Eine nähere Inhaltsangabe schenke ich mir an dieser Stelle einfach einmal, denn nichts in „Die nackte Kanone“ ist so unwichtig wie der Plot. Nur soviel: Chaos-Cop Frank Drebin muß ein Attentat auf die britische Königin verhindern, das während eines Baseballspiels verübt werden soll...
Jerry Zucker, Jim Abrahams und David Zucker - wohl die meisten unter den hier mit mitlesenden Filmfans dürften mit diesen Namen etwas anfangen können. ZAZ - das Kürzel garantiert gnadenlos komischen Klamauk. Monologe bzw. Dialoge, die so zotig sind, daß man schon wieder darüber lachen kann, Filmzitate, Situationskomik oder einfach nur völlig absurder Slapstick sind unverzichtbare Zutaten des Trios und versprechen Lacherfolge im Zwanzig-Sekunden-Takt. 1977 begann ihr frecher Feldzug mit „Kentucky Fried Movie“ (als Drehbuchautoren), 1980 folgte „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“, wo sie bierernste Katastrophenfilme der Sorte „Airport“ (1970) überaus gelungen durch den Kakao zogen. Dieses Rezept erwies sich als erfolgreich genug, um das Drehbuch zu einer qualitativ mindestens ebenbürtigen Fortsetzung zu schreiben.
In der Folgezeit konnten die Herren ihre Hände nicht von Filmveräppelungen lassen; auch die Spionage-Abenteuer-Parodie „Top Secret“ (mit Omar Sharif) fand 1984 zahlreiche Komödienfans. Dazwischen allerdings leisteten sich ZAZ aus kommerzieller Sicht einen Ausrutscher, und der hieß „Police Squad“ (hierzulande „Die nackte Pistole“), eine irrwitzige TV-Comedyserie rund um Lieutnant Frank Drebin (Leslie Nielsen), die sich als fernsehuntauglich herausstellte und bereits nach sechs Folgen wieder eingestampft wurde. Doch die drei Herren ließen sich von diesem Flop nicht allzu lange beeindrucken und entschlossen sich - von ihren komödiantischen Fähigkeiten und denen von Nielsen vollauf überzeugt -, 1988 Drebin in Spielfilmform auf die amerikanischen Leinwände zu bringen. Folge: Der erwünschte Geldregen und bis heute zwei Fortsetzungen.
Und sie haben es sich verdient. „Die nackte Kanone“ ist natürlich nichts für Freunde subtilen Humors, aber Zuschauer, die die „Hirn-ausschalten“-Taktik anzugehen bereit sind, kommen ganz bestimmt auf ihre Kosten. So auch ich: Zwar kenne ich den Film und seine Gags aufgrund ständigen Wiederanschauens inzwischen fast in- und auswendig, aber der Unterhaltungswert ist wie eh und je gleich hoch. Auch weil der Film ja schon so herrlich knallig anfängt: Nordberg (O.J. Simpson), innerhalb der „Nackte Kanone“-Trilogie der Pechvogel vom Dienst, stößt der Undercover ermittelnde Cop auf einem Schiff auf eine Bande von Drogengangstern, die ihn sogleich mit Kugeln durchsieben. Doch anstatt tot zusammenzubrechen, stößt er sich - im Kugelhagel umhertaumelnd - erstmal den Kopf, verbrennt sich die Hand am Ofen, klemmt sich seine Finger, fällt mit dem Gesicht in eine Sahnetorte, tritt in eine Bärenfalle (!), um schließlich und endlich ins Wasser zu fallen - und zu überleben. Ein fulminanter Auftakt, der auf mehr hoffen läßt - und man sieht schon, auf welch verlorenem Posten die Logiksucher stehen, denn logisch ist hier rein gar nichts. Hier geht es lediglich darum, so viele Gags wie nur möglich in insgesamt 85 Minuten unterzubringen.
Nach den Mustern eines typischen Polizeikrimis entwickelt sich die Story weiter: Ausgerechnet an Frank Drebin liegt es, die Verantwortlichen für den Anschlag auf Nordberg ausfindig zu machen. Im Gegensatz zu einem Dirty Harry aber entpuppt sich dieser schnell als absoluter Volltrottel, der in wirklich jedes Fettnäpfchen stapft, das ihm vor die Füße kommt. Wie man einen Wagen richtig abstellt, hat er niemals gelernt, und daß er seine Hände besser 24 Stunden am Tag in seinen Hosentaschen behalten sollte, müßte er spätestens seit dem ersten (legendären!) Zusammentreffen mit Vincent Ludwig (Ricardo Montalban), der nicht nur Chef des Drogenrings ist, sondern auch das Attentat auf die Königin plant, wissen, als er es zuerst fertigbringt, einen eigentlich unkaputtbaren Kugelschreiber zu zerstören und sich danach noch mit einem äußerst seltenen (und stacheligen) Fisch anlegen muß, der vor seinem Tod Drebin zumindest noch eine blutige Nase verpassen darf. Ich denke, das Bild ist klar und deutlich: Drebin stiftet überall nur Unheil.
