Review

"Selbst mit weit geöffneten Augen sehe ich nicht das Geringste" (Zatoichi)

Hinter den zahlreichen Kampfszenen, Slapstick-Einlagen und poetischen Momenten verbirgt sich in "Zatoichi" eine schlichte Aussage: "Nicht alles ist so wie es auf den ersten Blick erscheint." Diese Botschaft wird auf allen Ebenen filmtechnischer Gestaltung transportiert: Wenn die Kamera beispielsweise zeigt wie Kitano die Bäuerin massiert, aber aufgrund des anfangs verdeckten Blickwinkels andere Tätigkeiten der beiden suggeriert (nämlich Sex); oder wenn eine der beiden Schwestern sich überraschend als Mann entpuppt; oder Zatoichi am Ende gesteht, dass er nicht blind ist, was sich aber kurz vor Schluss als Lüge entpuppt. Beispiele dieser Art gibt es im gesamten Film an unzähligen Stellen zu entdecken.

Kitano spielt die Rolle des wortkargen blinden Samurai hervorragend und verleiht dem Film eine Anziehungskraft wie sie nur selten ein Film erreicht. Es macht einfach Spass zuzusehen wie sich die Story in aller Ruhe entfaltet, der Humor ist göttlich und die Kampfszenen sind wunderbar in Szene gesetzt.

Apropos Kampfszenen: Oftmals wurden die CGI-generierten Bluteffekte beanstandet. Diese Meinung teile ich nicht. Meiner Ansicht nach verleihen diese Effekte den Duellen eine beachtliche Dynamik, die durch den genialen Schnitt noch mehr unterstrichen wird. Außerdem würden sich die Kampfszenen ansonsten zu sehr von dem in großen Teilen heiteren Film unterscheiden. Durch die Verharmlosung der Bluteffekte entsteht ein Film, der ein Gesamtkunstwerk darstellt und nicht in viele nicht zusammengehörige Teile zerfällt (was bei alten Eastern sehr häufig der Fall ist).

Zum Schluss möchte ich noch kurz den ausgereiften Schnitt des Films erwähnen, der mit zu dem besten gehört, was ich je gesehen habe. Die hervorragenden Parallelmontagen (z.B. wenn der Gonin stirbt und seine Frau sich selbst tötet) und die vorantreibenden Schnitte während den Kämpfen sind hier besonders zu erwähnen. Auch die Musical-Einlagen bei den am Feld arbeitenden Bauern, die sich mit ihren Bewegungen dem Takt der Musik anpassen sind schlichtweg genial.



Insgesamt ist "Zatoichi" ein sehr unterhaltsamer Film, der auf allen Ebenen filmtechnischer Gestaltung auf hohem Niveau einzuordnen ist. Vor allem Kitano als blinder Samurai fesselt den geneigten Zuschauer. Der Film bekommt keine Höchstwertung, weil ich mir poetische Kameraeinstellungen und Momente noch einen Tick häufiger gewünscht hätte. Trotzdem vor allem für ein filmkünstlerisch informiertes und interessiertes Publikum ein absolutes Highlight. "Zatoichi" ist einer der ungewöhnlichsten Filme Kitanos und in seiner Ästhetik zugleich einer seiner ausgereiftesten.



9/10 Punkten

Details
Ähnliche Filme