Kaum ein Hollywood-Star hat sich eine so seltsame Filmografie zusammengebastelt, wie Nicolas Cage. Seit der Neffe von Francis Ford Coppola 1982 sein Leinwanddebüt in Ich glaub‘, ich steh im Wald gab könnte man genau das bei einigen seiner Projekte und angesichts mancher Leistungs Cages denken. Immerhin ist der Mann aber Oscar-Preisträger, einer der bestverdienenden Schauspieler überhaupt und mimisch durchaus zu differenzierten Darstellungen fähig. Andererseits hat er die zweifelhafte Angewohnheit, so gut wie niemals zwei oder mehrere aufeinanderfolgende gute Filme abzuliefern und dabei ist Cage zumeist in gleichem Maße ein Indiakator für einen Mangel an Qualität, wie er diese auch bedingen kann. Con Air nun ist der Mittelteil einer Reihe von Filmen, die man als »Wir machen aus Nic Cage DEN neuen Action-Star«-Trilogie bezeichnen könnte, zu der außerdem The Rock (1996) und Face/Off (1997) gehören. Sind die letztgenannten Werke ordentliches, bzw. sehr starkes Kino, ist Con Air ganz klar der Schwachpunkt des Trios - und das nicht zuletzt eben auch wieder ‚dank‘ Cage.
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Während eines Streits, in den auch seine schwangere Frau Tricia verwickelt ist, tötet der Army Ranger Cameron Poe unabsichtlich einen Mann und wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Acht Jahre später ist er auf dem Weg in die Freiheit, zurück zu Frau und Tochter. Doch während des Gefangenentransports kapert eine Gruppe Schwerstverbrecher das Flugzeug mit Cameron an Bord. Am Boden nimmt währenddessen der US-Marshal Vince Larkin die Verfolgung auf...
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Mit zackigem Millitärgehabe, im Gegenlicht wehenden amerikanischen Flaggen, stolzgeschwollenen Männern in Uniform und sülzigem Pathos, hier stilgerecht unterlegt mit Trisha Yearwoods Schmachtballade ‚How do I live‘, arbeitet Con Air noch vor den Opening Credits einige der wesentliche Züge einer Jerry Bruckheimer Produktion ab und macht mit Bildern weiter, die wie mit Klarlack überzogen wirken. Darunter verbirgt sich, ebenso typisch, eine recht brüchige Oberfläche, die zu allen Seiten das Nichts verdecken soll, das der Film letztlich ist. Die Vielzahl von Teilnehmern an dem hohlen Treiben werden allesamt mit ordentlich ‚bad ass‘-Attitüde eingeführt, die Gewalttäter und Vergewaltiger bekommen martialische Spitznamen wie ‚The Virus‘ oder ‚Diamond Dog‘, aber keinerlei Dimension verpasst und so ziemlich jede auftauchende Figur kriegt einen obercoolen Zeitlupenwalk spendiert. Dabei werden noch derart viele Machophrasen und sonstige stahlharte Sprüche geklopft, dass man Con Air zwar kein bißchen ernst nehmen kann (was man natürlich auch nicht muss oder gar soll), sich dadurch jedoch trotzdem ein grundlegendes Problem in Sachen Hauptdarsteller ergibt.
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Ein Film der Kategorie Action-Knaller, dessen Story ohne jede Raffinesse bleibt, funktioniert im Idealfall ganz allein über die Zugkraft seines Hauptcharakters. Kernige Kerle wie Schwarzenegger, Stallone und die Riege von B-Stars, die sie nach sich zogen (Van Damme, Seagal, usw.) konnten stets in ihren Kloppern das Gröbste rausreißen und das Geschehen so sehr auf sich ziehen, dass das Drumherum vernachlässigbar wurde. Nicolas Cage und seinem Cameron Poe gelingt dies kaum. Das beginnt schon mit der überemotionalisierten Einführung: Cameron verteidigt seine Frau, landet im Knast und tauscht herzzerreißende Briefe mit Liebster und Töchterchen. Dennoch bleibt einem Cameron fremd und es fehlt ihm einfach an der Reibungsfläche, dem launigen Zynismus, der Charaktere wie John McClane (Stirb langsam) oder Martin Riggs (Lethal Weapon) auszeichnete. Zudem bekommt Cameron ewig lange absolut nichts bedeutendes zu tun und der Fokus richtet sich weniger auf ihn, sondern vielmehr auf die Gangsterbande um John Malkovich und den von John Cusack gespielten US-Marshal. Daneben wirkt Cameron mit seinen ständigen moralisch beschwichtigenden Reden als purer Gutmensch geradezu langweilig. Die Konstellation, die ihn zur scheinbaren Koorperation mit den Bösen zwingt, um überhaupt erstmal zu überleben, lässt natürlich auch nicht viel zu, doch Cameron Poe ist von erschreckend geringem Wiedererkennungswert.
