Review

Gesamtbesprechung

Eine Sitcom in einem Krankenhaus, die auch schwerere Themen wie Tod nicht ausblendet? Kein einfacher Pitch, gerade wenn man bedenkt, dass „Scrubs“ zu einem Zeitpunkt startete, als der ganz große Run des neuen amerikanischen Quality TV noch nicht begonnen hatte.
Doch die Serie, die sich hauptsächlich um den jungen Arzt John Dorian (Zach Braff), genannt J.D., dreht wurde zum Dauerbrenner mit neun Staffeln und fast 200 Folgen. Meist sieht man die Folgen durch die Augen von J.D., dessen Voice Over und verträumte Off-Kommentaren einen führen, während absurde Tagträume bildlich umgesetzt werden. Gelegentlich erlebt man auch die Perspektive anderer Figuren, in der letzten Staffel, in der man eine Art Neustart versuchte, beispielsweise die der jungen Nachwuchsärztin Lucy Bennett (Kerry Bishé), die als eine Art weiblicher J.D. ihre Ausbildung beginnt.
Das Stammpersonal besteht allerdings neben J.D. aus seinem besten Kumpel, dem Chirurgen Christopher Turk (Donald Faison), seiner Freundin, der Krankenschwester Carla Espinosa (Judy Reyes), J.D.s tollpatschiger Kollegin Elliot Reid (Sarah Chalke), die ständig zwischen guter Freundin und Love Interest changiert, J.D.s selbstausgesuchtem Mentor, dem zynischen, aber letztendlich gutherzigen Perry Cox (John C. McGinley), dessen biestiger Ex-Frau Jordan Sullivan (Christa Miller), dem kaltherzigen Klinikchef Bob Kelso (Ken Jenkins) und dem Hausmeister (Neil Flynn), sowie einer Handvoll wichtiger Nebenfiguren, darunter der prollige Chirurg Todd Quinlan (Robert Maschio) und der nervöse Krankenhausanwalt Ted Buckland (Sam Lloyd).

Das Personal zeichnet sich durch seine Spleens aus, seien es Elliots Prüderie, J.D.s Tagträume oder Perrys Tick J.D. mit Mädchennamen anzusprechen („Today I decided to go with popstars – Britney!“) und ihm auch sonst alle Männlichkeit abzusprechen. Der große Verdienst von „Scrubs“ ist allerdings der, die ganzen Running Gags nicht zum öden Selbstläufer verkommen zu lassen, sondern diese pointiert in ein einfallsreiches Gesamtkonstrukt einzubauen. Auch wenn sich manche Handlungsmuster wiederholen mögen, so fallen die meisten Folgen jedoch durch frische Pointen auf, die mit den Running Gags vermengt werden, während die Serie in ihrer quirligen Art auch mal erfrischende Experimente wagt, etwa eine Folge als Musical erzählt, eine andere als Sitcom klassischer Art mit Publikum und Aufnahmen von vier Simultankameras oder eine weitere aus der Sicht von drei Nebenfiguren erzählt, die sonst kaum zu Wort zu kommen. Perspektivwechsel werden auch in den Folgentiteln angezeigt: Die, welche J.D. erzählt, beginnen mit „My“, die aus anderer Sicht mit einem anderen Personalpronomen.
Gleichzeitig blendet „Scrubs“ die negativen Aspekte des Arzt-Daseins nie aus, behandelt Themen wie Tod und schwere Krankheit mit gebührendem Respekt und angenehm kitschfrei. Gerade der Wechsel zwischen urkomisch und todtraurig gelingt einigen Folgen mit bewundernswertem Elan, ohne dramaturgische Brüche. Wie bei einer klassischen Arztserie verliert auch das Personal in „Scrubs“ Patienten, wobei die Serie diese Szenen nicht bloß als Tearjerker ausschlachtet, sondern auch für die Weiterentwicklung der Charaktere nutzt, den Einfluss auf deren Leben zeigt. Eine der beeindruckendsten Folgen in der Hinsicht ist sicherlich „My Screwup“ aus der dritten Staffel.

Vor diesem Hintergrund erzählt „Scrubs“ die Lebensgeschichte der Hauptfiguren, die sich weiter entwickeln, beruflich vorankommen, Lebenspartner finden und teilweise auch wieder verlieren – gerade J.D.s Beziehungsleben ist von einem Auf und Ab gezeichnet, bei dem er immer wieder hübsche Frauen trifft, mit denen es mal mehr, mal weniger gut läuft. Man muss zugeben, dass „Scrubs“ gegen Ende Ermüdungserscheinungen zeigt, weshalb die Einstellung der Serie zum richtigen Zeitpunkt kam – J.D.s Geschichte und die der anderen Hauptfiguren war auserzählt. Die oft gehasste neunte Staffel hat insofern eigentlich einen nicht so verkehrten Ansatz gewählt, in dem sie neue Figuren einbringt; allerdings kann sie sich nicht so ganz von den alten Regulars lösen, weshalb J.D., Turk und Co. immer wieder größere Rollen in den Folgen spielen, womit die neunte Staffel leider nichts als Halbes und nichts Ganzes ist.
Auch wenn es ein Fehler ist, das Scheitern der neunten Staffel der inhaltlichen Neuausrichtung anzudichten (auch in den vorigen Staffel mit reinem Stammpersonal zeigten sich leichte Ermüdungserscheinungen), so machen die Hauptdarsteller sicher einen großen Reiz der Serie aus. Zach Braff als verträumter J.D., Donald Faison als vorlauter Turk, Sarah Chalke als tapsige Elliot und Judy Reyes als resolute Carla sind schon ein famoses Quartett, während John McGinley als Chefzyniker natürlich den besten Part abbekommen hat, diesen aber so famos spielt, dass er das darstellerische Highlight der Serie ist. Ähnlich grandios sind Ken Jenkins, Neil Flynn, Christa Miller sowie als Robert Maschio in seiner herrlichen beschränkten Darstellung des Todd. Hinzu kommen diverse Gaststars, darunter Michael J. Fox, Tara Reid, Brendan Fraser, Heather Graham und Elizabeth Banks, in dankbaren wiederkehrenden Nebenrollen.

Da sieht man gerne über die Schwächen in den letzten Staffeln hinweg, denn es ist schon eine Leistung über neun Seasons hinweg so pointiert und gleichzeitig so reflektiert Comedy mit einem ernsteren, düsteren Seite zu machen. Das schaffen nicht viele Sitcoms.

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