Der erfolgreiche Architekt Max Klein (Jeff Bridges) überlebt die Folgen eines Flugzeugabsturzes körperlich unversehrt. In der Öffentlichkeit wird er als Held gefeiert, weil er einige Kinder mit stoischer Ruhe aus dem brennenden Flugzeug befreite, während er seinem früheren Leben mit Frau Laura (Isabella Rossellini) und Sohn Jonah wie ein Fremder gegenübersteht. Max hat nach dem Absturz jede Angst verloren, kann Erdbeeren essen, auf die er kurz zuvor noch stark allergisch reagierte - und verliebt sich obendrein in Carla (Rosie Perez), die ebenfalls im Flugzeug saß und an Selbstvorwürfen zu zerbrechen droht, weil sie ihr kleines Kind nicht vor dem Tod bewahren konnte...
„Fearless“ trägt eindeutig die Handschrift Peter Weirs. In ungemein und heutzutage ungewöhnlich ruhigem und behutsamem Ton (dem ein oder anderen mag der Handlungsaufbau zu behäbig vorkommen!) komponiert er eine einzigartige, bisweilen traumhaft wirkende Bilderflut, die den Zuschauer in den Bann schlägt und bis zum perfekt dargestellten Ende nicht mehr losläßt. Der ganze Film ist von einer mysteriösen Stille überschattet, in der eigentlich vertraute Landschaften (man nehme nur das Maisfeld in der Eingangssequenz) einen äußerst surrealen Eindruck machen.
Die Geschichte eines psychisch stark angeschlagenen Mannes, der sich durch das traumatische Ereignis in seiner alten Welt nicht mehr zurechtfindet und sich seiner Familie und Umwelt entfremdet, schildert Weir ohne grelle Effekte oder übertriebene Spannungselemente. Welten trennen dieses Drama von den traditionellen Katastrophenfilmen à la „Airport“. So steht am Anfang nicht etwa die Katastrophe, die Ursache für Max‘ merkwürdiges traumwandlerisches Verhalten, nämlich der Absturz des Flugzeugs, sondern die Folgen, d.h. die Handlung setzt erst dann ein, als alles schon vorbei ist - und das Zeigen der verzweifelten, hemmungslos weinenden Menschen, die das Unglück hautnah miterlebt haben, reicht vollkommen aus, um den Zuschauer sofort aufzurütteln. Um so weniger paßt der seltsam gelassene und scheinbar ohne jede Gefühlsregung daherkommende Rettungsengel Max, der ein Kind nach dem anderen von der Unfallstelle zu den jeweiligen Elternteilen schafft, in das Szenario. In den folgenden Minuten wird dieses Verhalten einfühlsam erklärt. Immer wieder zeigt Weir bruchstückhafte Rückblenden von den unmittelbaren Momenten vor dem zwangsläufigen Absturz, in denen deutlich wird, daß Max dem Tod kurz vor dem Aufprall ins Auge gesehen hat (visuell dargestellt als helles Licht), woraus seine plötzliche überirdische Furchtlosigkeit resultierte. Erst zum dramatischen Schluß, der keinen Betrachter kalt lassen dürfte, als Max ein zweites Mal zwischen Leben und Tod schwebt und eine weiteres Mal den Augenblick seines Todes verspürt, werden Details des Absturzes preisgegeben, aber auch dann nicht in realistischer Form, sondern zu einem übersinnlichen Ereignis verfremdet, was durch die elegische, gänsehauthervorrufende Musik von Henry Mikolaj Goreckis Dritter Sinfonie noch zusätzlich verstärkt wird.
Jeff Bridges liefert eine intensive und atemberaubend starke schauspielerische Leistung ab und beweist einmal mehr seine restlos vorhandenen Fähigkeiten im Darstellen verschiedenster Charaktertypen. Die eigentliche Überraschung ist jedoch Rosie Perez als verzweifelte Carla, die sich die alleinige Schuld am Tod ihres Sohnes gibt und die Max mit aller Macht von ihrem Trauma zu befreien versucht. Ihre außergewöhnliche Arbeit wurde mit einer Oscarnominierung belohnt. Ihnen ist es zu verdanken, daß der Film niemals in die Nähe des Kitsches abrutscht und sich immer klar innerhalb eines glaubwürdigen Rahmens bewegt. Isabella Rossellini sei an dieser Stelle natürlich auch nicht vergessen, die gewohnt souverän auftritt.
Fazit: „Fearless - Jenseits der Angst“ von Peter Weir ist ein Film, der tausendmal intensiver wirkt als jeder andere Katastrophenfilm. Meisterhaft inszeniert und durch hervorragende Darsteller, faszinierende Bilder sowie einen zutiefst anrührenden Schluß gekennzeichnet. Ein Geheimtip der 90er Jahre!
GESAMT: 9/10 (Unterhaltungswert: 8 - Handlung: 9 - Schauspielerische Leistungen: 9 - Kameraführung/Atmosphäre: 9 - Musik: 9)