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Die Story an sich ist so knapp wie oben angegeben und meistenteils genauso sinnlos, wie der Verzehr von Suppe mit Messer und Gabel. Wenigstens einigermaßen spannend und temporeich geht es voran, wobei der Film im letzten Drittel gehörig an Geschwindigkeit zulegt und auch von den Schauwerten her ordentlich draufpackt. Schießereien und Explosionen mehren sich, Nicolas Cage darf ein paar Hiebe austeilen und (natürlich in Zeitlupe) vor Flammen davon hechten; Kameraführung und Schnitt gelingt allerdings ein ums andere mal keine sonderlich saubere Zurschaustellung der Action. Einige Perspektiven sind wenig optimal gewählt und es scheint oft nicht das ins Bild gerückt zu sein, was sich wirklich zu sehen lohnen würde. Die finale Bruchlandung mitten in Las Vegas und eine Verfolgungsjagd mit Motorrädern und einem Feuerwehrfahrzeug bilden einen brauchbaren Showdown, wenn es den visuellen Effekten auch teils an Überzeugungskraft fehlt.
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Einigermaßen unterhaltsam ist Con Air insgesamt irgendwie doch. Abgesehen vom schwächelnden Helden ist die Besetzung sehenswert, Cusack (der im Vergleich zu Cage beinahe die besseren Stuntszenen bekommt) ist gewiss sympathisch, zudem ist sein Clinch mit Colm Meaney als unvernünftig-abschussgeilem Bundesbeamten zwar klischeebeladen, aber ganz amüsant. Hier wird sich außerdem an einigen soziologischen Gedankenspielen rund um Gesellschaft und ihre Ausgeburten versucht. Malkovich und Ving Rhames sind natürlich vollkommen unterfordert, geben dem Verbrechertrupp zusammen mit Danny Trejo, M. C. Gainey und Steve Buscemi aber zumindest Charisma und Ausstrahlung mit, auch wenn die Eindimensionlität der Charakterzeichnung dies nicht zu fördern weiß. Monica Potter bleibt als Poes Ehefrau hingegen blass, Rachel Ticotin als Wachfrau unterbeschäftigt. Nervig fällt im Zusammenhang mit den Protagonisten der Soundtrack mit seinen schrammeligen Gitarren auf. Mit der oftmaligen unmotivierten Wiederholug des Schurken-Themas wird wieder und wieder unterstrichen, dass Con Air hier die härtestmöglichen Typen aufbieten will. Somit bleibt der Musik kein anderer Zweck, als der des plakativen Stilmittels.
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Mit einem Helden, der den Film nicht trägt, Schurken, die bis an den Rand der Fragwürdigkeit glorifiziert werden und zu sehr als Attraktionen inszeniert werden, ohne dem gerecht zu werden, unsauber getroffener Action und allgemeiner Einfallslosigkeit ist Con Air eigentlich ein höchst unterdurchschnittlicher Streifen. Immerhin geht das Geschehen aber flott von statten, wird nie langweilig und lässt sämtliche Logikfehler und handlungsantreibende Zufälle zumindest bei einmaligem Ansehen verschmerzen. Ein spielfreudiges Ensemble, eine gut dosierte Portion galligen Humors und die Rasanz der glattpolierten Bilder retten Regisseur Simon Wests Ideenlosigkeit und Fehlen einer eigenen Handschrift. »Thank you for flying Con Air«. Gern geschehen, aber nur mit OneWay-Ticket.