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Enzo G. Castellari und Franco Nero wollten es noch einmal wissen. Die beiden Heroen des italienischen Unterhaltungsfilmes, im wahren Leben gute Freunde und nach fast 10 gemeinsamen Filmen ein eingespieltes Duo schafften es 1994 tatsächlich noch einmal, Finanziers für einen Western zu finden. Keinen stilechten Italowestern aber zumindest einen, der deren Geist teilweise entspricht. Wenn Franco Nero als Jonathan Kowalsky zu dem wundervollen Song "Jonathan of the bears" nach der relativ langen Einleitung, in der wir erfahren, warum er als blondgelocktes Bübchen unter Bären aufwuchs (einfach goldig, der kleine Django), im Ledermantel und mit wehender Zottelmäne durch die Wälder prescht werden wehmütige Erinnerungen an „Keoma“ wach, jenen legendären Repräsentanten des Genres, mit dem Castellari und Nero es 1976 quasi zu Grabe trugen.

Wehmütige Erinnerungen spielen eine nicht unbedeutende Rolle in „Jonathan degli Orsi“. Castellari erwähnte selbst, das der Film in seinen Augen eine Art Bruder von „Keoma“ darstellt. Folgerichtig schwankt der gesamte Film zwischen extremem Nostalgie-Kitsch und Castellaris routiniertem, spannungs- und actionlastigen inszenatorischen Talent hin- und her. Es ist schade dass die emotionalen Momente gerade dieses Films, der wohl auch kräftig auf die Tränendrüse drücken soll, dermaßen flach und phrasiert daherkommen. Franco Nero geht als ebenso mutiger wie weiser Heroe voll in seinem Part auf, doch gelegentlich wirken die „indianischen Weisheiten“, die er von sich gibt nicht nur aufgesetzt sondern fast schon peinlich. Soviel Edelmut und Klugheit- das gibt es gar nicht auf dieser Welt. Dem gegenüber stehen mit David „Schlitzer“ Hess als Muddock und John Saxon als Goodwin zwei ganz besonders böse Teufelskerle, die ihre Sache erwartungsgemäß prima machen. Die Rollenverteilung ist also fein säuberlich in GUT und in BÖSE aufgegliedert. Das ist beinahe schon der signifikanteste Bruch mit dem klassischen Italowestern: Keiner der Protagonisten ist ein echter Antiheld, sieht man einmal von dem trottelig agierenden Blechkannenbarden ab, der im Saloon seine „Künste“ zum Besten gibt und offenbar nicht einmal daran denkt, Jonathan nach seiner Gefangennahme durch Goodwin zu befreien.


Es empfiehlt sich, genau solche Überlegungen gar nicht erst anzustellen. „Jonathan degli orsi“ ist ein liebenswert-naiver Film, der zwar äußerlich- abgesehen von einigen überdeutlichen Anspielungen, in denen Nero seinen Feinden in „Django“-Pose gegenüber steht- wenig mit dem klassischen Spaghettiwestern gemeinsam hat, jedoch in seiner Struktur und der ebenso simplen wie ergiebigen Story nichts anderes ist. Einzig der Zahn der Zeit, sprich die modernen Maßstäbe die Major-Produktionen wie „Geronimo“ oder „Der mit dem Wolf tanzt“ Anfang der 90ziger setzten, lässt die Frischzellenkur im Konzept auf den ersten Blick so drastisch erscheinen. Wie in letztgenannten Filmen steht auch hier der Konflikt zwischen Indianern und profitgierigen Weißen auf dem Spielplan was im italienischen Western wo Rothäute sonst eher Mangelware waren ein eher untypisches Thema darstellt.
Gut, vielleicht hätte man auch wieder in Almeria oder Jugoslawien drehen sollen, jedenfalls waren die echten Italo-Western nur sehr selten in den Rocky Mountains angesiedelt, denen man „Jonathan degli orsi“, der in Russland gedreht wurde, augenblicklich zuordnen wird. Es fehlt das staubige, schmutzige, karge. Sicherlich könnte man nun einwenden das diese Vergleiche nicht gerecht gegenüber dem Film sind, doch er muss sie sich gefallen lassen, so auffällig wie er nach den Glorien vergangener Zeiten schielt.

Allen, die jedoch gerne nach der Glorie vergangener Zeiten schielen- und zumindest was Italowestern betrifft bleibt einem wohl kaum etwas anderes übrig- werden an „Jonathan degli orsi“ ihre Freude haben. Es ist der mit nostalgischer Verklärtheit und Zitaten reichlich eingedeckte Nachruf eines der produktivsten Filmgenres aus der vielleicht wichtigsten Filmschmiede der 60ziger und 70ziger

Rührend und mitreißend- man muss sich nur treiben lassen, ähnlich wie bei den ebenso naiv-versöhnlichen Winnetou-Filmen. Wo bleibt „The Badlanders“? Eines Tages wird dieses viel versprechende Projekt vielleicht doch noch das Licht der Projektoren erblicken und Franco Nero ein letztes Mal unter der Regie von Enzo G. Castellari über die Leinwand reiten.

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