Review

Siegfried, der Schwerenö… äh, Drachentöter

Die Geschichte um Siegfried, wie er Drachen tötete, nahezu unbesiegbar wurde und schließlich doch adelig-politischen Intrigen erlag - eine urdeutsche und wegweisende Sage, die von Tolkien und Shakespeare über „Game of Thrones“ oder „Elden Ring“ bis „God of War“ fast jede epische Fantasy- und Heldengeschichte über die Jahrhunderte inspiriert hat. Über diesen Mythos von Mann und Leben gibt es verschiedenste Überlieferungen, Lieder, Gedichte. Und natürlich auch Filme. Größer geht’s kaum, danach kommen nur noch Religion und Homer. Fritz Lang konnte auf dem Zenit der deutschen Filmkunst vor fast genau einem Jahrhundert (!) Maßstäbe mit seiner zweiteiligen Interpretation setzen. Auch für Stummfilmskeptiker sollten seine beiden „Nibelungen“ Pflichtprogramm und Grundausbildung sein. Hach, was waren das für Höhen für den deutschen Film vor der auch künstlerisch zerstörerischen Naziherrschaft. Wohl für die nächsten hundert Jahre noch unerreichbar, wenn man sich die heimische und teils beschämende Filmlandschaft heute anguckt… Und jetzt macht Constantin in Kooperation mit RTL+ auf dicke Hose (oder doch nur gepimptes RTL-Eventkino wie früher?!) und schickt sein Epos „Hagen“ in die Kinos und später verlängert ins Fernsehen/Streaming. Über die Kehrseite der Medaille, basierend auf Hohlbeins unkaputtbaren Roman aus den 80ern, wo der eigentliche und hier titelgebende „Bösewicht“ und Krieger Hagen im Mittelpunkt steht - oder zumindest am ehesten aus seiner Sicht schildert…

Laubgetöse

„Hagen“ sieht klasse aus. Nicht nur für eine deutsche Produktion, finde ich. Das kann sich auch international sehen, Vergleiche gefallen lassen und TV-Vibes kamen bei mir im Kino nicht im Geringsten auf. Das muss ich als erstes direkt loswerden, falls wer Bedenken hatte. Billig wirkt hier nix. Klar, man merkt eher an einigen flotteren, collageartigeren Passagen und noch deutlicher an einigen arg kurz kommenden Nebenfiguren, dass da später noch eine Langfassung bzw. Miniserie von nachgeschoben wird. Doch ansonsten funktioniert das weitestgehend auch als Kinoepos. Nicht hervorragend, aber gut. Und ist eine der besseren Versionen geworden, die ich von der Nibelungensage kenne. Ohne Bäume und Burgen auszureißen oder den Rhein zu verschieben - aber insgesamt mehr als kompetent und chic, respektabel und selbstbewusst, schön und packend. Der mal tragende, mal brausende, immer mächtige Score hat bei mir voll gepunktet. Sets und Kostüme machen was her, wirken selten bis nie zu sauber oder künstlich. Das ist kein Kostümverleih oder Kasperletheater. Der Perspektivwechsel zum „Bösewicht“ bringt frischen Wind und neue Eindrücke. Da kann ich verkraften, dass Sexszenen sehr zahm und Drachentöten nur im Off passiert. Anfangs wirkt die deutsche Sprache bei einigen etwas steif und theatralisch, doch zu dem Setting passt das und spielt sich mit der Zeit auch ein. Oder man gewöhnt sich dran. Vor allem die Szenen auf Island sind in der besseren zweiten Hälfte dann einfach ein Träumchen. Die Schlachtenporträts sind kurz, knackig und nicht zimperlich. Vielleicht gibt’s für die Langfassung hier noch am ehesten neue Schauwerte. Die Chemie im Cast und bei den unterschiedlichen Figuren spürt man, ich war durchgängig drin in der Geschichte und gefühlt nah an den Hauptfiguren, ihren stoischen Blicken und ihrer wüsten Gefühlswelt. In soapige Gefilde wandert's zum Glück nie. Das Burgunder Land sieht teils traumhaft aus. Mit einem Chris Pine'igen und aus dieser Zeit gefallenen Sigfried / Jannis Niewöhner kann ich gut leben. Gijs Naber als titelgebender Waffenmeister ist Anker und zum Glück bester Mann. Fantasie, Mittelalter, Tragödie, Intrigen, Eifersucht, Kriege. Das passt schon. Ob ich mir davon nochmal eine dreimal so lange Version geben werde, ist fraglich. Aber mit diesem Kinocut bin ich weitestgehend zufrieden. Auch wenn’s kein deutsches Mammutwerk, keine germanische Kinolegende geworden ist. Weit weg davon. Dafür sind mittlerweile „House of the Dragon“ und Co. auch einfach zu weit voraus, man ist zu viel gewöhnt, manches wirkt klischeehaft und sehr bekannt. Obwohl die Geschichte ja eigentlich urheberrechtlich unantastbar ist und alles erst ans Rollen gebracht hat… 

Fazit: attraktive, sicher nicht günstige und leicht variierte, leider jedoch weder in Sachen Spannung, Action oder Figurenzeichnung wirklich in der Topliga spielende Fantasyverfilmung - kann man gucken, kann man schlucken, muss man nicht mucken. Die ultimative Version dieser größten deutschen Sage ist’s aber nicht - und wird’s auch mit der verdreifachten (?!) TV-Version später nahezu sicher nicht. Dieser Titel bleibt auch zum hundertsten (!) Jubiläum ganz locker bei Fritz Lang. Trotzdem ist „Hagen“ nie schlecht, nur manchmal träge, manchmal gehetzt - jedoch immer ambitioniert, sehr hübsch, hochwertig und höchst respektabel. Das ist ein Fortschritt für das deutsche Fantasykino. 

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