Ihm zur Seite steht Ludwigs schöne Assistentin Jane Spencer (Priscilla Presley, Ex-Frau des großen Elvis), die gleich bei ihrem ersten Auftritt Drebins angeborenem „Schusseltum“ in nichts nachsteht, beim Hinabsteigen einer Treppe ausrutscht und herunterfällt. Nicht viel später landen beide, jeweils von einem menschengroßen Kondom umhüllt, im Bett, und schließlich kann der Bulle mit Janes Hilfe den Fall lösen, auch wenn es bis dahin ein langer und beschwerlicher Weg ist. So verwandelt er Ludwigs äußerst luxuriös ausgestattete Wohnung bei der Suche nach dem entscheidenden Beweis in Schutt und Asche, und auch die Queen muß sich warm anziehen: Drebin rettet ihr - von allen Gästen unbemerkt - das Leben, indem er sich auf einem Bankett auf sie stürzt, mit ihr eine lange, gedeckte Tafel entlangrutscht und von Medienvertretern in dieser sehr verfänglichen Situation abgelichtet wird.
Jeden Gag einzeln aufzuzählen wäre schier unmöglich und bringt auch nichts, weil eine schriftliche Wiedergabe den Irrsinn der Szenen nur unzureichend übermittelt. Während man auf der Suche nach den witzigsten Filmsprüchen die Dialoge aus dem „Das Leben des Brian“-Drehbuch der kultigen Monty-Python-Bande nahezu komplett zitieren könnte, so liegen die Stärken von „Die nackte Kanone“ hauptsächlich im visuellen Bereich. Dort spielen sich nämlich manchmal mehrere Szenen gleichzeitig ab: Im Vordergrund unterhält sich z.B. Drebin mit seinem treuen Vorgesetzten Ed Hocken (George Kennedy, kaum eine Rolle paßte in seiner Karriere besser zu ihm als diese) über belanglose Dinge, und im Hintergrund gehen andere sonderbare Dinge vor sich. Was ich damit sagen will: Mitunter können sich zwei, vielleicht sogar drei Gags gleichzeitig abspielen, die man bei einmaligem Sehen gar nicht alle sofort aufschnappen kann. Darum empfiehlt sich, „Die nackte Kanone“ mindestens zweimal anzuschauen, um möglichst alle mehr oder minder guten Witze unter einen Hut zu bekommen. Noch heute erlebe ich es hin und wieder, daß mir ein Gag auffällt, den ich zuvor noch nie bzw. unbewußt wahrgenommen habe.
Gegen Ende, etwa mit Beginn des denkwürdigen Baseballspiels, bei dem die Queen als Ehrengast durch einen der Spieler umgebracht werden soll, verliert der Film leider ein wenig an Pfiff. Freilich, einige echte Comedy-Höhepunkte werden noch aufgeboten (absolut erwähnenswert natürlich Drebins Auftritt, als er, als Opernsänger Enrico Palazzo verkleidet, die US-Nationalhymne vor vollen Rängen vortragen muß und sich dabei - so gut es geht - mit Stimmlage und Text gewaltig vertut), aber die Gagfülle nimmt sichtlich ab, was andererseits auch nicht verwundert, wenn man bedenkt, was die Autoren bis dato geleistet haben, und irgendwie mußten diese die Story ja zu einem Ende bringen. Das ändert aber eben nichts daran, daß die Qualität etwas nachläßt.
Dem Vergnügen tut dies jedoch keinen Abbruch, bis zur letzten Sekunde wird der Zuschauer prächtig unterhalten. Die Anzahl der Rohrkrepierer ist denkbar gering, und auch bei intensivem Nachdenken fallen mir keine weiteren zu bemäkelnden Punkte ein, die das insgesamt höchst positive Gesamtbild trüben.
Gesondert Erwähnung finden soll Hauptdarsteller Leslie Nielsen: Seine Darbietung als Frank Drebin vom L.A.-Police-Departement ist allererste Sahne, schlichtweg göttlich. Kein anderer hätte die Rolle so perfekt ausfüllen können wie Nielsen. Seine stärksten (und witzigsten) Momente hat er, wenn er mal wieder eine gröbere Dummheit angestellt hat und diese mit fast unbewegter, völlig ernster Miene zur Kenntnis nimmt. Mittlerweile mutierte er zum Inbegriff des tolpatschigenTrottel-Bullen. Schade, daß er in der Zwischenzeit keine guten Bücher mehr angeboten bekommt und sich in Streifen von humortechnisch arg bedenklichem Niveau die Ehre gibt (s. „Mr. Magoo“, „Die verrückte Kanone“ oder „2001 - A Space Travesty“).
Fazit: Schon fast ein Klassiker! Das ZAZ-Team pfeift auf anspruchsvollen Humor, sondern setzt weitestgehend auf platte Kalauer, die jedoch derart treffsicher plaziert sind, daß man, ganz besonders in größerer Runde vor dem Fernseher, aus dem Lachen gar nicht mehr herauskommt. Ein wahrer Frontalangriff aufs Nervensystem! Lachmuskelkater vor allem dank eines glänzend aufgelegten Leslie Nielsen sind garantiert!
GESAMT: 8/10