Review

Canary Black

Durch und durch glatter wie ideenloser Reißbrett-Thriller, der versucht Kate Beckinsale als weiblichen Klon aus Wick und Bond zu etablieren. Hängen bleiben dabei nur ihr schicker schwarzer Mantel und ihr Rollenname. Eine Doppelnull mit der Lizenz zum Gähnen.

Wer den aktuellen Actionthriller „Canary Black“ streamt, der wird noch wochenlang von Avery Graves träumen. Nicht weil die Protagonistin von der sehr attraktiven Kate Beckinsale in einem noch attraktiveren schwarzen Ledermantel gemimt wird, sondern weil uns die Macher um Genre-Profi Pierre Morel ihren klangvollen Namen häufiger um die Ohren knallen, als ihr Berufskollege James in allen 25 Missionen zusammen. Die Botschaft ist klar: Freund wie Feind kennt diese Super-Dooper-Mega-Agentin, die im Geheimagenten-Olymp zweifellos auf einer Stufe mit unserem Doppelnull-Zeus steht. Damit an diesem Ikonen-Status auch nicht die zartesten Zweifel aufkommen, dürfen wir sie in den ersten 10 Minuten auf eine Mission nach Japan begleiten, bei der sie einen ortsansässigen Crimelord mitsamt seiner Handlanger-Dutzendschaft einer John Wick-Gedächtnis-Kur unterzieht. Dabei werden wir nicht nur Zeuge ihrer exquisiten Ego-Shooter-Qualitäten, sondern erstarren auch in Ehrfurcht vor ihrer Martial-Arts-Expertise, die selbst Black-Leather-Soulmate Black Widow ein anerkennendes Kopfnicken abringen dürfte.

Nach einem solch schweißtreibenden Adrenalin-Kill äh Kick braucht selbst eine Badass-Beamtin wie Avery Graves ein wenig Frieden. Also kehrt sie zurück in ihr trautes Heim nach Kroatien, wo bereits ihr lächelnder Spießer-Gatte (Rupert Friend) im sterilen Schöner-wohnen-Ambiente mit Rebensaft und Kochkunst wartet. Natürlich ist die Kampfamazone auch auf privatem Terrain ein Bullterrier, schließlich bringt sie zum Hochzeitstag lediglich eine Unterhose mit dem Aufdruck „Big in Japan“ aus Fernost mit, während der bebrillte Säusel-Angetraute mit einem schicken schwarzen Mantel aufwartet. Was von Skriptautor Matthew Kennedy - zu seiner Ehrenrettung muss erwähnt werden, dass er bis dato nur in zweitklassigen Horror-Flicks üben durfte - wohl als cooler Witz gemeint war, sorgt eher für peinliche Betretenheit bei allen Alphaville-Fans.

Da ist man regelrecht dankbar, wenn Avery wieder zur Arbeit schreitet. Zwar ist man ein wenig irritiert, dass sich das Geheimquartier ihrer noch geheimeren CIA-Abteilung in Zagreb befindet, andererseits steigen ihre DTV-Kollegen vornehmlich in Sofia oder Bukarest ab, womit die grobe Richtung dann schon stimmt. Grob ist überhaupt ein passendes Stichwort, nein nicht nur für Averys Auftreten und Matthews Schreibkünste, sondern auch für den brachialen Schicksalsschlag, der unsere toughe Heldin heimsucht. Nicht nur wurde ihr schnuckeliger Gatte vom Herd weg entführt, sie muss auch noch Job, Mentor (Ray Stevenson in seiner letzten Rolle) und Vaterland verraten, wenn sie ihn lebend wiedersehen will. Kein Wunder, dass die ohnehin humorbefreite Dame rot sieht und die kroatische Metropole in bester Bryan Mills-Tradition in ein Schlachtfeld verwandelt, auf dem die Schergen unseres Kidnappers einen hohen Blutzoll entrichten müssen.

Der Aufhänger ist mal wieder eine ultrageheime Datei, die sich später auch noch als digitale Atombombe entpuppt. Dieser exaltierte Humbug ist allerdings nicht die einzige Schnapsidee, des in dieser Hinsicht prallen Skripts. So testet Mennes Entführer gleich zu Beginn Averys Badass-Status - obwohl er nicht müde wird aus ihrer Akte zu zitieren - indem er sie mit einer Tretmine und ihrem Einfallsreichtum allein lässt. Warum man riskiert, die einzige Person die man für die brisante Beschaffungsmission für fähig hält und für deren Motivation man eine aufwändige Kidnapping-Aktion minutiös geplant hatte, bevor es so richtig los geht in die Luft zu blasen, dürfte selbst die Sudoku-Meister unter den Zuschauern in verzweifelte Kapitulations-Ängste stürzen. Zumindest sind sie dann schon ein wenig abgestumpft, wenn im weiteren Verlauf der Handlung ständig irgendjemand versucht Avery in die ewigen Agenten-Jagdgründe zu befördern.

Wahrscheinlich dachte man sich, wenn selbst Batman, Bond und Wick in schöner Regelmäßigkeit von Freund und Feind gejagt werden, dann darf Superagentin Avery Graves da nicht zurückstehen. Und in all den schönen Explosionen, Verfolgungsjagden, Schießereien und Foltereien bleibt eh keine Zeit, genauer hinzusehen. So der Plan, schließlich hatte Pierre Morel dieses Kunststück bei Liam Neesons Wiedergeburt als spät berufene Action-Granate („Taken - 96 Hours“) schon einmal vollbracht. Nun, leider ist die ausdruckslose Beckinsale kein Ersatz für den charismatischen Neeson und leider hat Morel sein Händchen für schnelle, fließende Schnitte im Verbund mit einem düsteren Gritty-Look verloren und liefert nur noch zwar saubere, aber stromlinienförmige Auftragsarbeit. Das passt gut zum maskenhaften Look seiner Hauptdarstellerin aber taugt kaum für einen frischen Impuls oder gar ein Ausrufezeichen im einst mitgeprägten Adrenalin-Genre.

Am Ende dieser durch und durch vergessenswerten Mission bleiben immerhin dennoch drei Dinge hängen: Cate Beckinsale stehen schwarze Mäntel noch immer formidabel, Ray Stevenson hätte einen besseren letzten Film verdient gehabt und die Protagonistin heißt Graves, Avery Graves. Und es gibt noch eine gute Nachricht. Am Ende findet sich kein „Will return“-Äquivalent zu unserem britischen Lieblingsagenten. Vielleicht hielt man das in weiser Voraussicht aber auch gar nicht für nötig, schließlich träumen wir ja nach wie vor von ihr wisst schon wem.

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