Und wieder ein Film aus der Rubrik „unterschätzte TV Filme“. Der Titel „Citizen X“ fällt wohl eher selten wenn es darum geht, die besten Serienkiller Thriller der 90er Jahre aufzuzählen. Da liegen dann doch zumeist „Das Schweigen der Lämmer“ und „Sieben“ ganz vorne. Schade eigentlich, denn im Gegensatz zu den auf reine Spannung und Thrill entworfenen Kinoproduktionen gelingt es bei „Citizen X“, der auf einer wahren Begebenheit basiert, durch die Charakterzeichnung Spannung pur zu erzeugen.
Dabei begeht der Film, wie man meine sollte, einen der wohl größten Kardinalsfehler im Genre. Bereits nach gut einer halben Stunde weiß der Zuschauer wer der Täter ist, und doch verliert der Film dadurch nichts an Spannung, kann diese sogar immer weiter aufbauen. Hauptsächlich gelingt das wohl, weil es hier weniger um die Identität des Täters als viel mehr um die Analyse des Jägers und damit verbunden die Analyse eines politischen Systems geht.
Der Film spielt in Russland zu Beginn der 80er Jahre. In einem Waldstück werden die Leichen von 7 Mädchen und Jungen gefunden. Für den Pathologen Lt. Viktor Burakov (Stephen Rea, „Crying Game“) steht fest das man es hier mit dem ersten Serienkiller der Sowjetunion zu tun hat. Doch von seinen Vorgesetzten wird diese Theorie abgelehnt - Serienkiller seien ein Problem der westlichen Konsumgesellschaft und nicht ein Problem des Sozialismus. In den Jahren danach werden immer wieder Leichen gefunden, 51 werden es letztlich sein, doch Burakov, der mittlerweile zum Leiter der Sonderkommission geworden ist, werden von Seiten der Staatsmacht immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen. Da wird die Jagd nach dem Täter schon mal benutzt um Homosexuelle aufzuspüren und zu verhaften und ähnliches. Erst als der Kommunismus zerbricht, gelingt es Burakov seine Methoden anzuwenden und er kann letztlich den Mann fassen der die Jungen und Mädchen auf dem Gewissen hat. Dabei stellt sich dann auch heraus, das der Mann bereits vor Jahren im Kreis der Verdächtigen war, aber auf Grund eines Fehlers bei einer Blutuntersuchung wieder laufen gelassen wurde.
Regisseur Chris Gerolmo gelingt es den Film gekonnt zwischen Thriller, Charakterstudie und Geschichtsstunde pendeln zu lassen. Die Spannung lässt dabei nie nach, steigert sich zum Ende hin immer mehr und wird dann schließlich in einem emotionalen Finale endlich gelockert. Bis es aber soweit ist, schafft Gerolmo ein Bild eines Polizisten, der nichts weiter möchte, als das Morden zu stoppen, dabei immer wieder in seine Schranken gewiesen wird und sich der Macht des Staates unterwerfen muss. Auch als er in dem Oberst Mikhail Fetisov (Donald Sutherland) einen Verbündeten findet, ändert sich nichts an der Methode - der Staat versucht zu vertuschen, was nicht sein darf. Es ist ein düsteres Bild das hier gemalt wird, dabei kritisiert der Film zwar klar die Struktur und Machtverteilung innerhalb der Sowjetunion, tut dies aber nicht auf plumpe und überhebliche Art und Weise wie es oft in US-Filmen der Fall ist. Es ist auch nicht das Ziel des Films, diese Politik an den Pranger zu stellen; viel mehr ist es ein Bild eines Mannes, der in seinem Beruf aufgeht; der sich einer Aufgabe verschrieben hat, von der er weiß das er an ihr zerbrechen kann. Trotzdem gibt er nicht auf, auch nicht, als er selbst ins Visier der Obrigkeit gerät.
Es ist neben dem exzellenten Drehbuch insbesondere Stephen Rea zu verdanken, das der Film einen gefangen nimmt und fesselt. Er verleiht der Figur des Burakov etwas zu tief menschliches und legt die Rolle gekonnt als zerrissene Person an. Zum einen der Glaube an das System, auf der anderen Seite aber immer wieder die Enttäuschung durch eben dieses. Man leidet mit ihm, wenn Burakov erkennen muss, das das System auch wichtiger ist als der Tod unschuldiger Kinder. Neben Rea überzeugt auch einmal mehr Donald Sutherland, der hier zwar nicht zur absoluten Topform aufläuft, aber dafür ist seine Rolle - und das ist einer der weniger Kritikpunkte - dann auch etwas zu eindimensional. Jeffrey DeMunn als Massenmörder, der privat ein treusorgender Ehemann und Vater ist, spielt hingegen absolut überzeugend und verkörpert en latenten Wahnsinn zumeist nur durch Blicke und kleine Gesten. Dazu kommt noch Max von Sydow als Psychiater, der ebenfalls einmal mehr überzeugen kann.
„Citizen X“ hätte, ohne Zweifel, die Auswertung auf der großen Leinwand verdient gehabt. Sowohl was Kameraarbeit, Schnitt, Ausstattung, Darsteller und Sets angeht steht er einer Kinoproduktion in absolut nichts nach und bietet zu dem eine Story die der, der meisten Serienkiller-Filme die es ins Kino geschafft haben, haushoch überlegen ist. Der Film zeichnet das Psychogramm eines Mannes der besessen ist von seiner Aufgabe, vergisst dabei aber auch nicht, den Mörder zu charakterisieren, zeigt ihn nicht nur als das absolute Böse, als den gewissenlosen Schlächter. Dafür gebührt dem Film ein großes Lob. Für mich einer der besten Filme aus diesem Thriller Subgenre und ich kann jedem nur raten sich diesen Film anzusehen, es lohnt sich.
8 von 10 Punkten.