Dabei benutzt er genau die Mittel, die sonst nur den härtesten Feuilletonisten und den Berufsmoralisten, die sowieso alles in Bausch und Bogen verdammen, was ihrer Meinung nach moralisch verwerflich ist, vorbehalten sind. In die Tiefe geht er niemals bei seiner Gewaltanalyse und beschränkt sich auf plumpes Moralisieren. Wahrscheinlich hatte er auch nie wirklich eine andere Absicht.

Tja, lieber Herr Haneke, so einfach wie Sie die Welt gerne haben würden, isse nu mal nich.
6/10

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