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Mit „Prometheus“ und „Covenant“ hatte Ridley Scott höchstselbst die „Alien“-Reihe erweitern dürfen, hatte allerdings ganz offensichtlich eigenständige Sci-Fi-Werke über außerirdische Götter und Flöte spielende Androiden im Kopf, denen er dann widerwillig das „Alien“-Gewand überstülpen musste, um sie finanziert zu bekommen. Nach diesen umstrittenen bis ungeliebten Werken sollte es also back to the roots gehen, mit „Alien: Romulus“.
Fede Alvarez heißt der Mann für die Auf-Nummer-sicher-Nummer, der 2013 „Evil Dead“ zu großer Fanfreude rebootete und als Produzent sowie Storylieferant die 2022er-Version von „Texas Chainsaw Massacre“ mitverantwortete. Also spielt „Alien: Romulus“ dann auch folgerichtig zwischen Teil eins und zwei, beginnt mit der alles bestimmenden Entität im „Alien“-Kosmos, der Weyland-Yutani-Corporation. Eine Forschungsstation des Konzerns nimmt unbekanntes Material auf, um es zu untersuchen, danach wird abgeblendet, aber natürlich ist vollkommen klar, welches Grauen nun auf der Station passiert, die folgerichtig zum Haupthandlungsort des eigentlichen Films wird.
Selbiger spielt im Jahr 2142 und beginnt auf einem Minenplaneten, auf dem Jung und Alt für Weyland-Yutani schuften müssen. Als Belohnung für die Sollerfüllung winkt die Reise zu neuen Planeten im All, doch wie schnell diese Karotte weggezogen wird, merkt Protagonistin Rain (Cailee Spaeny), als sie für sich und ihren „Bruder“, den Androiden Andy (David Jonsson), das Ticket buchen will. Kurzerhand wird die Anzahl zu leistender Stunden verdoppelt, in sechs Jahren könne sie wiederkommen. Dass die Hauptfiguren jünger sind als in den Vorgängern, ist sicherlich mit Blick auf ein neues Zielpublikum angedacht worden, wird aber von Alvarez inhaltlich begründet: Die jungen Menschen wollen der lebensfeindlichen Hölle entfliehen, ehe sie an Staublunge, Unfällen oder Krankheiten krepieren wie ihre Eltern, während manche Ältere sich mit dem Schicksal abgefunden haben.

Rain und Andy werden kurz darauf von Tyler (Archie Renaux) angesprochen: Ihr Kumpel hat im Orbit des Planeten ein Schiffswrack entdeckt, auf dem er Kühlkammern vermutet, mit denen sie auf eigene Faust zum gelobten Planeten reisen können. Mit einer kleinen Crew brechen sie zu dem Schiff auf, das sich als jene Forschungsstation aus der Auftaktsequenz entpuppt…
Dass die klassischen „Alien“-Filme, vor allem der Ursprungsfilm der Reihe, Pate für „Alien: Romulus“ standen, ist ein offenes Geheimnis. Der Storyaufbau funktioniert sehr ähnlich, angefangen bei der ausführlichen Einführung von Figuren und Setting über die unvermeidliche Erstinfektion eines Crewmitglieds durch einen Facehugger bis zum Finale, in dem ein letzter Xenomorph noch die vermeintliche sichere Bastion stürmt und im Überlebenskampf besiegt werden muss. Auch sonst werden brav die Standards der Reihe bedient. Weyland-Yutani ist weiterhin der Raubtierkapitalismus in Reinform, der für Forschung im Namen der Profitmaximierung über Leichen geht. Überall sind Metaphern auf Sexualität und Geburt zu finden, hier noch dadurch auf die Spitze getrieben, dass mit Tylers Schwester Kay (Isabela Merced) eine Schwangere zum Team gehört. Hinzu kommt der Fanservice, von den Pulse-Gewehren über die Zitate mancher Onliner („Get away from her, you bitch“) bis hin zum (tricktechnisch etwas durchwachsenen) Auftauchen eines alten Bekannten.
Das geht meist in Ordnung, doch am meisten schwächelt „Alien: Romulus“ immer dann, wenn er zu sehr vom Franchise-Gedanken, vom Glauben an die eine große Geschichte getrieben wird. So handelt es sich bei dem Fundstück aus der Eingangssequenz, wie man später erfährt, nicht um irgendein Xenomorph-Material, nein, es ist das Biest aus dem ersten „Alien“, das trotz Treiben im Weltall und Brutzeltour im Raumschiffantrieb wohl immer noch nicht komplett kaputtbar war. Außerdem muss auch jene Flüssigkeit aus den Scott-Prequels noch einen Auftritt haben – hoffentlich um danach für immer aus der Franchise zu verschwinden. Sie sorgt allerdings dann für einen jener semi-gelungenen Xenomorph-Hybriden, die schon in „Alien – Die Wiedergeburt“ und den Prequels eher diskutabel als vollends gelungen waren. Dabei zeigt „Alien: Romulus“ oft wie reizvoll eine Geschichte mit neuen Figuren im „Alien“-Kosmos mit der bekannten Kreatur sein könnte, wenn man nicht andauernd den krampfhaften Anschluss an Gewesenes wie die Ripley-Saga suchen würde.

