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Die Beiläufigkeit des Bösen

„Maldoror“ beruht auf wahren Vermissten- und Mordfällen an kleinen Mädchen, die Mitte der 90er ganz Europa auf Trab gehalten, Belgien bis heute einen Stempel aufgedrückt haben und noch immer unter die Haut gehen. Regisseur Fabrice du Welz reichert diesen grausamen Kern aber mit einer epischen, halb Europa umspannenden, aber irgendwie auch sehr familiären Geschichte eines Polizisten an, der in dem verstörenden Fall (mehr oder weniger geheim) ermittelt, in etliche zwischenbehördliche Querelen und Konkurrenzkämpfe gerät, bis alles zur düsteren Obsession wird, die auch vor seinem Privatleben nicht halt macht… 

Die Fesseln der Furcht

Pasta und Citreons, markante Holzmöbel und sizilianische Sitten, die 90er und behördliche Unsitten, Hochzeitsfeiern und Beatrice „Inside“ Dalle. Ich kann mich zwar selbst nicht mehr wirklich an den Fall Dutroux erinnern, war ich als '88er doch noch deutlich zu jung für einen solchen ganz realen Horror - aber „Maldoror“ könnte dennoch kaum passender und persönlicher für mich sein. Du Walz hat einen instinktiven und dreckigen, dennoch sehr stylischen Regiereigen, der (fiktives) Privatleben und echten Kriminalfall erstaunlich gut kombiniert und zerfließen lässt. Großes europäisches Kino, keine Frage. Kantig, eklig, bitterböse. Unangenehm. Wie könnte es auch anders sein, bei diesem eiskalten Vorbild. Seine Darsteller sind durch die Bank klasse, die Gesichter wirken frisch und ihre Art bleibt immer natürlich. Der Score kann echt Gänsehaut in den Nacken treiben, mal aggressiv, insgesamt eher sporadisch eingesetzt. Kindesmissbrauch ist immer ein wütendes und fieses Thema, doch Du Walz macht daraus keine Horrorshow oder wird exploitativ. Die vielen italienischen (oder gar sizilianischen Details) sprechen mich persönlich an, haben mich in dem Zusammenhang, der Dichte und Ausführlichkeit überrascht und helfen über manch eine inhaltliche Schwäche hinweg. Weit über zweieinhalb Stunden ist vielleicht etwas sehr ambitioniert. Die Hochzeitsszene könnte gar Coppola gefallen, dermaßen ausladend und detailverliebt ist alles. Doch gerade diese familiären Exkurse verwandeln „Maldoror“ in einen beeindruckend dicht verwebten Teppich aus den Ängsten, Spleens, (auch behördlichen und staatlichen!) Problemen und Wunden seiner Epoche, seines Europas. Und von den angedeuteten viel größeren Kreisen solcher pädophilen Ringe will man am besten gar nicht erst anfangen zu sprechen…

Die Ahnungen der Angst

Fazit: fast schon epischer Thriller über einen der verstörenderen Kriminalfälle Belgiens, ja Europas. Das 90er-Zeitkolorit ist besonders grandios - und das nahezu ohne populäre Songs dieses Jahrzehnts. Meine persönlichen Details und Verbindungen zu der Familie des Protagonisten sind verblüffend, aber vor allem der eigentliche Fall ist packend und verstörend genug, um über manch eine filmische Länge hinwegzutragen… Insgesamt teils höllisch intensiv und seelisch angeknackst. Aber auch etwas sperrig. 

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