Im Zuge der von Wes Cravens „Scream“ losgetretenen Teenieslasherwelle trat „Disturbing Behavior“ an, um aus den einfach gestrickten Formeln des Genres auszubrechen und sich von seinen Kollegen nicht anhand des Schauplatzes, sondern seines Inhalts zu distanzieren. Die ambitionierten Vorstellungen scheiterten dabei an der Umsetzung, beziehungsweise der wohl stattgefundenen Nachbearbeitung des Films, die seine Lauflänge letztlich auf knappe 75 Minuten reduzierte, dem Film gleichzeitig auch einiges an Substanz nahm und beim Kinopublikum dann auf Desinteresse stießen ließ. Es bleibt nur zu vermuten, was TV-Regie-Experte David Nutter (von „The X-Files“, über „ER“ bis „ Space: Above and Beyond“) und Drehbuchautor Scott Rosenberg („Con Air“, „Impostor“) hier ursprünglich vorschwebte.
Das Szenario gleicht wenigstens zu Beginn noch den gängigen Riten des modernen Teeniehorrors. Steve (James Marsden, „X-Men“, „10th & Wolf”) zieht nach dem Tod seines Bruders zusammen mit seiner Schwester und den Eltern in ein idyllisches Kleinkaff, um dort einen Neuanfang zu beginnen. In der Schule finden sich neben den üblichen Cliquen nicht nur die Streber, PC-Spezis und Autofreaks, sondern auch eine elitäre Community durchgestylter, gegenüber „Minderwertigen“ herablassend verhaltender Traumschüler, die nach neuen Mitgliedern suchen und Steve schnell als potentiellen Kandidaten ausmachen. Doch der kiffende Loser Gavin (Nick Stahl, „Terminator 3: Rise of the Machines“, „Sin City“) warnt ihn vor diesen so gar nicht dem Normalbild von Jugendlichen entsprechenden Haufen und offenbart eine unglaubwürdige Verschwörungstheorie. Ihnen wurden die Gehirne gewaschen und nun sind sie Marionetten...
Seit „Body Snatchers“ oder dem aktuelleren „The Faculty“ sind sich plötzlich ungewöhnlich verhaltende Menschen längst nichts Ungewöhnliches mehr, Nutter versteht das Thema aber ernsthaft und aktuell aufzubereiten und kann nach seinem etwas zu konventionellen Beginn, in dem auch love interest Rachel (bitchig, rockig und rebellisch: Katie Holmes, „Teaching Mrs. Tingle“, „The Gift“) vorgestellt wird, schnell Boden gut machen. Plötzlich brennen einem dieser Träume aller Schwiegermütter die Synapsen durch und Kumpel Gavin entwickelt sich über Nacht ebenfalls zum adrett geschniegelten Lackmeier. Warum die Gruppe später dann Steve angreift und sich immer wieder darum bemüht ihr Geheimnis im Dunkeln zu behalten wird nicht erklärt. Hier offenbart sich der, ob nun Drehbuch- oder Kürzungsbedingt, erste dicke Fauxpas, weil die Indoktrinierung dieses Verhalten gar nicht vorsieht. Sich höflich, selbstlos und fleißig geben, steht doch eigentlich an der Tagesordnung.
Nun ja, der Rest wirkt dann wie ein Konglomerat gängiger Genremotive. Sich bedroht und in die Ecke gedrängt fühlend, wird viel durch vorzugsweise dunkles Gestrüpp oder nur spärlich beleuchtete Räume geflüchtet. Das aufklärende Kapitel in der Irrenanstalt offenbart dann wieder Fragen um Fragen (Warum laufen die Geisteskranken mitten in der Nacht dort alle frei herum?), liefert aber zumindest den entscheidenden Hinweis, um des Rätsels Lösung auf die Spur zu kommen. Das Liebespaar kommt auch zusammen (Was Gavin dazu wohl sagen würde?) und zum Schluss gibt es auch die große Entsorgung – freilich ohne nochmal zurückzublicken.
So nach ungefähr einer halben Stunde wirkt „Disturbing Behavior“ leider extrem unfertig, sprunghaft und nicht zu Ende gedacht, ganz als solle das hier ein TV-Pilot werden, der erst in der Serie selbst alle Fragen und Hintergründe erklärt. Das Tempo ist zwar hoch, die Spannung fällt dabei jedoch ab, weil kaum nennenswerte Überraschungen nachgeschoben werden und Tote Mangelware sind. Überdies wird dem Rattenfänger (kaum wiederzuerkennen: William Sadler, „Die Hard 2“, „Demon Knight“), der ja nun mal eine Schlüsselfigur darstellt, zu wenig Background gewidmet. Er scheint ja wesentlich mehr zu wissen, als er Preis geben will.
Zumindest im Ansatz kann „Disturbing Behavior“ noch kritische Hinterfragung von Erziehungsmethoden Erwachsener, die in ihrem Bestreben, ihren Nachwuchs als ein Idealbild ihrer selbst zu erziehen, ohne ihn sich selbst entwickeln zu lassen, noch verstanden werden, dafür hätten Nutter und Rosenberg, aber viel mehr ins Detail gehen müssen. Die prüde, amerikanische Erwachsenenwelt zeigt sich Sex und Erotik bekanntlich wenig aufgeschlossen und genau die Themen werden hier ja eingesetzt, um die stete Kontrolle außer Kraft zu setzen. Doch das stellt nur einen von vielen Interpretationsmöglichkeiten dar, die halt nur nicht konsequent weiterbehandelt worden sind.
Schauspielerisch bewegt man sich auf solidem Niveau. Katie Holmes schaut verteufelt gut aus, James Marsden schlägt sich als optisch attraktiver und sympathischer Neuling brauchbar und Nick Stahl ist als kiffender Paranoiker sogar ganz witzig. Schade, dass abseits der gelungen gezeichneten Figuren wichtige Charaktere wie der Schulpsychologe und der Rattenfänger im Gegensatz dazu so stiefmütterlich behandelt werden.
Fazit:
Leider bekommt man hier einmal mehr wohl nur eine geraffte Rumpffassung geboten, weswegen „Disturbing Behavior“, trotz seiner unbestrittenen Ideen knapp den Durchschnitt verfehlt. Die durch die Bank weg ordentlichen Darstellerleistungen können einfach nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Publikum zwar die Motive zur Eigeninterpretation geliefert werden, man aber Zugeständnisse zwecks einfacherer Konsumierung eingehen musste und deswegen undeutlich und nicht kritisch genug blieb. Da zudem einiges an unbeantworteten Fragen aufgeworfen wird, besonders in der zweiten Hälfte alles flott abgehandelt wird, ohne einen Moment zwecks Resümee, innezuhalten und der reichlich enttäuschende Schluss auch nicht gänzlich überzeugt, rate ich zur nächsten TV-Ausstrahlung. Nutter versteht den Stoff umzusetzen, kreiert Figuren und liefert Hinweise, aber man hat ihn wohl nicht lassen, wie er wollte. Einmal ansehen, reicht hier zweifellos aus.