Was für eine perfekte Backstory für einen Giallo: eine alte Legende besagt, daß es einmal zwei Schwestern gab, genannt die rote und die schwarze Königin. Die Schwarze ermordete ihre Schwester, doch die kehrte von den Toten zurück und mordete siebenfach unschuldige Menschen, bis sie ihre Rache an der Schwester vollzog.
Mit so einer Grundlage kann einfach nichts schiefgehen, auch wenn der Plot damit schon fast vollzogen ist, doch leider ist Emilio Miraglias ("Die Grotte der vergessenen Leichen") letzte Regiearbeit ein unebenes Kuddelmuddel geworden, das nie das halten kann, was der Titel oder eine Inhaltsangabe versprechen können.
Das fängt schon bei der Produktionsgeschichte an: eine deutsche Co-Produktion mit einer Story, die in Deutschland spielt, in Deutschland gedreht wurde und deren Figuren auch noch deutsche Namen tragen, auch wenn ein Großteil der Darsteller aus "bella italia" stammt. Doch das Werk, das offenbar auf den heimischen Markt abzielte, gelang, obwohl synchronisiert, hier niemals in den Verleih, stattdessen versteckte man es im Archiv und brachte es später verschämt auf VHS hinaus.
Irgendwer muß sich die Filme wohl doch vor einer Kinoauswertung noch anschauen...
...und sie dann gepflegt zerschnippeln.
Wie man anhand der hilfreichen "Eyecatcher"-DVD feststellen kann, zersäbelten die deutschen Verleiher das ohnehin nicht sattelfeste Werk noch ganz fröhlich, kappten den kompletten Prolog mit der Märchenlegende, die den noch kindlichen Protagonistinnen verklickert wird (passenderweise von Großvater Rudolf Schündler, der in Deutschland hauptsächlich aus den Pauker- und Tante-Trude-Filmen bekannt blieb) und stückelten auch sonst einige Mordszenen und Dialogpassagen aus dem Thriller heraus. Was blieb, war ein Rudiment von einem Thriller, der sich nie entscheiden kann, ob er nun etwas spannend sein soll oder in erster Linie freizügige Mädels eines Modehauses in Szene setzen soll.
Die größte Schwäche in Miraglias Werk ist das Fehlen jeglichen Hauptdarstellers, vielmehr mäandert der Film unentschieden zwischen den Schwestern und einem Geschäftsführer hin- und her, wenn er nicht gerade Neben- und Kleinstrollen so lange ablichtet, bis sich eben deren Reihen lichten. Durch die kleinstädtische, aber deutlich erkennbar deutsche Szenerie huscht dann noch mit irrer Lache Rotkäppchen und meuchelt sich durch Models, Chefs und sinistre Gestalten (formschön zu Tode geschleift, nachdem in der Autotür eingeklemmt!).
Trotzdem kommt der Fall mit dem Charme einer Folge von "Der Kommissar" niemals richtig in Gang. Barbara Bouchet darf reihenweise große Augen machen, wenn ihr die Familienvergangenheit mal wieder aufs Dach steigt, Marina Malfatti hält ihr Charaktergesicht mal in die Kamera und Sybil Danning läßt auf ein paar Brustwarzen schließen, aber selbst eine halbgezeigte Vergewaltigung läßt hier den Puls nie rasen.
Fernsehspielhaft leiert man die Szenen und Nebenhandlungen durch und Miraglias zeigt sich nie als Herr der Lage, wenn man die Spannungskurve mal steigern sollte oder Atmosphäre aus der pittoresken Umgebung Süddeutschlands (Würzburg) gepreßt werden soll.
Blut gibt es zwar (manchmal), aber von der reizvollen Gestaltung einzelner Mordszenen oder bedrohlicher Tableaus ist nichts zu sehen, zu lustlos spult man hier die Familiengeschichte herunter, um schließlich in einem extrem unaufregenden Showdown zu stranden, in dem der Täter seine Hintergründe zur Verblüffung aller (inclusive bisher ausgesparter weiterer Rückblenden) erklärt und sich das Opfer im Keller gegen etwas steigendes Wasser und ein paar Ratten mittels des Filmschnitts und des Unvermögens der Retter wehren muß, bis es wie eine drittklassige Nachstellung eines Edgar-Wallace-Films ausschaut.
Putzig übrigens die extrem sachlich gefärbte englische Tonspur, die trotz aller Schwächen dem Rudiment von deutschem Ton mit all seinen Schnittstellen vorzuziehen ist. Der deutsche Ton lag wohl nur noch extrem beschädigt vor, setzt öfter mal aus oder geht extrem an die Hörgrenze, dazu brummt und schrammelt es nach Kräften.
Sicher gibt es schlimmere Filme und manche Sequenzen sind ganz solide, aber wirklich aufsehenerregend ist hier so gut wie nichts, nicht mal das Schmeißen roter Heringe funktioniert wirklich. Was Meister wie Bava oder Argento aus so einem Stoff gemacht hätten, man will es lieber nicht wissen, in der vorliegenden Form ist das Ergebnis vor allem eines: blaß in allen Bereichen. (3/10)