Review

Strippen für Mao


Augen zu und durch: "Die Träumer" mag schon sehr irritieren wirft heterosexueller Mann einen (allzu) germanozentrischen Blick auf diese (vermeintlichen) 68er-Reminiszenzen.
Und gerade im deutschsprachigen Raum wurde über diesen Film naturgemäß auch (wieder) viel Unsinn geschrieben: erstmal ist es kaum ein autobiografisches Elaborat Bertoluccis da dieser kaum ein 68er gewesen ist. Zumindest kein Waschechter - dafür ist er zu der Zeit einfach auch schon zu alt gewesen und hat noch dazu bereits einigermaßen etabliert im europäischen Filmkulturbetrieb/geschäft gearbeitet.
Historischer Ausgangspunkt des Films ist dabei auch nicht der Mai in Paris sondern die (versuchte) Absetzung Langlois bei der Cinémathèque francaise ein paar Monate davor. Noch im Winter: um diese Affäre schlägt sich dann auch bald die sexuelle Dreiecksbeziehung um junge Leute, sowie die angesprochenen Irritationen nehmen ihren Lauf.
Sicher war die Chiffre in Paris grundsätzlich eine Andere als etwa in Frankfurt, doch nähert sich der Film so durchaus auch noch irritierenderen Wesenheiten an - wenn in diese Zeit im angloamerikanischen Raum etwa auch eine verspätete positive Tolkien-Rezeption fällt, wo Tolkien gerade in Deutschland eine gegensätzliche Difamierung als faschistoid erfahren hat. Bilder- und Romantikfeindlichkeit. Verkehrte Welt.
Und darüber hat auch kein Cees Nooteboom wohl mal je was geschrieben gehabt.
Wo 68 aus meiner Sicht in zunehmendem Maße für sowohl lust- als auch spaßbefreite Antiamerikanismen steht, geradewegs eine neue Form der Zucht und Ordnung um Sicherheit und Gesundheit, entwirft Bertoluccis Film nämlich fast schon einen Gegenentwurf dazu. Eine sexualfeindliche "Frauen"bewegung scheint da wahrhaftig auch viel zerstört zu haben an Vertrauen und Zuversicht. Mit der Tätigkeit zu "träumen" vermag ich seitdem dazu politisch auch kaum etwas mehr in Verbindung zu bringen: in der Einbildung Welt zu verbessern ginge es eigentlich ja eher sogar nicht darum. Ein Wissen um Godards haltlose Hollywood-Beschimpfungen trägt sein Übriges dazu bei.
Für einen Gegenentwurf in dem so bald mal etwas "unnötig" erscheint und als "voyeuristische Altherrenfantasie" gilt, wenn das Konzept einer Unanständiggkeit oder Obszönität mit der Zeit bloß mit solchen angeblichen Krankheiten ausgetauscht worden ist. Durch und durch verlogen. Komisch auch, dass ich persönlich mich dazu bereits mit Mitte 20 als dirty old man wahrgenommen habe.
Einfach Freude am Kino zu haben ist auch nicht unbedingt etwas das ich demnach mit der Zeit und ihren Lebensumständen verbinden würde, sondern eher verbissene Agitationen gegen angebliche Wirklichkeiten - was den Film für Manche in seiner inneren Politik wohl vor allem so provokativ unpolitisch macht. Für mich jedoch nur umso befreiender, denn wenn wie hier drei Proto-Geeks antanzen kann/sollte eigentlich jeder Mensch noch etwas dazulernen (können). Hoffentlich

Rating 10

Details
Ähnliche Filme