Denn in einigen der besten Momente des Films etabliert sich Alvarez dagegen vom Ursprungsmaterial. Die Szenen auf dem Minenplaneten greifen nicht nur die Malocher-Ästhetik der frühen Filme auf, sondern nehmen auch das ins Bild, was in den früheren „Alien“-Filmen nur am Rande vorkam: Die Zivilgesellschaft der Zukunft. Früher waren es isolierte Kleingruppen, noch dazu besondere Vertreter der Gesellschaft wie Soldaten („Aliens“) oder Strafgefangene („Alien 3“). Hier bekommt man zumindest eine Ahnung davon wie der Alltag auf manchen Planeten aussehen mag. Außerdem betritt „Alien: Romulus“ zumindest ansatzweise „Blade Runner“-Terrain, wenn es um Andy geht. Seine Figur und sein Status als künstlicher Menschen sind wesentlich zentraler als bei seinen Pendants aus der Ripley-Tetralogie, ohne dass „Alien: Romulus“ in die Schwafelgefilde der Prequels abdriften muss, ihnen denen der Android David einer der wichtigsten Charaktere war. Andy ist ein defekter Android, notdürftig von Rains Vater reaktiviert, das letzte Verbindungsstück zu den verstorbenen Eltern. Gespiegelt wird dies durch ein unsicheres Auftreten seinerseits, ein leicht autistisches Sprechen und ein Faible für Dad Jokes. Bei allen Interaktionen zwischen Andy und seinen menschlichen Kompagnons steht die Frage im Raum, inwiefern er ein vollwertiges Mitglied der Truppe oder doch nur ein Gebrauchsgegenstand ist, mit dessen Hilfe man beispielsweise wichtige Türen in der Station öffnen kann. Selbst seine „Schwester“ Rain ist von dieser Ambivalenz nicht ausgenommen.
Doch auch an anderer Stelle nutzt Alvarez den Raum für Experimente im Rahmen des Bekannten. In den vorigen Filmen (mit Ausnahme einer Spannungspassage im letzten Drittel von „Aliens“) waren die Facehugger oft nur Mittel zum Zweck, das nach der ersten Infizierung eines Crewmitglieds keine Rolle mehr spielten. In „Alien: Romulus“ sind sie eine massivere Bedrohung, etwa wenn sich mehrere Mitglieder der Crew im knietiefen Wasser befinden, während nach und nach mehrere eingefrorene Facehugger im gleichen Raum auftauen. An einer anderen Stelle müssen die Helden an den Biestern vorbeischleichen, getarnt durch die angehobene Raumtemperatur, doch jedes Schwitzen, jedes Signal von Angst verändert die eigene Körpertemperatur und macht sichtbar. An wieder einem anderen Punkt besitzen die Helden zwar Pulse-Gewehre, können diese aber wegen des Säurebluts der Xenomorphen nahe der Außenhülle nicht einsetzen, was in einer weiteren kreativen Passage mündet.

Das sind natürlich in erster Linie Akzente in einem Film, der sich primär an der Blaupause des Originals orientiert. Das passiert auch auf handwerklicher Ebene, denn Alvarez setzt vornehmlich oft handgemachte Sets und praktische Effekte, um auch optisch an jene anzuschließen. Auch das Design beim CGI-Einsatz lehnt sich harmonisch daran an, sieht man vom erwähnten Patzer beim Auftauchen eines alten Bekannten ab. Natürlich treten durch den Direktvergleich der Filme dann auch die Schwächen von Romulus zutage. So werden die Figuren zwar eingeführt, doch Kay und Pilotin Navarro (Aileen Wu) bleiben beinahe eigenschaftslos, während auch Rain angesichts ihrer Hauptrolle etwas zu wenig Profil besitzt. Überraschend markig kommt dagegen Tylers Cousin Bjorn (Spike Fearn) daher, dessen Ausagieren und Feindseligkeit Andy gegenüber einen Kern besitzen, der erst im Verlauf des Films offengelegt wird. Die andere Schwäche von „Alien: Romulus“ sitzt im letzten Drittel, wenn der Film manchmal etwas zu viel will, immer wieder einen draufsetzen möchte bei den ausweglosen Situationen und halsbrecherischen Passagen, sodass es manchmal doch eine Nummer zu sehr drüber wirkt.
Mit seinem jungen Cast besitzt „Alien: Romulus“ eine Kontinuität zu den Hauptfiguren aus den Alvarez-Filmen „Evil Dead“ und „Don’t Breathe“, auch wenn den meisten scriptbedingt nicht der Raum zum Glänzen gegeben wird. So ist die talentierte Cailee Spaeny recht gut in der Hauptrolle, aber bei weitem nicht so ikonisch und memorabel wie das offensichtliche Vorbild Sigourney Weaver. Archie Renaux, Isabela Merced, Spike Fern und Aileen Wu füllen ihre Rollen okay aus, aber mehr auch nicht, während David Jonsson in seiner dankbaren Rolle aufgeht. Nicht nur, weil Andy die komplexeste Figur des ganzen Films ist, sondern später auch noch ein Persönlichkeits-Update erhält, wodurch der Schauspieler mehrere unterschiedliche Facetten verkörpern und zwischen diesen switchen muss.

Man kann „Alien: Romulus“ sicherlich vorwerfen, dass seine Ambitionen nicht zu hoch hängen, sondern dass er einfach Sci-Fi-Horror nach Bauart des ersten „Alien“ liefern möchte. Das macht er aber mit starken Set-Design, kreativen Spannungspassagen, sauberem Aufbau und gelungenem Tempo, auch wenn man an Details wie Charakterzeichnung die Qualitätsunterschiede zum Vorbild erkennt. Vielleicht wäre das Ergebnis noch besser ausgefallen, hätte Alvarez einfach nur eine Geschichte im „Alien“-Kosmos erzählen wollen und das Ergebnis nicht künstlich mit den Vorgängern verzahnen müssen. In Einzelpassagen zeigt er aber, dass er in der Tradition der ersten Filme tiefergehende Überlegungen im Genrerahmen anstellen kann, ohne dabei ins Geschwafel von Ridley Scotts letzten Esoquarktaschen verfallen zu müssen.

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