Review

Eine Obskurität aus den 80ern. Die Doku mit der die bundesdeutsche Hetzjagd auf den Splatterfilm begann. Eigentlich müsste man über die hier abgegeben Statements nur lauthals lachen können, nur leider hat sich in Deutschland von der Einstellung her nicht viel geändert.

Amüsant ist allerdings die Machart des Films. Vorher warnt uns noch eine ZDF-Ansagerin (liebe Kinder, dies sind zumeist Frauen, die in grauer Vorzeit jede Sendung eingeleitet haben) vor widerwärtigen und schrecklichen Szenen (nein, sie meint nicht ihre Frisur), die allerdings so kurz möglich gehalten wurden (anders gesagt: aus dem Zusammenhang gerissen).

Dann geht es los. Wir bekommen gleich die volle Breitseite aus Muttertag serviert. Ike bekommt Putzmittel in den Rachen, dann einen Fernseher über den Kopf. Es wird zurückgespult und wir sehen wie sein Bruder erst ein Beil in die Genitalien und anschließend einen Nagel durch den Hals bekommt. Kennt man ja!

Jetzt bekommen wir einen netten Einblick in die "Welchen Film indizieren wir heute?"-Teestunde der BPS (heute BPJM). Ein paar berufsbesorgte Latschenträger mit Fönwelle und/oder Fusselbart (unter ihnen die blutjunge Elke Monssen-Eberding), die "kompetent" über den Film beraten.

Ein kleiner Dialog:

"Der Film "Muttertag" lief doch sehr erfolgreich im Kino"
"Ja, seit zwei Jahren!"
"Läuft der da nicht immer noch?"

Soviel dazu!

Anschließend besucht der Regisseur der Doku einen Jugendclub, in dem ein paar Popper-Kids (so wurden sie damals genannt) abhängen und befragt sie "spontan" zu ihren Sehgewohnheiten. Dass das ganze mehr als offensichtlich gestellt ist, brauche ich nicht groß anzumerken.

Weiter geht's im Text. Man erzählt uns, dass bereits in jedem 7. Ei äh... Haushalt ein Videorekorder steht. So war das damals. Dann wird uns noch erklärt, dass Videothekare aus dem Milieu stammen und anscheinend alles gescheiterte Existenzen sind, die keine vernünftige Berufsausbildung haben. Wir erfahren, dass indizierte Filme (zumeist "ausländische Billigproduktionen") sehr erfolgreich in den Video-Charts vertreten sind (ach was!) und sich "das Problem" durch alle Gesellschaftsschichten zieht, Horrorfans also nicht mehr nur geistig verarmte Ghetto-Kids sind. Gut zu wissen!

Wir bekommen ein Schuldirektor vorgestellt, der sich engagiert gegen den "Horror für den Hausgebrauch" einsetzt und seine Schüler angeblich dazu befragt hat. Ein 12jähriger Junge (Puberät?) wurde anscheinend durch die Horrorfilme frecher zu seiner Mutter. Alles klar!

Jetzt bekommen wir noch ein Statement von einem Soziologie-Professor, der anscheinend gerade sein Studium abgeschlossen hat. Er hält eine Ungleichbehandlung der diversen Medien für gefährlich. Mal was anderes, aber auch nicht sehr erhellend.

Plötzlich kommt auch mal ein positives Wort für das Medium Video. Von einem Vertreter der Videobranche, der als schmieriger Typ im Halbdunkel präsentiert wird.

Es wird ein CDU-Abgeordneter interviewt. Auch sehr interessant, was er zu sagen hat. Er wird gefragt, ob die Bundesregierung den § 131 novellieren möchte, um ein Zensurinstrument gegen missbillige Medien zu haben. Die Antwort: "Nein. Es betrifft ja nicht nur Video, sondern auch Zeitschriften und Bücher!". Das lassen wir mal so stehen.

Jetzt stellt aber der Regisseur eine interessante Frage, ob da nicht vielleicht noch andere Interessen mitspielen, wie die Vorantreibung des Kabelfernsehens. Der CDU-Mann spielt den Naivling und kann sich nicht vorstellen, dass außer dem Jugendschutz noch andere Interessen eine eine Rolle spielen (Anmerkung von mir: wer sich dafür interessiert, kann sich ja darüber informieren, inwieweit die lautesten Verbots-Befürworter Stoiber und Geißler am Kirch-Imperium beteiligt waren. Ein Schelm, wer da böses denkt...).

Der Höhepunkt der Doku: eine junge Videothekarin kommt aus der Jugendschutz-Ecke und erzählt von verantwortungslosen Eltern und tapferen Videothekaren, gefolgt von der Horrormär von dem kleinen Kind, dass nur "Mama Papa Zombie" sagen kann. Es wirkt alles sehr glaubhaft und auf gar keinen Fall einstudiert (Ironie).

Es folgt noch ein kompetenter Soziologe, der wirklich der Brüller ist. Er zeigt uns Ausschnitte aus "Freitag der 13." und "Lebendig gefressen" und zeigt sich sehr angewidert von den Szenen und meint, dass man keinen Beweis für einen negativen Einfluss hätte, es man aber trotzdem genau wüsste. Ähm, ja. Immer wieder wird zu einem kleinen Mädchen geschnitten, dass mit 20cm Abstand vor der Glotze hängt und anhand der Geräusche zu erkennen, Kung Fu-Filme und "Lebendig gefressen" guckt. Klar doch...

Es gibt noch eine sehr schöne Szene, in der eine Klassenlehrerin ihre 4. Klasse nach Zombies befragt und daraufhin einen Elternabend veranstaltet. Dort wird den ahnungslosen Mittelstands-Eltern das Video "Ein Zombie hing am Glockenseil" vorgeführt (geile Schule! Wo ist die?), um sich hinterher vor der Kamera so betroffen wie möglich zu zeigen. Die abgegebenen Statements sind der Wahnsinn! Ich will hier aber nix vorwegnehmen.

Zum Abschluß wird uns noch von einer Schülergruppe vorgeführt, wie sich Kinder vor Horrorfilmen schützen können, indem sie selbst eine Kamera in die Hand nehmen. Hab ich zwar nicht ganz verstanden, aber lasst mal gut sein! Vielleicht erklärts mir ja mal einer!

Also eine "Doku", die es in sich hat und für jeden Fan von Horrorfilmen und jedem, der sich ein wenig für das unerschöpfliche Thema "Zensur" interessiert wärmstens zu empfehlen ist.

Schade ist nur, dass Heiner Geißler nicht Wort kam, der zwar gezeigt wurde, von ihm aber nur der Satzfetzen "...verbieten zu können" zu vernehmen war. Seine Hetztierraden hätten mich sehr interessiert.

Eine Perle in Omas Schmuckkästchen!

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