Review

Explodierende Köpfe sind bis heute ein schwieriges Thema, selbst in dem nicht gerade zimperlichen US-Kino. Da werden Kopfschüsse meist nur angedeutet. Quentin Tarantino machte sich bei seinem Meisterwerk „Pulp Fiction“ diese Tatsache zu nutze. Um andere ihm wichtige Szenen im Film zu behalten, drehte er einen sehr blutigen Kopfschuss und nahm bewusst in Kauf, dass die Zensoren an dieser Stelle aufheulten und einen Schnitt forderten. Tarantino kürzte diese Stelle nur zu gern, lenkte sie doch die Zensoren von den Szenen ab, die dem Meister wirklich am Herzen lagen und die dann letztendlich im Film verblieben sind. Wenn man sich das fertige Werk anschaut, fehlt diese Szene auch nicht wirklich. Tarantino konnte das Publikum wesentlich mehr dadurch fesseln, dass er diesen versehentlichen Kopfschuss nur andeutete und zwei der Protagonisten die Sauerei sauber machen und vor allem kommentieren ließ.

Um so erstaunlicher ist es, dass „Scanners“ aus dem Jahre 1981 äußerst explizit mit diesem „Stilmittel“ umgeht. Sie ist sogar essentieller Bestandteil der Story. Allerdings hat man es trotzdem nicht mit einer „Splattergranate“ oder ähnlichem zu tun. „Scanners“ ist vielmehr ein verstörender (zumindest zur Zeit der Uraufführung) Science Fiction-Film, der mit relativ wenigen Mitteln eine düstere Zukunftsvision zeichnet. Dass der Regisseur David Cronenberg heißt, verwundert dann auch nicht wirklich, ist er doch einerseits ein Garant für ebensolche düsteren Utopien, die er andererseits auch gern mit wirklich schockierenden Bildern würzte.

In der Zukunft, die uns dieser Film beschert, ist es durch ein Medikament, das eigentlich schwangere Mütter bei der Geburt helfen soll, zu Mutationen unter den Kindern gekommen. Diese nennen sich „Scanner“, weil sie über besondere psychische Kräfte verfügen, mit denen sie Gedanken lesen und manipulieren können. Bei exzessivem Gebrauch können sogar Köpfe platzen. Cronenberg zeichnet mit minimalen Mitteln (wenn man von den Gore FX absieht) ein beunruhigendes Bild der Zukunft. Zusammen mit der Radikalität der gezeigten Bilder dürfte der Film bei Release ziemlich verstörend auf einen Großteil der Zuschauer gewirkt haben.

Cronenberg beleuchtet in seinen Filmen gern menschliche Obsessionen (wie z.B. in „Crash“) und neue Technologien und die damit einhergehenden möglichen Gefahren („Die Fliege“, „eXistenZ“ oder auch „Videodrome“). Was diese Tendenz in seinem Schaffen angeht, kann man ihn durchaus mit Regie-Kollegen Paul Verhoeven vergleichen. Verhoevens Filme, auf die dies zutrifft, sind dabei aber wesentlich überzeichneter, so dass sie beinahe wie Comic-Strips wirken. „Robocop“ z.B. macht aus der erschreckenden Prämisse, dass Großkonzerne eine solche Macht haben, dass sie die Polizei kontrollieren und sogar selbst kybernetische Polizisten erschaffen einen blutigen Actioner. Ähnliches gilt dann auch z.B. für „Starship Troopers“, der je nach Lesart eine bitterböse Abrechnung mit der fatalen Kriegslust der Menschheit (Verhoeven kleidet ganz Provokateur, der er nunmal ist, die hochrangigen Mitglieder des Militärs in SS-Ledermäntel und gemahnt damit an den Größenwahn Nazideutschlands, sich mit der ganzen Welt anzulegen) oder eine Übersteigerung des Hurra-Patriotismus, vor dem speziell US-Kriegsfilme strotzen.

Cronenberg geht so weit nicht, er ist subtiler, dennoch kann man in Cronenbergs oben erwähnten Filmen eine gehörige Portion Skepsis in Punkto neuer Technologien und deren vorbehaltlosen Vergötterung durch die Menschheit ablesen. Die eigentliche Geschichte, die Cronenberg in „Scanners“ strickt, ist dann zwar einigermaßen spannend, aber weit davon entfernt originell zu sein. Es gibt einen Konzern, der sich die begabten Scanner zu eigen machen möchte und es gibt natürlich einen bösen „Ober-Scanner“, der die Welt unterjochen will. So weit, so gähn.

Die Darsteller erledigen ihre Aufgaben allesamt ordentlich. Hauptdarsteller Stephen Lack, für dessen Schauspielkarriere „Scanners“ der Höhepunkt war, wirkt etwas farblos und seine Performance ist zwar überzeugend, bleibt aber auch nicht im Kopf des Zuschauers hängen. Folgerichtig hat er sich später der Malerei zugewandt, was wahrscheinlich eine kluge Entscheidung war. Nein, ein anderes bekanntes Gesicht in einer frühen Rolle, stiehlt ihm die Schau: Michael Ironside gibt den bösen Scanner Darryl Revok charismatisch und diabolisch. Dabei stellt er seine Trademarks zur Schau, die ihn in unzähligen folgenden Filmen auszeichnen sollten. Er ist der geheime Hauptdarsteller und somit ist es auch kein Wunder, dass er das Kinoplakat zierte.

Zusammenfassend ist „Scanners“ ein simpel gestrickter Science Fiction-Thriller, der mit einigen wenigen heftigen Szenen aufwarten kann. Diese sind handwerklich gut gemacht, können aber auch unbedarfte Seher in die Irre führen: ein Splatter-Film ist „Scanners“ nämlich beileibe nicht. Er bietet auch heute noch sehenswerte spannende Unterhaltung, wirkt aber eben nicht mehr so originell, wie er es wahrscheinlich bei Erscheinen war. Ähnliche Sujets gab es schließlich Jahre später mit den „X-Men“-Filmen, wenn auch weniger radikal, im Mainstream-Kino. Dennoch sollte man durchaus einen Blick riskieren, wenn man mit der Thematik etwas anzufangen weiß.

Fazit:

7 / 10

Details
Ähnliche Filme