Review

Man kommt kaum daran vorbei „Bleigewitter“ zumindest dafür zu loben, dass er trotz seines späten Entstehungsdatums noch tatsächlich im Ansatz eine intelligente Geschichte erzählen will und das teilweise auch tut, während im Genre langsam aber sicher grober Unfug das Tagesgeschäft beherrschte. Die Comedy-Einlagen machen zwar auch hier bisweilen einiges kaputt, aber die Ambitionen des Drehbuchs von Workaholic Tito Carpi („Man nennt mich Halleluja“, „Der Polyp“) sind dennoch erkennbar.

Einmal mehr fungiert Regisseur León Klimovsky hier nur als Platzhalter, um vermutlich aus steuerlichen Gründen Marino Girolami (Zwei Trottel gegen Django“, „Zombies unter Kannibalen“) ein paar Pesos zu sparen. Der tritt hier offiziell nur als Produzent auf und besetzte die Rolle des Banditen Mestizo immerhin mit Sohnemann Ennio, der wohl vor allem aufgrund seiner Kroko-Jäger-Rolle in „Killer Crocodile“ und „Killer Crocodile II“ dem geneigten Italo-Fan im Gedächtnis hängen bleibt.
Girolamis zweiter Sohn ist nebenbei bemerkt Genreregisseur Enzo G. Castellari („Keoma“, Striker“).

Der alte Haudegen Guy Madison („Old Shatterhand“, „Die Satansbrut des Colonel Blake“) gibt als geläuterter Revolverheld Miller eine wirklich interessante Figur ab, deren Tragik das Drehbuch erst schrittweise in Flashbacks preisgibt. Einst wurde ihm als Junge von Banditen der gastfreundliche Vater genommen, was ihn dazu veranlasste seinen unstillbaren Hass als Kopfgeldjäger auszuleben, bis er die Mörder seines Vaters eines Tages in an Peckinpah erinnernden Zeitlupenästhetik zur Strecke brachte, dabei aber auch einen kleinen, in die Schusslinie laufenden Jungen erschoss, worauf er sein Leben von Grund auf reformierte und auf Pfaffe umschulte. So recht will ihm das keiner Glauben und als er in seiner neuen Gemeinde eintrifft, wird er von den dortigen Bewohnern sogleich für den Komplizen einer Gruppe von Banditen gehalten, die die Bank überfallen. Für den Lynchmob ist die Sache voreilig klar, aber nicht für Sheriff Donovan (Richard Harrison, später unfreiwilliger Star diverser Joseph Lai – C-Movies), der an die Unschuld Millers glaubt. Schließlich war der Mann einst Kopfgeldjäger und kein Verbrecher. Also lässt er ihn losziehen, um seine Unschuld zu beweisen...

Darum geht es „Bleigewitter“ allerdings eigentlich weniger. Millers Mission ist es nämlich nicht, die wahren Schuldigen zur Strecke zu bringen (Das ist eher ein nebensächlicher Effekt), auch wenn er den Spuren folgt, sondern einen zusammengewürfelten Track vor der Gruppe Banditen zu retten, mit ihnen in ein verlassenes Fort zu flüchten und während dieser Belagerung, auch aufgrund von Wasserknappheit, und dort intelligent seiner Arbeit als Mann des Glaubens nachzukommen beziehungsweise seine eigene Erfahrung im Umgang mit Hass und Rachegelüsten einbringt.
Denn obwohl der Mann zu Verteidigungszwecken auch zum Schießeisen greifen kann, schafft er es den betrügerischen Spieler zu bekehren, gibt einem verwundeten Banditen die Möglichkeit eines ehrlichen Lebens und befreit eine Witwe von Hassgefühlen, indem er sie mit der Wahrheit konfrontiert.

Nur schade, dass währenddessen immer wieder völlig unnötige Comedy-Elemente, vornehmlich vorgetragen durch Chris Huerta als Dudelsack spielender Schotte mit einem Faible für Restaurierungen von verrosteten Kanonen, die Stimmung regelmäßig zerstören, während die sich dank des knapper werdenden Wasser zuspitzende Situation nur am Ende zu echten Spannungen unter den Akteuren gereicht.
Denn die draußen abwartenden Banditen tun leider viel zu wenig, weil sie sie einfach schmoren lassen wollen. Dabei ist die Regimentskasse doch ohnehin nur ein dummer Schlussgag.

Marino Girolamis Umsetzung kann man während dessen maximal als solide bezeichnen. Kitschige Momente, wie die Genesung des heimlichen Banditen, der kurz nach Erwachen schon von Amors Pfeil durchbohrt wird, schlagen genau so negativ zu Buche wieder fehlende Zug in der Handlung und das fehlende Interesse aus der Extremsituation wirklich ein Spannungsmaximum zu kitzeln.

Dass der Angriff schließlich erfolgen muss, ist schließlich nur logisch, weil die verschenkte Pattsituation nicht mehr länger aufrecht erhalten werden konnte.
Der Showdown bleibt dabei aber ein wenig prickelnder Antiklimax, weil ein Kampf auf Leben und Tod sich kaum entfesselt und selbst Miller ein tragisches Schicksal erspart bleibt.
Zum Schluss regiert dann wieder König Humor, wenn der Entsandte mit selbstgenähten Uniformen zur Rettung ins aufgebrochene Fort zurückeilt und schlussendlich Miller per Revolver seine Schäfchen in die Kirche jagt. Haha...


Fazit:
Wenig begeisterungsfähiger Italowestern, der aus einer interessanten Prämisse, nämlich den geläuterten Revolverhelden Miller auf eine redliche Mission zu schicken, auf der es weniger um seine Unschuld und dafür umso mehr um seine neue Aufgabe als Reverend, in die er seine Lebenserfahrungen mit einbringt, geht, wenig Nutzen zieht. Der Faktor Slapstick erweist sich einmal mehr als störend und die Belagerung als ineffektiv genutzte Ausgangssituation. Trotz guter Ansätze ein verschenkter Film.

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