Alice: "Might be better if I go back to New York."
Bettler: "She's right, it's time to leave, to run away from this rotten place. The centuries and the wickedness of the people who live here have corroded it to the core. From its womb have come forth blind monsters. Go! Go now, flee the city, before Evil which is tired of hiding in the bowels of the earth decides to wake."
Der Italo-Horror-Boom war längst abgeflaut, als sich Marcello Avallone dazu entschloß, seine Beiträge zum Genre zu drehen: Spettri (Specters ...Mächte des Bösen, 1987) und Maya (1989). In Spettri geht es um archäologische Ausgrabungsarbeiten in den Katakomben von Rom, bei welchen Professor Lasky (Donald Pleasence) und seine Mitarbeiter ein uraltes, längst vergessenes Grabmal entdecken. Die in einen Stein geritzte Inschrift vor dem Eingang verheißt nichts Gutes: Whether invoked or not invoked, Evil will come. Und wie es scheint, trifft diese Warnung den Nagel auf den Kopf, denn kaum ist das Grab geöffnet, beginnen sich seltsame und schreckenerregende Dinge zu ereignen, die gar zur Gefahr für Leib und Leben der Menschen werden, die sich in den Katakomben aufhalten oder an den Ausgrabungen beteiligt sind. Selbst Schauspielerin und Sängerin Alice (Miss Dänemark 1984: Trine Michelsen), die Freundin von Professor Laskys Assistenten Marcus (John R. Pepper), ist vor den Attacken der unheimlichen Macht nicht sicher.
Obwohl Spettri ganz bestimmt keine funkelnde Genreperle ist, so ist er doch ein gutes Stück besser als das, was die meisten der arrivierten Genreregisseure - zum Beispiel Lucio Fulci mit Quando Alice ruppe lo specchio (When Alice Broke the Mirror, 1988), Lamberto Bava mit Una Notte al cimitero (Die Gruft, 1987), Umberto Lenzi mit La Casa 3 - Ghosthouse (Ghosthouse, 1988) oder Bruno Mattei mit Terminator II (Contaminator, 1989) - in diesem Zeitraum fabriziert haben. Lediglich Dario Argento mit Opera (Terror in der Oper, 1987) und Newcomer Michele Soavi mit Deliria (Aquarius - Theater des Todes, 1987) spielten da (noch) in einer eigenen Liga. Mit der dünnen Storyline kann Spettri ebensowenig punkten wie mit der blassen Figurenzeichnung; die Charakterisierung der Protagonisten ist flacher als eine magersüchtige Flunder, was dazu führt, daß der Zuschauer zu keiner der Figuren einen emotionalen Bezug herstellen kann. Insofern berührt es uns auch kein bißchen, wenn der eine oder die andere dem Bösen zum Opfer fällt.
Dieser Umstand fällt hier jedoch gar nicht so sehr ins Gewicht, weil Spettri in anderen Bereichen vollauf überzeugen kann. Da wäre einmal der imposante Hauptschauplatz, "die wundervollen Katakomben von Callisto, die mit Kunstlicht zu einem Hort des Überirdischen verklärt werden", wie der Filmgelehrte Christian Keßler in seinem Buch Das wilde Auge (1997) auf Seite 197 zu Recht schwärmt. Sie sind vielleicht der größte und wichtigste Star des Films, gekonnt eingefangen von Silvano Ippolitis (Caligola) überwiegend ruhiger Kamera. So prächtig dieses Höhlensystem auch anzuschauen ist, so sehr nagt es auch am Gemüt. Die Katakomben wirken wie eine eigene kleine Welt, losgelöst von der Realität. Die klaustrophobische Enge sorgt für ein Gefühl der Beklemmung; gleichzeitig regt sich die Angst, in den Weiten des Systems verloren gehen zu können. Die Bewohner (Ratten) dieser unterirdischen Stätte, die makabren Überbleibsel (Knochen) und das stete Tröpfeln des Wassers verstärken dieses ungute Gefühl nur noch.
Wie der im Jahr darauf entstandene Catacombs (Catacombs - Im Netz des Dunkeln, 1988) von David Schmoeller ist auch Spettri in erster Linie ein schaurig-schönes Mood-Piece. Marcello Avallone legt von Beginn an Wert auf eine dichte, ominöse, unheilschwangere Stimmung, vor der es kein Entrinnen gibt. Das Gefühl einer zwar nicht greifbaren, aber doch deutlich spürbaren Bedrohung ist allgegenwärtig. Das abgrundtief böse, mörderische Wesen, das bei der Öffnung des Grabes freigesetzt wird, ist dann nur die Manifestation dieser beklemmenden Aura. Sie verleiht ihr eine konkrete Form, die Tod und Verderben über die Welt bringt. Wie zahlreiche Kollegen zuvor tappt auch Avallone gegen Ende in die Offenbarungsfalle und gewährt der abscheulichen Monstrosität ihren entbehrlichen Auftritt, wobei er sich gottlob zurückhält und es mit dem Zeigen nicht übertreibt. So gelungen und stimmungsvoll der große Auftritt des Bösen auch ist... gegen das, was die eigene Phantasie auszumalen imstande ist, ist es nun mal völlig chancenlos.
Die Umsetzung der Murder-Set-Pieces ist Avallone gut gelungen. Die Sequenzen haben einen unheimlichen, leicht surrealen Touch, sie sind schön anzuschauen und sie erfreuen das Fanherz mit der einen oder anderen Unannehmlichkeit (herrlich fies: der zersplitternde Fingernagel), die Sergio Stivaletti gewohnt gut getrickst hat. Zugegeben, von den exzessiven Gore-Eskapaden eines Lucio Fulci ist Spettri weit entfernt; dennoch ist das Hinscheiden der unglücklichen Opfer nicht wirklich harmlos. Ungeduldige Zeitgenossen werden vermutlich die langsame, betuliche Erzählweise kritisieren, aber unnötige Hektik hätte der atmosphärischen Entfaltung des Grauens nur geschadet. Erwähnenswert sind noch Lele Marchitellis und Danilo Reas stimmiger Synthesizer-Score, der das höllische Geschehen unaufdringlich umschmeichelt, sowie der unvergessene Donald Pleasence (Halloween), der hier wieder mal den schrulligen Professor gibt. Wem Spettri gefällt, der sollte auf keinen Fall Avallones Nachfolgewerk Maya verpassen, das zwei Jahre später erschienen ist.