Review

kurz angerissen*

Mit seiner Tendenz zu kühler Optik, lasziven Posen und aufgebauschtem Schauspiel gehört "Knight Moves" sicherlich zu den archetypischen Thrillern der 90er Jahre. Seine zeitliche Nähe zu "Basic Instinct" ist kein Zufall; damals wurden funkelnden Großstädten gerne die verrückten Regeln von Psychopathen aufgedrängt (vgl. auch "Die Hard With A Vengeance", 1995; "The Game", 1997). Charaktere werden dann zu Spielfiguren, Polizeiermittlungen zu (teils blinden) Spielzügen, Stadtviertel zu Spielfeldern. Mittendrin rätselhafte Tatorte mit ungewöhnlich drapierten Leichen, die sich wie Bilderrätsel lesen lassen, mit deren Hilfe man sich als Zuschauer aktiv an der Auflösung des Whodunit versuchen und eine Wette mit dem Film eingehen kann: Wetten, ich errate den Mörder, bevor du ihn entlarvst?

In dieser Disziplin erweist sich Carl Schenkels Arbeit allerdings als wenig geübt, hält die Enthüllung doch in keiner Weise den großen Klassikern dieser Zeit (zB. "Sieben", 1995) stand, selbst wenn man dieses kleine Detail unbeachtet lässt, das einen schon recht früh auf das richtige Pferd tippen lässt. In der Schwarzweiß-Eröffnung mit blutroten Credits und bedrohlichem Orchester ist immerhin etwas Exzentrisches verborgen, das trotzdem einen gewissen Genuss nach Guilty-Pleasure-Art verspricht, gerade jetzt, da Jahrzehnte vergangen sind und man jene Dinge zu schätzen lernt, die es so heute nicht mehr gibt, weil sie mit der Zeit zum Klischee wurden oder politisch einfach nicht mehr tragbar sind: Daniel Baldwin etwa, der die Hauptfigur permanent auf dem Kieker hat, oder das etwas abschätzige Frauenbild, das abgesehen von einem halben Dutzend Bettgespielinnen lediglich eine Psychologin in einem als weich empfundenen Beruf (gerade im Kontrast zu den harten Hunden vom Polizeirevier) vorzuweisen hat, die sich dann auch noch in die bis zum Ende zum Kreis der Verdächtigen zählende Hauptfigur verliebt (ganz wie im wahren Leben, waren die Beiden zum Zeitpunkt des Drehs doch bereits miteinander verheiratet). Die Art und Weise, wie Christopher Lambert das Schachgenie darstellt, wird heute auch höchstens noch von Nicolas Cage in seinen weniger bekannten B-Movies gepflegt und ist somit ebenfalls zum seltenen Vergnügen geworden.

Für Feinkost-Experten hat "Knight Moves" also vermutlich nicht allzu viel zu bieten; im Direktvergleich mit den großen Thrillern seiner Zeit ist er völlig zu Recht untergegangen. Überhaupt das Schachspiel zum Aufhänger der Story zu machen, eine der ältesten Spiele-Metaphern der Geschichte, zeugt von einer platten, reißerischen Taktik, die bis ins hektische Finale hinein auch voll durchgezogen wird. Doch das soll nicht daran hindern, die ganze Farce in all ihrer 90er-Jahre-Herrlichkeit zu genießen.

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