Review

Zumindest in seinen beiden Gialli erwies sich Maurizio Pradeaux als ein Regisseur, der Passendes und Unpassendes ständig miteinander vermengte, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Sein erster Genrebeitrag PASSA DI DANZA SU UNA LAMA DI RASOIO ist, meiner Meinung nach, ein Giallo wie nach dem Lehrbuch, sowohl was seine Stärken als auch was seine Schwächen betrifft. Während die Mordszenen beispielsweise spannend und düster inszeniert wurden, sind die völlig sinnfreien, für die Handlung irrelevanten Softsexszenen, die andauernd eingestreut werden, eine einzige Störung. Und in PASSI DI MORTE PERDUTI NEL BUIO geht Pradeaux sogar noch einen Schritt weiter, vereint er hier doch zwei Genres, die auf den ersten Blick nicht wirken, als ob man sie erfolgreich unter einen Hut bringen könne: klassischen Giallo und überdrehte Komödie.

Humoreske Einlagen sind im Giallo natürlich keine Seltenheit, doch beschränken sie sich sonst eigentlich auf vereinzelte Szenen, in denen schräge Charaktere auftreten oder irgendwelche Absurditäten passieren, die allerdings kaum etwas mit der eigentlichen Handlung zu tun haben. In PASSI DI MORTE PERDUTI NEL BUIO ist der Klamauk allerdings ein wesentlicher Bestandteil des Films und die schrägen Charaktere sind die Hauptprotagonisten. Dabei fängt alles noch recht ernst an. Eine subjektive Kamera schleicht durch einen Zug und kappt ein paar Leitungen, die dafür sorgen, dass sich das Licht automatisch einschaltet, wenn man einen Tunnel passiert, und natürlich sind es schwarze Lederhandschuhe, die die Drähte zerschneiden. In einem Abteil sitzen mehrere Personen dicht gedrängt beisammen, darunter eine nervös wirkende Frau, die aufgeregt mit der Perlenkette um ihren Hals spielt. Als sie aufsteht und das Abteil verlassen will, zerreißt ihre Kette und die Perlen hüpfen über den Boden. Sofort beugen sich sämtliche männliche Gäste nach vorne, um ihr beim Aufsammeln zu helfen. Zufällig gerät der Zug gerade jetzt in einen Tunnel. Tiefste Schwärze breitete sich aus und als sie sich lichtet, ist die Frau nicht mehr am Leben: ein Brieföffner steckt in ihrer Brust. Der gehört Luciano, einem der übrigen Fahrgäste, einem Italiener, der sich zusammen mit seiner Verlobten auf dem Weg nach Griechenland befindet, und aufgrund der Tatsache, dass die Mordwaffe sein Eigentum ist, sofort unter Verdacht gerät, der Täter zu sein. Zwar verhaftet ihn die griechische Polizei nicht sofort, nimmt ihm jedoch den Pass ab, und verbietet ihm die Abreise bis der Fall geklärt sei. Klar ist für den ermittelnden Inspektor, dass eine der Personen, die sich im Abteil befanden, der Mörder sein muss, und ebenso, dass nur der Täter die Lichtkabel sabotiert haben kann. In einer Tageszeitung erscheint ein Artikel über den Mord, darunter Photos aller Verdächtiger abgedruckt, was einen bärtigen Griechen daran erinnert, dass er an jenem Tag, als er mit dem selben Zug fuhr, eine interessante Beobachtung machte, die ihn wissen zu lassen glaubt, wer für den Defekt der ausgefallenen Beleuchtung verantwortlich sein muss. Statt mit seinem Wissen die Polizei zu behelligen setzt er mit seiner Geliebten, einem Model, ein Erpressungsschreiben auf, das er dem Mörder, dessen Identität natürlich vorbehalten bleibt, zukommen lässt, ihm jedoch schlussendlich schlecht bekommt, denn bei der Geldübergabe wird er selbst ein Opfer des Unbekannten. Auch seiner Freundin, die sein Werk fortführen und sich ebenfalls als Erpresserin versuchen will, bekommt es schlecht, sich mit dem Mörder anzulegen. Inzwischen verdichten sich die Beweise gegen Luciano, der sich in einer Hütte vor der Polizei versteckt, und von seiner Verlobten mit Nahrung und Informationen versorgt wird. Alsbald beschließt er, auf eigene Faust seine Unschuld zu beweisen. Gemeinsam mit einem Bekannten, der Kontakte in die griechische Unterwelt hat, will er die Identität des Mörders lüften… 

