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Ein Kernthema während und nach der Corona-Pandemie ist der Aspekt der Isolation und den sich daraus ergebenden Langzeitfolgen. Der Kinobeitrag „Never Let Go“ ist ein Beispiel dafür, wenn sich Erziehungsberechtigte mit ihren Schützlingen von der Außenwelt isolieren und auch vorliegendes Regiedebüt thematisiert ein Mutter in einer prekären Lebenssituation.

Eine Einöde in Oklahoma 1933: Margaret (Sarah Paulson) lebt mit ihren Töchtern Rose (Amiah Miller) und Ollie (Alona Jane Robbins) auf einer Farm, während ihr Mann außerhalb Geld verdienen will. Die nächsten Häuser liegen meilenweit entfernt und während Sandstürme, Dürre und Entbehrungen den Alltag bestimmen, widmen sich die Töchter der Legende des Grauen Mannes, der sich schon bald in Form des Fremden Wallace (Ebon Moss-Bachrach) zu manifestieren scheint…

Man dürfte zwangsläufig ein wenig abstumpfen, wenn man zwar in Ruhe in der Natur wohnt, diese seit geraumer Zeit jedoch kein Grün mehr vorweist. Die Kulisse ist durch und durch in Staub gehüllt, es gibt zuweilen kaum klare Konturen, wodurch dem Setting etwas Apokalyptisches anhaftet. Viel Abwechslung wird den Töchtern in dieser Tristesse nicht geboten, nur sporadisch trifft man sich ab und an zum kollektiven Sticken in der Kirche, während andere bereits mit massiven Atemwegserkrankungen zu kämpfen haben.

Die ruhige Erzählweise setzt in erster Linie auf Atmosphäre, vergisst dabei jedoch auf klare Bedrohungen von außen zu setzen. Die erwähnte Legende verkommt leider zur Randnotiz und erhält kaum ein nachvollziehbares Fundament und auch das Erscheinen des Fremden sorgt nur kurzzeitig für Unbehagen. Das Horrordrama leidet einige Zeit unter Spannungsarmut, bevor es im letzten Drittel vermehrt um die psychologische Komponente geht.

Die handwerklich versierte Inszenierung mit starker Akustik und effektivem Score und die starken Darstellerleistungen halten das Konstrukt indes zusammen. Sarah Paulson punktet nicht nur mit einer starken Präsenz, mit ihrer Zurückhaltung in bestimmten Momenten schürt sie latent Zweifel, inwieweit eine eventuelle Bedrohung von ihr selbst ausgehen könnte, oder ob letztlich doch eine unheimliche Macht ihr Unwesen treibt.

Am Ende kommt die gern verwendete Metapher des Seils als Nabelschnur einmal mehr zur Geltung, während zwar ein wenig Blut fließt, jedoch keine niederschmetternde Eskalation erwartet werden sollte. Den Atem muss man hier folgerichtig nicht anhalten, da in Sachen Suspense eher Zurückhaltung angesagt ist, wogegen die staubig-sandige Stimmung durchaus in Beschlag nehmen kann.
Knapp
6 von 10

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