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Ein amerikanischer Brite?

Ende der 90er war Steven Soderbergh schon längst ein gefragter Regisseur mit eigener Handschrift, der sogar schon mit den größten Hollywoodstars zusammengearbeitet hat. Dann einen hartgekochten Krimi der alten Schule mit neuesten audiovisuellen Kniffen, seinem Trademark-Style, zu versehen, „The Limey“ abzuliefern, das fordert meinen größten Respekt. Lässig, hübsch, musikalisch groovy, inhaltlich durchaus bitter und böse. Anders und avantgardistisch. Wirkt eher wie alte Gangsterballaden aus Europa und dem UK, irgendwo zwischen „The Long Goodbye“, „Driver“, „The Hit“ oder „Rififi“. Nur mit neuem Anstrich. Über einen Vater, der gerade seine neunjährige Haftstrafe abgesessen hat und der sich nun für die Suche nach dem möglichen Mörder seiner Tochter in die Staaten, genauer gesagt nach L.A., begibt und nichts mehr zu verlieren hat…

Der Teufel auf leisen Sohlen

„The Limey“ ist dermaßen stilsicheres Rachekino, wie es das Rachekino selten bis nie erlebt hat. Ohne je zum Musikvideo oder Trailer zu verkommen. Ein Neo-Noir zum Zungeschnalzen. Zwischen Traumfabrik und dessen bösem Unterbau. Ein Vater auf der Suche nach Gerechtigkeit. „Death Wish“ meets Kunstwerk. Soderbergh in full effect. Das ist Wasser in die Mühlen von seinen Fans. Ich wünschte er hätte diesen Drive auch heute noch. Wunderbar ist auch Terence Stamp, endlich mal in einer Hauptrolle. Wortkarg und ausdrucksstark. Peter Fonda ist wunderbar schleimig und undurchsichtig. Der Schnitt ist kunstvoll und verschachtelt. Fast etwas traumwandlerisch und sprunghaft, verunsichernd, vielleicht verblendet von Rache. Man ist sich der Wahrheit und dem Kern des Erzählers bzw. der Hauptfigur nie ganz sicher. Es gibt ein paar Killersongs auf der Tonspur. Und insgesamt kann ich „The Limey“ nur als gelungenen Geheimtipp des Gangsterkrimigenres bezeichnen. Er hat mich hypnotisiert wie es sonst eher Michael Mann, Takeshi Kitano oder Sergio Leone auf ihre Arten getan haben. 

Fazit: kontemplativer und stylischer Neo-Noir, der Soderbergh von einer härteren, ernsteren und rachsüchtigeren Seite zeigt. Grandioses, besonderes Gangsterkino. Behäbig und zielstrebig, cool und brodelnd, grau meliert und böse genug. Wohl ein saucooles Doppel mit „Sexy Beast“. 

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