Eigentlich musste schon fast automatisch ein ordentlicher Actioner dabei herauskommen: Eis auf Feuer, das Fünf-Sterne-Dessert eines jeden Actionfans mit erprobtem Gaumen. Zwei sich gegeneinander neutralisierende Elemente dieses Kalibers, stark erinnernd an die besten Zeiten von James Bond (“Im Geheimdienst ihrer Majestät”) und dann noch durch den Titel zur Plattform für die bombastische Handlung verbildlicht, und zwar sowohl in der deutschen (“Auf brennendem Eis”) als auch in der amerikanischen Fassung (“On deadly ground”) - das musste doch ein Knaller werden, zumal Hauptdarsteller Steven Seagal gerade auf dem absoluten Höhepunkt seiner Karriere angekommen war. Dieser Höhepunkt, der anschließend von einer scharf fallenden Kurve gefolgt wurde, offenbarte sich dann auch in Seagals bis heute einziger Regiearbeit - inszenatorisch eine solide Sache, zwischen den Zeilen allerdings ein erzählerisches Desaster von höchster Peinlichkeit.
Dennoch, alleine bezüglich des Settings würde man sich heute, über ein Jahrzehnt später, wieder etwas mehr Konzentration in Richtung der Elementarteilchen des Actionfilms wünschen, denn der Actionfilm scheint inzwischen etwas dem Drang zu unterliegen, möglichst komplexe Beziehungsnetze zwischen den Bösen und den Guten zu erstellen - möglicherweise eine vom modernen Hongkong-Kino beeinflusste Richtung. Richtig handgehabt, können menschliche Verstrickungen und komplexe Beziehungsnetze à la Heroic Bloodshed natürlich begeistern, doch auf dem B-Film-Sektor, dem Seagal nun mal seit jener Zeit von Anfang der Neunziger wieder unterliegt, fehlt dazu meist die Klasse in Sachen Drehbuch. So ist es eine angenehme Reise zurück in eine wieder etwas primitiv erscheinende Phase, wo es schlicht und ergreifend darum ging, auf einem möglichst attraktiven Setting auf ein unvermeidliches Ziel zuzusteuern und dabei eine Spur der Verwüstung mit sich zu ziehen - und dieser Fähigkeit kann sich “Auf brennendem Eis” durchaus rühmen. Auch deswegen ist dieser Film immer noch deutlich besser als vieles von dem, was Seagal und seine Kollegen in jüngster Zeit abgeliefert haben.
So liest sich der Plot wie aus dem Effeff, jede Szene ist in ihrer Bedeutung für die Handlung quasi vorauszusehen. Auf einem anspruchsvollen Niveau sollte man diese Eigenart anprangern, aber in Wirklichkeit verleiht die Vorhersehbarkeit dieser absolut linearen Erzählstruktur ein angenehmes Gefühl der Ruhe und Zufriedenheit. Das ist es wohl, was gemeint ist, wenn es heißt, das der Genre-Fan immer wieder die gleichen Abläufe sehen will - nur in andere Bilder verpackt.
Alleine die atmosphärisch wunderbar heimelige Prügelei im gemütlichen Saloon ist ganz klassisch. Mike Starr macht als Anführer einer Gruppe von Pöblern einen Ureinwohner Alaskas an und demütigt ihn. Seagal, in ein hübsches Trapperhemd gekleidet, stiert als einziger hin, während alle anderen Gäste wegschauen. Starr fragt Seagal, ob er ein Problem hat, beschimpft ihn, Seagal steht auf, geht dann aber nur an Starr vorbei, der schon fast Muffensausen hat. Doch Starr kann’s nicht lassen und wird beim Ureinwohner handgreiflich. Also sieht Seagal rot, knöpft sich zuerst Starrs Handlanger vor und dann den Anführer selbst, der auf diese Erfahrung hin gleich sein Leben ändert. Szenen wie diese sind es, die Jahre später The Rock in der Barszene aus “Welcome to the Jungle” parodierte, und Szenen wie diese sind es, die man in so einem Film einfach sehen will. Gerecht erscheinende Selbstjustiz ist halt im Kino grundsätzlich immer attraktiv; es ist befreiend, wenn die Bad Guys endlich ihre Quittung kriegen. Je dramatischer, um so besser. Und dieses Schema hat Seagal offensichtlich verstanden. Nicht gleich drauf los; aber wenn es dann so weit ist, dann direkt ganz essenziell. Der Böse wird mit einer unwiderstehlichen Kombination aus Prüglern und Worten an den psychologischen Wurzeln gepackt und von Grund auf geändert.
