Ich gehöre ja zu denen, die mit "Versus" nicht wirklich viel anfangen konnten. Ich habe zwar Ryuhei Kitamura inszenatorischen Spielereien anerkannt, aber irgendwie konnte mich der Film weder fesseln, noch sonst irgendwie für sich gefangen nehmen. Alles wirkte zu sehr nach einem Versuch, einem Ausloten der Möglichkeiten, einer Austestung der eigenen Grenzen.
Das Ryuhei Kitamura diese Grenzen überwinden kann, einen Film schaffen kann, der in seiner puren Schönheit und Optischen Brillanz einfach zu viel, ist um es auf einmal aufzunehmen, um alles zu verarbeiten, dass zeigt er mit "Azumi". Es ist schier unmöglich dem Film mit Worten gerecht zu werden, denn genauso wie Ryuhei Kitamura es beabsichtigt hat, ist er etwas, das man sehen, fast schon erleben muss um die absolute und beinahe Vollkommene optische und akustische Größe dieses Meisterwerks zu erfassen. Und selbst da braucht es wohl mehrere Male, ehe man alles verarbeitet hat und in der Lage ist, die volle Wucht des Gesehenen zu begreifen.
Es ist die Geschichte von Azumi (Aya Ueto). Als Kind wird sie von einem alten Krieger, zusammen mit 9 anderen Kindern aufgenommen. Ihre Mutter ist tot, ebenso wie der Sohn des Kriegers. Sein Ziel ist es die 10 Kinder zu tödlichen Attentätern auszubilden, die in Zukunft Warlords die einen Krieg heraufzubeschwören, töten sollen. Als die 10 zu Teenagern herangewachsen sind, stellt er sie vor eine letzte Prüfung, die nur 5 überleben. Gemeinsam mit ihrem Meister machen sich die Fünf auf, um 4 Warlords zu töten.
Soweit die Grundzüge der Story. Ryuhei Kitamura lässt dabei keine Zeit um sich auf den Film einzustellen. Eine kurze Szene zu Beginn wie der Meister Azumi zu sich nimmt und ein kurzer Rückblick auf den Meister in einem gigantischen Schlachtfeld, wie er in mitten von Tausenden Soldaten, die Hand seines toten Sohnes hält und den Schwur leistet Kriege zu verhindern. Dann geht es auch schon los. Die Kamera schweift über die weiten Wälder Japans, in eine Gegend irgendwo in den Bergen, auf einer Wiese sitzen zehn Teenager, sie lachen, reden und beginnen schließlich auf fast spielerische Art mit ihrem Schwertkampf Training. Doch die Idylle wird schon bald zerstört. Und damit auch alles was der Zuschauer sich vorstellen kann. Tod und Verderben halten Einzug und werden die nächsten 2 1/2 Stunden nicht mehr weichen.
Dabei inszeniert Ryuhei Kitamura mit harten blutigen Bildern, die aber nicht seine übertriebene Art von Versus aufgreifen sondern sich auf einem realistischeren Level bewegen. Es ist diese Härte, gepaart mit einer Kameraarbeit die wohl ihres Gleichen sucht und so noch nicht zu sehen war, die den Film in einem Schwebezustand zwischen realistischem Look und Fantasy versetzt. Es wird gesprungen und geflogen, aber nie in einem solchen Rahmen, wie es etwa in Hero zu sehen war. Die Kämpfe sind unglaublich ästhetisch inszeniert. Jede Szene, jede einzelne Kameraeinstellung stellt alte Sehgewohnheiten auf den Kopf. Langsame Fahrten, schnelle Schnitte, Nahaufnahmen, rasende Kamerafahrten, Zeitlupesequenzen, all das wird kombiniert, aneinander gereiht, man mag es einfach nicht wahr haben, das diese unterschiedlichsten Stile so perfekt harmonieren, solch atemberaubende optische Erlebnisse bieten. Auf die Spitze getrieben, im finalen Kampf zwischen Azumi und dem ganz in weiß gekleideten Kämpfer des zu tötenden Warlords. Wenn hier die Kamera um die auf einem Steg stehenden Kontrahenten kreist, dann spätestens offenbart sich die ganze Klasse und optische Bandbreite, die Ryuhei Kitamura in Versus schon aufblitzen lies.
