Dänemark macht dicht. Der Meeresspiegel ist so weit angestiegen, dass sich die Regierung entscheiden musste, ob sie weiter in Dämme investiert – oder in eine Umsiedelung. Nachdem die Niederlande sich beim Versuch der Schadensbegrenzung bereits in den ökonomischen Ruin gestürzt hatte, ist die einzig sinnvolle Lösung eine komplette Entvölkerung als strategisch konzertierte Aktion über mehrere Monate. Was es für Europa bedeutet, wenn rund sechs Millionen Flüchtlinge in so kurzer Zeit auf die einzelnen Länder verteilt werden, zeigt diese Serie. Und sie zeigt auch, was es bedeutet, aus dem ganz selbstverständlichen Wohlstand mit allen Freiheiten plötzlich als mittelloser Bittsteller in einem fremden Land leben zu müssen, dessen Sprache man nicht beherrscht und in dem man lediglich geduldet wird, manchmal nicht mal das.
FAMILIES LIKE OURS zeigt all dies nicht im globalen, reißerischen Stil einer Hollywood-Dramatisierung, sondern anhand einer einfachen dänischen Patchworkfamilie aus dem Bildungsbürgertum. Das ist nicht spektakulär, aber höchst effektiv.
Regisseur Thomas Vinterberg, Mitbegründer der dänischen Dogma-Bewegung (DAS FEST) und mit seinen jüngsten Filmen seit einigen Jahren wieder in der Diskussion (DIE JAGD, DER RAUSCH), hat mit FAMILIES LIKE OURS eine der zeitgemäßesten und realistischsten „Science Fiction“-Serien der Jetztzeit gemacht. Ähnlich wie Alex Garlands CIVIL WAR zeigt Vinterberg Situationen, die wir alle aus den Medien kennen, jedoch mit veränderten Vorzeichen. Dass kein Krieg und keine plötzliche Katastrophe den Ausschlag für die Massenmigration geben, sondern eine noch unsichtbare, aber unaufhaltsame existenzielle Bedrohung, ist einerseits ein mehr als vorstellbares Klimakrisenszenario, andererseits zeigt es jedoch auch, dass der Grund für eine Vertreibung aus der Heimat letztlich beliebig ist – Geflüchtete verdienen Mitgefühl und Unterstützung, weil sie sich ihre Situation nicht ausgesucht haben.
Ganz kritiklos lassen sich die sieben knapp einstündigen Episoden von FAMILIES LIKE OURS nicht ansehen: Die Serie übertreibt manche Entwicklung etwas, ein fataler Unfall erscheint sehr konstruiert und die dramatische Zuspitzung des Haupthandlungsstrangs basiert auf einer einzigen riesigen Unüberlegtheit einer der Hauptfiguren, wodurch diese jede Menge Sympathie beim Zuschauer einbüßt.
Doch was der Serie gelingt, ist, spürbar zu machen, was es heißt, vertrieben zu werden, Behörden und Bürokratie ausgeliefert zu sein, zwischen Familie und Liebe wählen zu müssen, sein bisheriges Leben, seine Heimat und womöglich auch irgendwann seine Sprache zu verlieren. Das ist bisweilen erschütternd und wirkt noch lange nach.
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