Review
von Leimbacher-Mario
Sekt(en)empfang
Als Argento schon lange seiner Form hinterherlief, machte Michele Soavi Brecher wie „The Sect“ und war (zumindest für einen kurzen Zeitpunkt) die unendlich bessere Wahl. In diesem okkulten Italoschocker mit surrealen Seiten folgen wir einer jungen Frau, die einen mysteriösen Mann abfährt, mit in ihre Wohnung nimmt und deren Leben nach dessen Tod grausame Wendungen nimmt...
Die ersten zwanzig Minuten sind künstlerisch wertvoll aber höchst anstrengend und zerstückelt mit etlichen abgebrochenen Handlungsfetzen, Figuren und Orten. Doch wenn dann irgendwann endlich eine Richtung und Geschichte gefunden wird, Fäden zusammenlaufen, dann ist „The Sect“ schon ein außergewöhnliches Stück Genrekino d'Italia. Erst recht in der verdammt hübschen neuen Restauration, die den Geheimtipp endlich in würdiges Licht taucht. Die Ausleuchtung ist meisterhaft, die Ladies sind wunderhübsch, der Score ist ambivalent und atmosphärisch ohne Ende. Die Geschichte findet doch noch ihren Reiz nach dem ganzen Unterbau und leidet sicher nicht an Metaphern und Referenzen (von Argento selbst bis zu „Alice im Wunderland“). Ein rätselreiches, ungeschliffenes Kunstwerk, das sicher auch auf Guillermo Del Toro großen Eindruck gemacht hat. Geduld mitbringen, Tee kochen, einmummeln und abtauchen. Es lohnt sich. Ein Genuss! Eine Schande, dass Soavi (nach seinem darauffolgenden Grabschaufler) diese Form nicht länger halten konnte/durfte...
Fazit: zuerst etwas wirr und zerpflückt - dann aber schnell ein traumwandlerischer Erguss zwischen Hölle und (filmischem) Himmel. Ein später italienischer Horrorhöhepunkt. Selbst wenn ich persönlich „Dellamorte Dellamore“ noch mehr mag. „The Sect“ ist ein Kunstgriff. Noch nicht ganz vollendet und rund - aber schon erstaunlich sehenswert und vielversprechend. Zwischen „Hellraiser“ und Manson. Außerdem toll, dass mal ein Film in Frankfurt spielt.