"Ein blinder Masseur wütet in der Würfelbude" (Das schönste Zitat des Films)
„Kitano goes Kurosawa: In seinem ersten Samurai-Film adaptierte Takeshi Kitano eine berühmte Filmreihe aus den Siebzigern. Das brachte ihm den gewohnten Erfolg auf Filmfestivals und seinen ersten Kassenschlager in Japan ein. Mit dem blinden Masseur Zatoichi spielt Kitano erneut einen Antihelden, der keiner gesellschaftlichen Norm entspricht. Hinter der scheinbar unbeholfenen Figur verbirgt sich ein Meister des Schwertes, dessen Gehör den Augen seiner Gegner weit überlegen ist. Auf seiner Wanderung kommt er in einen Ort, der von einem Clan terrorisiert wird. Doch mit Zatoichis Können wird den Übeltätern effektvoll der Garaus gemacht.“ (Japanisches Filmfest Hamburg)
Kitano macht einen Samurai-Film. Und dann noch aus der legendären Zatoichi-Reihe, die gut 25 Jahre die japanische Medienwelt mitbestimmte. Was war man gespannt und voller Erwartungen...
Leider ist ZATOICHI gerademal ein durchschnittlicher Film. Mit Sicherheit nicht schlecht, aber auch nicht das, was man von Takeshi Kitano erwarten darf.
Die Stärken ZATOICHIs liegt z.B. in seiner perfekten und äußerst originellen Fight-Choreographie, die sich weit entfernt von stundenlangen Klingenkreuzereien anderer Genreproduktionen. Die Kämpfe sind schnell, nah und realistisch und dazu mit einem sauberen Schnitt unterlegt. Damit sind wir auch schon bei einem weitern Plus des Films: Der Montage. Einige Parallellmontagen und einige Backflashs, aber auch die o.g. Fightszenen, sowie auch der Schnitt im allgemeinen sind ganz vorzüglich. Spaß macht auch der Kitano-typische, jedoch wohl nur in GETTING ANY? derartig ausgelebte Humor, der streckenweise an Slapstick erinnert. Humor? Ja, ZATOICHI ist über weite Strecken humorig angelegt, zwar dominiert in den Kampfszenen eine ziemliche Härt und etliches (CGI-) Blut, ansonsten erlebt man neben der zentralen Geschichte jedoch einiges Absurdes und Albernes.
Hiermit sind wir auch schon bei den Schwächen des Films: Inhaltlich weist ZATOICHI eine Unentschlossenheit auf, was er denn nun sein will: Samuraifilm, Drama, Slapstick oder Musical. "Musical?" höre ich die entsetzte Leserschaft rufen!! Ja, es gibt einige Elemente des Musicals in ZATOICHI. Im Finale wird ausgiebig und lang eine modern adaptierte Version eines Kabukitanzes geboten, welches ca. 5 Minuten dauert. Nach Kitanos eigenem Bekunden eine Reminiszenz an das alte Genrekino in dem zum Finale auch immer ausgiebig getanzt und gesungen wurde. Aber auch während des Films tauchen allerorts rhythmisierte Szenen auf, bei denen sich Landarbeiter mit Ihren Geräten der Musik des Soundtracks anpassen. Ein wenig DANCER IN THE DARK von Lars von Trier blitzt auf. An sich nicht so schlecht oder zumindest interessant, wenn...ja, wenn die Musik (diesmal nicht Hisaishi) nicht so durchschnittlich bis schlecht (!) wäre. Was hier geboten wird, grenzt in einigen Teilen an einschlägige Amateurproduktionen.
A prospos Amateur: Ein ebensolcher hat sich wohl an den CGI-Effekten versucht. Was uns Kitano hier bietet, ist kaum noch zu unterbieten. Sämtliche Schwerter und Blutfontänen in den Fights sind animiert. Leider sind die CGIs umgehend als solche zu identifizieren und darüber hinaus sind speziell die Schwerter derartig statisch angelegt, dass diese - einmal im Körper des Feindes steckend - dessen Bewegungen nicht folgen, wenn dieser zum Beispiel auf den Boden sinkt oder zuckt. Das Schwert bleibt genau an der gleichen Stelle der Leinwand, auch wenn der Körper sich noch so sehr bewegt. Lieber Herr Kitano, mit Verlaub, das ist eine Frechheit.
Schade auch um die Bildgestaltung. Einige Szenen sind wunderschön aufgenommen und auch die Bildgestaltung scheint hier angemessen und sauber, bei anderen Szenen müssen wir jedoch schale Farben und langweilige Bilder ertragen. Bedauerlich, denn da wäre mehr drin gewesen.
Inhaltlich wie formell und auch stilistisch also ein zwiespältiges Werk. Aber was ist mit dem wichtigsten: Leider interessieren einen die Figuren überhaupt nicht. Das Geschehen wird bestenfalls amüsiert zur Kenntnis genommen, was - GETTING ANY? einmal unbeachtet - nicht Kitano-typisch ist.
Erstaunlicherweise ist ZATOICHI in Japan Kitanos erfolgreichster Film geworden, was mit Sicherheit jedoch auch mit der Popularität der Figur des Zatoichi zusammenhängt. Nach Kitanos eigener Aussage wollte er nach dem anspruchsvollen DOLLS einen kleinen, eher unbedeutenden Unterhaltungsfilm drehen, um Geld zu verdienen und sich auszuruhen für sein nächstes künstlerisches Projekt. So gesehen: GELUNGEN lieber Takeshi Kitano. Nächstesmal aber bitte wieder bei DOLLS weitermachen.
Mirco Hölling (26.05.2004)