Dieses Schema, das an diesem Mini-Modell noch funktioniert, sollte schließlich auch auf den kompletten Film übertragen werden. Moralismen verbreitende Worte, die von solider Handkantentechnik visuell untermauert werden. Fäuste und Mund als untrennbares Team - wenn es sich bei der Moral um Umweltaspekte handelt und die Fäuste ein Sinnbild für Kämpfe und Explosionen sind, dann spricht man von einem “Öko-Actioner” - eine Kategorisierung, der zweifellos negative Assoziationen anhaften. Möglicherweise nicht ganz zu Unrecht, denn Filme wie dieser sind es, die das Vorurteil bekräften, der Öko-Actioner bzw. Thriller versuche krampfhaft, eine Aussage an den Mann zu bringen, indem er die klassischen Elemente des Genres zu diesem Zweck “missbraucht”. Das gilt ganz besonders bei einem Mann wie Seagal, dem als Regisseur und Hauptdarsteller natürlich alle Wege offenstanden, seine Überzeugungen zu verbreiten. Und die unsensible, um nicht zu sagen trampelige Art, wie er dies tut, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.
Befreit von allen Intentionen könnte man die Story nämlich noch als spaßiges Mittel zum Zweck betrachten. Unglaublich, in wie vielen Klischees und eingefahrenen Mitteln sich Seagal verheddert, während er das Feindbild eines geldgierigen Ölmagnaten aufbaut, um ihm dann in Form eines abtrünnigen Ex-Mitarbeiters Paroli zu bieten, der dann für die Ureinwohner Alaskas eintritt. Alles kein Problem, nur so mögen wir unsere Pappenheimer. Der Cast ist auch noch recht prominent, als wir da hätten R. Lee Ermey, der ein wenig mit seiner militärischen Herkunft Kalauer treibt, dann John C. McGinley, fies wie immer, und nicht zuletzt unglaublicherweise Sir Michael Caine als Big Boss - ein Mann, der natürlich hoffnungslos unterfordert ist in seiner 08/15-Rolle, aber wenn man ihn halt kriegen konnte, warum nicht?
Es ergibt sich unter dieser Voraussetzung ein absolut zufriedenstellendes Hasch-mich-Spiel nach altbewährtem Schema, indem Seagal es bei seinem Boss zunächst mit Vernunft versucht, ihm dafür dankenswerterweise eine ganze Lagerhalle um die Ohren fliegt und er nach dem misslungenen Anschlag erst recht durch die Eiswüste gejagt wird, bis es zum explosiven Finale in der Ölraffinerie kommt, die kurz vor der Explosion steht. Herrlich. Die Shootouts sind recht blutig, die Fights sind Seagal-typisch und damit voll in der Zielgruppe, die Sets sind attraktiv und werden für die Verfolgung stets ganz raffiniert modifiziert, und die Explosionen am Anfang und am Ende machen dem “brennenden Eis” alle Ehre. Ganz klar: Seagals Alaska-Reise hat Profil und Wiedererkennungswert.
Wäre da nur nicht die Holzhammer-Message. Mag der moralische Unterbau, quasi der hintergründige Sinn des ganzen Films, über weite Strecken noch zu verdrängen sein, manchmal wird man schlichtweg aus der Handlung gerissen, weil Seagal den Zuschauer an die Hand nimmt und ihm die Welt erklärt. Das betrifft etwa die spirituellen Szenen bei den Ureinwohnern oder die Belehrung des eigenen Bosses. Der unfassbare Höhepunkt der Peinlichkeit ist aber der Schlussmonolog, der so drückend unfilmisch und moraltriefend ist, dass man am liebsten vor Scham im Boden versinken würde. Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass Seagal die ganze Sache hin und wieder etwas ironisch darstellt: Wenn er dem Ureinwohner in der Kneipe aufhilft und der ein philosophisches Blabla loslässt von wegen “Du wirst einen gefährlichen Weg beschreiten und uns allen Freude bringen”, verzieht Seagal doch tatsächlich die Miene nach dem Motto “Ja ja, schlaf dich erst mal aus”; und als der alte Mann im Lager mit einem Fellkostüm herumhüpft wie ein Medizinmann, liest man Seagal die Worte “Der Alte ist verrückt” vom Gesicht ab. Das ist gut, denn viele Momente drohen in ihrer geistlichen Besinnlichkeit der Lächerlichkeit ausgeliefert zu werden; die hin und wieder eingeflochtene Selbstironie lässt das Ganze nicht allzu ernst erscheinen.
Etwas weniger Botschaft hätte also Wunder bewirkt. So bleibt immer noch ein solider Vertreter aus der Filmografie Seagals, der vor allem durch das herrlich Bond-artige Szenario punkten kann. Die klischeebeladene Story ist belanglos, die Inszenierung macht Freude. Nur der penetrante Öko-Touch stört enorm - unabhängig davon, ob man hinter der Botschaft steht oder nicht, filmisch passt sie zu keinem Zeitpunkt in die Handlung. Die Herausforderung liegt also diesmal darin, nicht zwischen den Zeilen zu lesen... und das ist ein ganzes Stück Arbeit.