Das alles hört sich natürlich nicht besonders witzig an. Tatsächlich ist die Krimihandlung des Films äußerst konventionell. Wie schon bei PASSA DI DANZA SU UNA LAMA DI RASOIO wirkt es, als habe Pradeaux sämtliche Ingredienzien eines Giallos anhand einer Checkliste abgearbeitet. Der Killer trägt freilich schwarze Handschuhe, einen schwarzen Mantel und einen schwarzen Hut, und oft wird bei seinen Mordtaten mittels subjektiver Kamera seine Sicht eingenommen. Interessant finde ich, dass die Opfer in PASSI DI MORTE PERDUTI NEL BUIO allesamt fast exakt auf dieselbe Art und Weise sterben wie in Pradeaux erstem Giallo. Während der Killer in PASSA DI DANZA SU UNA LAMA DI RASOIO mit Spazierstock und Rasiermesser tötete, einmal auch mit einem Kissen, beschränkt er sich hier fast ausschließlich auf ein Rasiermesser, und dennoch ähneln sich die Morde frappierend. So wie hier wird einer Frau mit dem Rasiermesser der Bauch geöffnet, und auch Kehlenschnitte kommen in beiden Filmen gleichermaßen vor. Die Morde sind dabei recht explizit, zwar keine Blutorgien, doch angemessen hart und brutal. Im Mittelpunkt des Films steht, wie so oft, eine private Person, die unbeteiligt in die Sache hineinschlittert, hier Luciano, dessen Ziel es ist, von dem Verdacht freigesprochen zu werden, der Mörder zu sein. Wendungen gibt es einige und die wenigstens sind logisch. Und was die Auflösung betrifft, so ist sie zwar ziemlich haarsträubend, doch nicht unbedingt besser oder schlechter als viele andere Erklärungen, die das Genre sonst zu bieten hat.
Bis hierher könnte PASSI DI MORTE PERDUTI NEL BUIO ein recht durchschnittlicher Giallo sein, ähnlich wie Pradeaux Genreerstling, womit wir bei dem wären, was ihn doch vom Durchschnitt abhebt.
Zu Beginn eher spärlich, doch dann immer häufiger schleichen sich komische Szenen in den Film ein, was etwa in der Mitte darin gipfelt, dass er fortan beinahe als reine Komödie funktioniert. Überraschend ist, dass der Humor dabei nicht mal ein schlechter ist, und meilenweit von dem entfernt, den man aus einschlägigen Klamaukkomödien der damaligen Zeit kennt. Nur ein einziges Mal verhebt sich der Film und wird schlichtweg lächerlich, wenn Luciano, auf der Flucht vor der Polizei, sich unbedingt als Hafenprostituierte verkleiden muss. Glücklicherweise bleibt das der einzige Fauxpas. Der restliche Humor wird nicht aus Sexwitzchen oder blöden Sprüchen gewonnen, sondern eher aus den Charakteren selbst entwickelt. Lucianos Verlobte ist mehr als naiv, er selbst ständig von ihr genervt, sein Freund aus der Unterwelt ein gerissener Kleinganove, der ständig darum bestrebt ist, die Leute, mit denen er zu tun hat, auszunehmen, und das Mädchen, das sich später zu dem Trio gesellt, die Tochter einer weiteren Unterweltgröße, die jedoch völlig unerfahren in kriminellen Betätigungen ist. Ich hätte es nicht erwartet, doch vor allem in seinem Finale, wenn diese vier Personen in eine verlassene Villa einsteigen, läuft der Film zur Höchstform auf und hat mich außerordentlich amüsiert, trotz oder gerade weil hier Pradeaux’ Mix von Unpassendem und Passendem kulminiert. Während Luciano, die beiden Mädchen und sein Freund versuchen in die Villa einzudringen und dabei jeden möglichen Fehler begehen, der sich begehen lässt, befindet sich der Killer bereits im Innern und macht sich über den Villenbesitzer her. Und so hat man die Gelegenheit, einen typischen Giallo-Mord zu bestaunen, der umgeben von humorigen Szenen ist.
Neben dem teilweise ziemlich wirren Humor haben mir sämtliche Szenen, in denen der Killer auftritt, nicht schlecht gefallen. Wenn ein Frauenhals unter Wasser zerschnitten wird, oder eine Szene in einem verlassenen Haus spielt, liegt das Ganze sogar über dem Durchschnitt, und ist nicht nur solide, sondern virtuos inszeniert. Auch eine längere Szene, in der seine Verlobte Luciano in seiner Hütte besucht, fand ich recht komisch. Überhaupt macht PASSI DI MORTE PERDUTI NEL BUIO einen wesentlich homogeneren Eindruck als PASSA DI DANZA SU UNA LAMA DI RASOIO, andererseits hat letzterer jedoch ein wesentlich genialeres Finale als der vorliegende Film. Sicher, PASSI DI MORTE PERDUTI NEL BUIO ist keiner der besten Gialli und bietet auch einige eher uninteressante Passagen, nichtsdestotrotz finde ich das Ergebnis des Versuches, dem Ende der 70er schon staubig werdenden Genre etwas Leben in Form von Humor einzuhauchen, nicht wirklich misslungen. 

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