Als Geheimtip gehandelt, erfreut "The Limey" den Betrachter tatsächlich, wenn der sich auf ein ungewöhnliches Seherlebnis einstellt. "The Limey" ist mehr ein Experiment mit den Möglichkeiten des Films, als eine simple Rachestory, die es laut Plot zu sein scheint.
Stamp ist ein ehemaliger Zuchthäusler, der in die USA fliegt, um den Tod seiner Tochter aufzuklären, die er seit diversen Haftjährchen nicht mehr gesehen hat. Als Verantwortlichen hat er bald eine Art Produzenten (Peter Fonda) aufgetan, der sich durch Anwalt und finstere Vasallen schützen will. Stamp läßt sich in seiner ihm eigenen Stahlhärte niemals aufhalten, weder durch Schläger, noch durch Killer oder ähnliches und kommt seinem Ziel immer näher.
Der Film bemüht sich weniger um eine verschachtelte Struktur, sondern generiert sein eigenes Bildpuzzle. Ein Gespräch zwischen zwei Personen findet hier visuell nicht geradlinig statt, sondern kann lediglich in einem Stück gehört werden. Stattdessen wird währenddessen eine Collage von Bildern präsentiert, die die Personen an einem, zwei oder drei Orten zeigt, zeitlich losgelöst, teilweise zeitgleich einen Satz beginnend und dann scheinbar an einem anderen Ort endend, unterbrochen von Rückblenden. Überblendungen auf die Gegenspieler laufen im Bild bereits, während der Dialog noch bei den Protagonisten verweilt, gelegentlich macht die narrative Struktur auch ganz Pause, während sie einfach nur sekundenlang auf die Figuren hält, bis etwas Neues geschieht.
Eingefaßt wird das durch den verstärkten Gebrauch von Handkameras. Dazwischengeschnitten sind Szenen aus einem alten Stamp-Film aus den 60ern, dessen Bilder perfekt zu als Rückblende passen.
Der Zuschauer ist so zur Mitarbeit aufgefordert, das Puzzle zusammenzusetzen, denn Erklärungen zu den Bildern werden oft erst später nachgeliefert.
Ein Film, der so neben der gängien Struktur inszeniert wird, fokussiert dann auch nicht auf die Erwartungshaltungen des Zuschauers. Stamp knallt nach einem Herauswurf aus einer Werkstatt zu Beginn offenbar vier oder fünf Personen in einem Handstreich über den Haufen, nur folgt ihm die Kamera nicht, als sei sie nach dem Herauswurf von Stamp nicht eingeladen worden, ihm erneut zu folgen. Also verharrt sie, bis Stamp mit der Waffe wieder herauskommt.
Das Ausschalten eines Schlägers wird ebenso klein gehalten, indem er ihn lediglich im Bildhintergrund ausschaltet, während die Kamera mit Fonda beschäftigt ist, der auf seiner Party aber gar nichts Wichtiges tut
Vielmehr interessiert sich die Regie dafür, ein stummes Portrait eines wortkargen Mannes zu zeichnen, dessen Leben im Gefängnis vermutlich schon begraben wurde, dessen letzter Bezug, seine Tochter tot ist und der seine Bewährungsauflagen verletzt, aber nicht zusammenbricht, weil er so etwas einfach nicht tut. Das Zusammensetzen der Persönlichkeitsfragmente wird jedoch dem Zuschauer überlassen.
Am Ende bekommt der Film dann aber doch noch eine graphische Kehrtwende, wenn drei Parteien in einem Strandhaus gegeneinander antreten und Stamp erkennen muß, daß Fonda nur versehentlich zum Mörder wurde, eine Reaktion seines Opfers falsch interpretierte, weil er sie nicht kannte und dennoch als offensichtlicher Vaterersatz für Stamp herhalten mußte. In diesem Augenblick erkennt Stamp die Sinnlosigkeit seines Rachefeldzugs, da er nicht dagewesen war, um diesen oder einen anderen Konflikt mit seinem eigenen Kind zu klären und er somit indirekt Mitschuld trägt.
Hier wird die Tragik greifbar, die den ganzen Film nur latent mitschwingt und dennoch rundet sie den Film mit einem leisen Aha-Erlebnis ab.
"The Limey" ist eine hochinteressante Rachestory-Variante, wie man sie selten gesehen hat und steuert konsequent gegen die Erwartungen der Zuschauer an, ohne sie zu brüskieren. Ein guter Film. (7/10)