Review

"Fünf Monate lang trafen wir uns jeden Tag in den Büros von (...) die Produktionsfirma mit Jean Halain, dem Drehbuchautor, und Jean Girault, dem Regisseur. Wir haben René Fallets Buch komplett flach gelegt und mit visuellen Gags rekonstruiert. Nach den Dreharbeiten war ich auch am Mischen und Schneiden des Films beteiligt."
~ Louis de Funès
"Louis ist kein Techniker am Set. Es ist der Regisseur der Schauspieler. Er lief mit Fallets Buch unter dem Arm herum: Es war seine Bibel! Wenn es irgendein Problem gab, konsultierte er ihn."
~ Jean Carmet


Zeitgenössisch eingeleitet, eine beschwingt-eingängige elektronische Synthpop-Folk-Melodie, Midiklänge, Hörwurm-artig, dazu neonfarbene Texte, die mit Schweif und Umrandung aus der Ferne auf einen zuwandern und rasen: frühe Achtziger Jahre, Science fiction mit am Höhepunkt, zehrend von Abenteuern und Ideen. Einer dieser Ideen hat es Louis de Funes persönlich angetan und seine Fantasie angesprochen und die Kreativität geweckt, die Lebensgeister noch einmal wallen lassen, "La Soupe aux choux", "Die Kohlsuppe", Januar 1980 veröffentlicht von René Fallet. Der Roman wiederum könnte und wird wohl auch selber seine Quelle haben, die Comicgeschichte "Du cider pour les étoiles", "Apfelwein für die Sterne", aus Spirou und Fantasio, das Herstellungsjahr dort ist 1975, das Genre filmisch da nicht wirklich ausgelastet, bis zu Kinoschlagern und der Verwirklichung von Träumen auf der Leinwand noch ein kleiner Weg:

Nach dem Tod seiner Frau Francine vor zehn Jahren lebt der betagte Claude Ratinier [ Louis de Funès ] zusammen mit seinem gleichaltrigen Nachbarn und Freund Francis Chérasse [ Jean Carmet ] alleine auf einem kleinen Gehöft. Eines Nachts bekommen sie dort Besuch von einem Außerirdischen [ Jacques Villeret ], der besonders von der eigens gefertigten Kohlsuppe der beiden Pensionäre angetan ist, und sich speziell auch bei Claude revanchieren will. Er holt dessen Frau Francine, allerdings als Endzwanzigerin und damit unpässlich zu dem Greis zurück.

"Man lacht überhaupt nicht bei uns.(...) Das kennen wir nicht."Die Geschichte selber ist auch zeitgenössisch gewesen, aber nachhaltig und nostalgisch und aktuell, sie ist immer wieder wirksam, sie spricht die Leute damals wie heute an und bringt ihnen ebenso Emotionen wie sie welche aus den Zuschauern bezieht. Es geht um Leben und um Freundschaft, es geht um Offenheit gegenüber dem Fremden, es geht um Verbindung und um Einigkeit, es geht um ein Dorf (oder besser gesagt: Ein Nest) in der Bourbonnais. Viel Grün gibts, frische Luft, es gibt auch etwas Braun durch die windschief wackligen Holzhäuser, die dort noch trotz des Zahnes der Zeit über sind und in der Sonne stehen. Zwei Gestalten wohnen da noch, die Gebäude sind gemütlich und ureigen rustikal, aber baufällig bis bruchreif, eine Renovierung lohnt sich nicht mehr und ist finanziell nutzlos. Die Existenz der Leute widerspricht dem, was zu dem Jahrgang und der Ära gefragt war, es gibt kein bunt, es gibt kein laut, es gibt kein viel und keine Technik. Die beiden Alten dort haben sich selber. Sie haben Wein. Sie haben Brot. Sie genießen das Leben und warten auf den Tod.

Die Zivilisation ist entfernt und die Gesellschaft außen vor. Es herrscht ein Einsiedlerdasein, mit dem man sich arrangiert und welches man so gewollt hat, es herrscht der Frieden und die Ruhe, stören tun einige Bemühungen im Dialogtext, die die Wörter verfremdet und sie absichtlich falsch ausspricht, eine Unart in der Synchronisation, die den Humor hineinbringen will da, wo er noch nicht anwesend ist und nicht hingehört. Die dann installierte Komik selber funktioniert natürlich auch nur auf einer gewissen Ebene, die nicht jeden Kritiker angesprochen hat und diskutierbar auch ist, "Ja, Kamerad, es tut mir natürlich leid, wenn es dir nur etwas sagt, wenn wir furzen oder rülpsen. Dann werden wir uns relativ selten unterhalten können." heißt es da, und um diese Geräusche der Verdauung geht es anfangs auch öfters und lautstark, was nicht jedem das Lachen hervorlockt und nicht alle Rezensenten anspricht. Mimik und Gestik nach außen hin und zum Anschein so, wie man es von de Funès gewohnt ist, ein Double feature mit dem vorherigen, an den Kinokassen erfolgreicheren Ausflug Louis’ unheimliche Begegnung mit den Außerirdischen (1979) wäre in all seiner Gegensätzlichkeit und selbst ohne weitere Überschneidung in Set und Setting möglich; abgesehen von auch einer Szene in der hiesigen lokalen Gendarmerie Nationale, die tatsächlich auch eine Hintertür aus dem anderen Film sein könnte, aber nur eine Randnotiz für dieses ausgewachsene melodramatische Theaterstück hier ist.

Während dort die Meldungen über gelandete UFOs (ein 'flaches Setzei') und den 'Marsmenschen' für Heiterkeit sorgten, wird hier ein anderer Ton angeschlagen, der dies ebenfalls berichtende Chérasse ist von den Zweifeln an seinen Aussagen, vor allem aber den Schmähungen und dem Verhöhnen der anderen Bewohner, einer eingeschworenen Gemeinschaft im Gegensatz zu ihm als 'selbstgewählter' Eremit und Außenstehender tief getroffen und innerlich geradezu verletzt; da fehlt auch die Unterstützung von Ratinier, der sein eigenes Leben und dies auf andere Art und Weise, in dem Fall nicht als Freund in der Not lebt. 

Auch später noch werden einige Wunden zugefügt und auch aufgerissen, hinter der scheinbaren Idylle und dem für sich sein in Gelassenheit draußen vor der Toren der Stadt steckt eine schwelende Einsamkeit, eine Leere auch, hinein gebracht durch das Fehlen von und das Vermissen geliebter Menschen. "Na immerhin gibt es nicht nur Schlechtes auf dieser Welt. Manchmal gibt es auch Tage, an denen man glaubt, ein Stückchen vom Paradies zu sehen." heißt es später, mittendrin, zwischen einigen Grimassen, einigen kleinen Flüchen, einem Annähern an den Fremden aus der fernen Galaxis, der (als Gimmick bloß) als Erster seit langen neu in das Zweierbündnis gekommen ist (und Chérasse quasi lähmt und vorübergehend ersetzt), und wo das Thema (neben Politik und Sozialität) auch bald die Kürze und Vergänglichkeit des Lebens und auch eine scheiternde Wiederholbarkeit dessen mit ein bittersüßer bis tragischer Subplot im Film dann ist: Die Veränderungen machen alles schlimmer, und es gibt keinen Neu- oder ein Wiederanfang, sondern ein Auslöschen von Erinnerungen, schlimme Wahrheiten und eine Trennung. "Wieso bist du 20 und ich 70? Ich bin nicht Mann, nicht Vater, nicht Opa!"

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