Review

„The Dreamers“ ist ein Film für Filmfans. Durchschnittsseher werden nur merkwürdig die Stirn runzeln und sich fragen, was das alles soll. Und spätestens dann abschalten, wenn der Film expliziter wird.


Der Amerikaner Matthew (Michael Pitt) kommt 1968 nach Paris. Schon jetzt gibt es einige Unruhen im Land, besonders unter den Studenten. Höhepunkt für Matthew ist die berühmte Cinematheque, ein palastartiges Kino.
Bei einer Demonstration trifft Matthew die Geschwister Theo (Louis Garrel) und Isabelle (Eva Green). Matthew ist besonders beeindruckt von Isabelle und freundet sich mit den beiden an. Am nächsten Tag wird er schon zum Abendessen eingeladen. Er lernt auch die Eltern von Theo und Isabelle kennen, die am nächsten Morgen aber schon weg müssen. Matthew bekommt das Angebot, dort zu übernachten und besser als seine Studentenbude ist es sowieso. Matthew zieht bei den beiden ein. Man redet über die gleiche Leidenschaft, Filme. Alle drei sind fanatische Filmfans, es werden Szenen nachgespielt usw. Langsam merkt Matthew aber, dass das Verhältnis von Theo und Isabelle nicht so ist, wie das gewöhnlicher Geschwister. Matthew hat sich aber schon in Isabelle verliebt, so dass er immer weiter abrutscht und sich von den beiden nicht mehr lösen kann...


„The Dreamers“ zu klassifizieren ist nicht ganz einfach. Der bekannte Regisseur Bernardo Bertolucci fügt diverse Themenkreise zusammen, ohne jedoch wirklich auf den berühmten Punkt zu kommen. Zunächst ist der Film aber ein Genuss für den echten Filmfan, anders kann man die Anfänge im Film nicht beschreiben. Bertolucci fügt immer mal wieder berühmte Filmszenen in den Film ein, die bewusst zu den Protagonisten passen und sie fast in der gleichen Situation darstellen. Dabei sind alle Gattungen vertreten, selbst Tod Brownings „Freaks“ wird zitiert, nämlich dann, wenn Theo und Isabelle der Meinung sind, Matthew ist würdig genug, aufgenommen zu werden („We except her we except her...“).
Optisch ist der Film ein Genuss und die drei Darsteller machen ihre Sache exzellent. Der Zuschauer muss sich auch nur auf diese drei fixieren. Der Rest der Darsteller sind praktisch unwichtig, höchstens die Eltern sollte man nicht aus den Augen lassen, auch hier wird uns noch eine Überraschung geboten. Trotzdem fixiert sich der Film auf Matthew, Theo und Isabelle, die in ihrer eigenen Traumwelt leben, während draußen die Stimmung bald überkocht.
Neben dem Thema Film sind auch die Aufstände ein Thema im damaligen Frankreich. Aber auch dieses Thema wird zu knapp und zu durcheinander dem Zuschauer aufgetischt. Am Anfang ein wenig, am Ende ein wenig, mehr eigentlich nicht. So bleibt doch noch eigentlich Platz für einen weiteren Themenkreis. Richtig, dieses merkwürdige, vielleicht sogar inzestuöses Verhältnis von Theo und Isabelle.
Schon vorher fällt dem Zuschauer, aber auch Matthew selber auf, dass die beiden nicht so ganz koscher sind. Neben noch relativ harmlosen Szenen (welche allerdings schon unnormal für normale Geschwister sind) wird der Film auch um einiges expliziter, was ihn teilweise schon in die Pornographieecke brachte. So schlimm ist es dann letztendlich doch nicht, trotzdem gibt es genug Szenen, die so manchen Zuschauer doch arg vor den Kopf stoßen werden. Die Szenen, wenn Isabelle und Matthew eine Wette gegen Theo verlieren, ist auch für mich relativ kontrovers und provozierend.

Dennoch muss man den Darstellern das Lob aussprechen, was ihnen gebührt. Alle drei sind wirklich hervorragend und durften, sagen wir es mal so, vor Nacktszenen keine Angst haben. Besonders Newcomerin Eva Green, demnächst neues Bondgirl, spielt exzellent und extrem freizügig.
Leider hat so ein Film nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen. Natürlich ist der Film optisch brillant, für jeden Filmfan ein Genuss. Dennoch hat man das Gefühl, dass Regisseur Bertolucci ein wenig zu viel in den Film gepackt hat und sich scheinbar nicht entscheiden konnte, was er schlussendlich nun will. Eine Hommage an den Film? Die Aufstände in Frankreich oder doch einen kleinen Skandal erzeugen. Dies wird nicht wirklich klar und wie man es sich schon denken kann, der Film bietet ein offenes Ende. Zum Teil kann man sich denken, was passiert und wer der eigentliche Verlierer ist (dies sollte aber dem Filmfan schon relativ früh auffallen), dennoch gibt es auch einige Szenen, für die man leider keine Erklärung bekommt. Das Verhalten der Eltern z.B. ist doch relativ merkwürdig, aber vielleicht wissen sie mehr als der Zuschauer.


Fazit: „The Dreamers“ ist ein toller Film, der es aber leider nicht schafft, sich mal „zu entscheiden“, was er nun wirklich will. Die drei großen Themen passen nicht so recht zueinander und werden auch relativ unmotiviert zusammengeklatscht. Dennoch überwiegt hier das positive. Die Darsteller sind wirklich überzeugend, leicht war die Aufgabe sicherlich nicht. Gewisse, kleine Skandalszenen gibt es auch, die hier zwar nicht den Aufschrei wie in den USA erreichen, aber dennoch nicht minder provokant sind. „The Dreamers“ ist ein anspruchsvoller Film für eingefleischte Filmfans, die sich sowohl inhaltlich als auch optisch mit einem Film anfreunden können. Durchschnittsseher werden diesem Film nichts, aber auch gar nichts abgewinnen könne, dafür ist er einfach zu speziell für ein gewisses Publikum zugeschnitten und in einzelnen Szenen einfach zu drastisch. Filmfans, die auch mal über den Rand des gewohnten Einheitsbreis schauen, werden sicherlich gefallen an diesem Werk finden.

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