Azumi ist optisch ein Film, der auf lange Sicht unerreicht bleiben wird, der noch in Jahren als Maßstab für innovativen Einsatz und Bildern gelten wird.
Auch akustisch ist Azumi eine Mischung verschiedenster Stile. Klassische Japanische Musik, Drum´n Bass Parts und rockige Gitarrensounds verschmelzen zu einem Soundtrack, der nicht nur in jeder Szene passend ist, sondern auch noch unmerklich die Wirkung der Bilder verstärkt. Auch hier ist großes gelungen.
Doch all diese Dinge sind nichts wert, wenn die Darsteller von optischer, inszenatorischer Perfektion überschattet werden, im schlimmsten Fall gar versuchen dagegen anzuspielen und dabei erst recht scheitern. Auch hier beweist Ryuhei Kitamura seine Weitsicht und das er über ein glückliches Händchen verfügt.
Insbesondere Aya Ueto als Azumi ist perfekt besetzt. Es gelingt ihr die, zum Teil unendlich tragische Figur Azumi, mit einer Kraft und Würde darzustellen, die einfach gefangen nimmt. Optisch ist sie ein typischer, schöner, fast schon niedlicher, Teenager, doch in ihren Gesten und Blicken blitzt immer wieder das Tödliche und Gefährliche durch. Herrlich gespielt wird mit dieser tödlichen Unschuld, in den Szenen vor der Ermordung des ersten Warlords, wenn sie als leicht naiv wirkendes Mädchen bis zum angelnden Herrscher kommt und mit diesem ins Gespräch kommt, ehe sie ihn mit ihrem Schwert tötet.
Die Kämpfe sind atemberaubend choreographiert, bieten trotz der Beschränkung auf nur eine Waffe, genug Abwechslung um nicht zu langweilen und zeigen deutlich die Handschrift, die auch schon in Versus zu sehen war. Herausragend sind hierbei sicherlich der Kampf in einem dunklen von wenigen Lichtstrahlen durchdrungenen Wald, in dem Azumi in Zeitlupe 5 Gegner tötet, so wie der finale Kampf in dem sie an die 100 Gegner niedermetzelt . Hier zeigt sich nicht nur das perfekt an Choreographien gearbeitet wurde, sondern das auch die Kulissen und Kostüme grandios umgesetzt wurden. Auch die Auswahl der Locations wurde perfekt getroffen und so wird die Landschaft immer wieder in wunderschönen Bildern eingefangen.
"Azumi" ist Unterhaltungskino, aber in diesem Genre dürfte es schwer werden dieses Meisterwerk zu übertreffen. Zumal es gelingt neben der puren Unterhaltung, auf die ja Versus ausgelegt war, die Tragik und Tiefe der Mangavorlage zu übertragen und somit einen Film zu schaffen, der auf hohem Level unterhält und auch abseits von grandioser technischer Inszenierung einiges zu bieten hat. "Azumi" ist die Übertragung des klassischen Swordplay Movies hin in ein neues Zeitalter. Er kann dabei sicher nicht die Klassiker verdrängen hat aber alle mal das Potential in etlichen Jahren selbst als Klassiker in die Filmgeschichte einzugehen. Für mich persönlich eines der faszinierendsten Filmerlebnisse und ein Film, der alles bietet was ich erwartet habe, die Erwartete letztlich sogar um Längen übertrifft. Hier sind 10 Punkte eindeutig zu wenig und werden diesem Film nicht gerecht.
Und mal schauen vielleicht kann ich Versus bei nochmaligem Schauen ja doch etwas mehr abgewinnen.